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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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über den Gebrauch ihrer Zeit.
bis zur Assemblee zu lang wurde. Diese Wohlthat habe ich
mit Dank genossen; und so wird man von mir doch nicht ver-
langen, daß ich dieserhalb noch lange Rechnung geben solle?

Viertens; Hoffe ich doch eine Stunde zum Caffeetrin-
ken werde einem jeden Christenmenschen freygegeben seyn?

Fünftens habe ich von 5 Uhr bis um 8. in diesem Jahre
730 Spiel Karten verbrauchen helfen, und solchergestalt arme
Fabrikanten unterstützt; könnte ich diese nützliche Anwendung
meiner Zeit nicht doppelt anrechnen?

Sechstens habe ich von 8 Uhr bis um 11. zu Abend ge-
gessen, und mich einigermaßen zu den Verrichtungen des fol-
genden Tages vorbereitet; auch wohl, nachdem ich eben auf-
geräumet war, ein hübsches Buch zu meiner Ermunterung
in die Hand genommen; diese Stunden können also richtig
berechnet werden. Wollten Sie mir aber wohl dieserhalb
ein Zeugniß geben, womit ich bestehen könnte?

Sagen Sie mir nicht, daß ich die Zeit hätte nützlicher
anwenden sollen. Denn dieser ist hiesigen Orts, wo man
weder Opern noch Comödien, weder Redouten noch Akademie
hält, fast unmöglich. Gesetzt also, ich hätte weniger Zeit im
Bette und bey Tische zubringen wollen, was hätte ich in al-
ler Welt anfangen sollen? Reiten habe ich nicht gelernt? die
Jagd ist mir zu mühsam; des Spatzirens werde ich bald
müde; und durch jede Arbeit, die ich verrichtet hätte, würde
ein armer Mensch sein Brod verlohren haben. Mein gutes
Einkommen überhebt mich auch der Arbeit, und je weniger
ich selbst thue, je mehr gebe ich fleißigen Armen zu verdienen.
Es würde ein sträflicher Geiz seyn, wenn ich selbst die Küche
versehen, oder ein Cammermädgen weniger halten wollte.

Ich habe es einmal versucht und bin mit einem heroi-
schen Vorsatze um 4 Uhr des Morgens aufgestanden; allein

so
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uͤber den Gebrauch ihrer Zeit.
bis zur Aſſemblee zu lang wurde. Dieſe Wohlthat habe ich
mit Dank genoſſen; und ſo wird man von mir doch nicht ver-
langen, daß ich dieſerhalb noch lange Rechnung geben ſolle?

Viertens; Hoffe ich doch eine Stunde zum Caffeetrin-
ken werde einem jeden Chriſtenmenſchen freygegeben ſeyn?

Fünftens habe ich von 5 Uhr bis um 8. in dieſem Jahre
730 Spiel Karten verbrauchen helfen, und ſolchergeſtalt arme
Fabrikanten unterſtuͤtzt; koͤnnte ich dieſe nuͤtzliche Anwendung
meiner Zeit nicht doppelt anrechnen?

Sechſtens habe ich von 8 Uhr bis um 11. zu Abend ge-
geſſen, und mich einigermaßen zu den Verrichtungen des fol-
genden Tages vorbereitet; auch wohl, nachdem ich eben auf-
geraͤumet war, ein huͤbſches Buch zu meiner Ermunterung
in die Hand genommen; dieſe Stunden koͤnnen alſo richtig
berechnet werden. Wollten Sie mir aber wohl dieſerhalb
ein Zeugniß geben, womit ich beſtehen koͤnnte?

Sagen Sie mir nicht, daß ich die Zeit haͤtte nuͤtzlicher
anwenden ſollen. Denn dieſer iſt hieſigen Orts, wo man
weder Opern noch Comoͤdien, weder Redouten noch Akademie
haͤlt, faſt unmoͤglich. Geſetzt alſo, ich haͤtte weniger Zeit im
Bette und bey Tiſche zubringen wollen, was haͤtte ich in al-
ler Welt anfangen ſollen? Reiten habe ich nicht gelernt? die
Jagd iſt mir zu muͤhſam; des Spatzirens werde ich bald
muͤde; und durch jede Arbeit, die ich verrichtet haͤtte, wuͤrde
ein armer Menſch ſein Brod verlohren haben. Mein gutes
Einkommen uͤberhebt mich auch der Arbeit, und je weniger
ich ſelbſt thue, je mehr gebe ich fleißigen Armen zu verdienen.
Es wuͤrde ein ſtraͤflicher Geiz ſeyn, wenn ich ſelbſt die Kuͤche
verſehen, oder ein Cammermaͤdgen weniger halten wollte.

Ich habe es einmal verſucht und bin mit einem heroi-
ſchen Vorſatze um 4 Uhr des Morgens aufgeſtanden; allein

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[279/0297] uͤber den Gebrauch ihrer Zeit. bis zur Aſſemblee zu lang wurde. Dieſe Wohlthat habe ich mit Dank genoſſen; und ſo wird man von mir doch nicht ver- langen, daß ich dieſerhalb noch lange Rechnung geben ſolle? Viertens; Hoffe ich doch eine Stunde zum Caffeetrin- ken werde einem jeden Chriſtenmenſchen freygegeben ſeyn? Fünftens habe ich von 5 Uhr bis um 8. in dieſem Jahre 730 Spiel Karten verbrauchen helfen, und ſolchergeſtalt arme Fabrikanten unterſtuͤtzt; koͤnnte ich dieſe nuͤtzliche Anwendung meiner Zeit nicht doppelt anrechnen? Sechſtens habe ich von 8 Uhr bis um 11. zu Abend ge- geſſen, und mich einigermaßen zu den Verrichtungen des fol- genden Tages vorbereitet; auch wohl, nachdem ich eben auf- geraͤumet war, ein huͤbſches Buch zu meiner Ermunterung in die Hand genommen; dieſe Stunden koͤnnen alſo richtig berechnet werden. Wollten Sie mir aber wohl dieſerhalb ein Zeugniß geben, womit ich beſtehen koͤnnte? Sagen Sie mir nicht, daß ich die Zeit haͤtte nuͤtzlicher anwenden ſollen. Denn dieſer iſt hieſigen Orts, wo man weder Opern noch Comoͤdien, weder Redouten noch Akademie haͤlt, faſt unmoͤglich. Geſetzt alſo, ich haͤtte weniger Zeit im Bette und bey Tiſche zubringen wollen, was haͤtte ich in al- ler Welt anfangen ſollen? Reiten habe ich nicht gelernt? die Jagd iſt mir zu muͤhſam; des Spatzirens werde ich bald muͤde; und durch jede Arbeit, die ich verrichtet haͤtte, wuͤrde ein armer Menſch ſein Brod verlohren haben. Mein gutes Einkommen uͤberhebt mich auch der Arbeit, und je weniger ich ſelbſt thue, je mehr gebe ich fleißigen Armen zu verdienen. Es wuͤrde ein ſtraͤflicher Geiz ſeyn, wenn ich ſelbſt die Kuͤche verſehen, oder ein Cammermaͤdgen weniger halten wollte. Ich habe es einmal verſucht und bin mit einem heroi- ſchen Vorſatze um 4 Uhr des Morgens aufgeſtanden; allein ſo S 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/297>, abgerufen am 22.11.2024.