Jezt ist es einem Seestädter leicht, den Handel eines ganzen Landes zu verderben. Ungestraft macht er die Wap- pen und Zeichen anderer Länder nach, drückt solche auf schlechte Waare, und verläumdet damit die Redlichkeit des Mannes und des Orts, der mit aller Treue seinem Zeichen und Wap- pen Ehre zu machen suchte. Er verändert das Gewicht, ver- kürzt die Elle, und verkauft polnisch für preußisch, bis endlich die Empfänger der schlechten Waare überdrüßig auf eine neue Spur geleitet und durch andere Länder oder Waaren besser versorget werden. Wo ist itzt der Landstädter, der sich rüh- men kann, einige Nachricht aus dem wahren Sitze der Hand- lung zu empfangen, die Ursache eines steigenden und fallenden Wechsels zeitig zu bemerken, seinen Plan auf sichere Gründe zu bauen, die Bedürfnisse jeder Colonie, jedes Reiches zu kennen, und sofort seine Maasregeln darnach zu nehmen? Kaum kann er noch eine geringe Zahlung durch eigene Wech- sel verrichten. Moses und Abraham rechne ich aber nicht mit. Diese können freylich Wechsel in Menge schreiben; aber darf man fragen wie? Und können wir ohne Erröthen daran gedenken? Sie lassen die Wechsel in Bremen, Hamburg oder Amsterdam aufkaufen, schicken solche zur Erhebung an ihre Freunde in Spanien oder England, und verkauffen uns denn ihre Anweisungen auf das erhobene Geld. Der Hamburger, Bremer oder Holländer gewinnet also daran ein halbes vom Hundert. Der Engländer und Spanier eben so viel, und Moses und Abraham sicher ein ganzes. Und woher rühren diese Gelder? Sind es nicht Zahlungen, die wir aus Spa- nien und England zu fordern hatten? Geschehen sie nicht für Waaren, die man aus dem Lande nach den Seestädten ge- schickt hatte? Und verkauft man uns nicht unser eigen Geld? Erst schnellen uns die Seestädter um die Waare, und nun plündern sie unsern Beutel. Kann man sich etwas schimpfli-
chers
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der Handlung in den Landſtaͤdten.
Jezt iſt es einem Seeſtaͤdter leicht, den Handel eines ganzen Landes zu verderben. Ungeſtraft macht er die Wap- pen und Zeichen anderer Laͤnder nach, druͤckt ſolche auf ſchlechte Waare, und verlaͤumdet damit die Redlichkeit des Mannes und des Orts, der mit aller Treue ſeinem Zeichen und Wap- pen Ehre zu machen ſuchte. Er veraͤndert das Gewicht, ver- kuͤrzt die Elle, und verkauft polniſch fuͤr preußiſch, bis endlich die Empfaͤnger der ſchlechten Waare uͤberdruͤßig auf eine neue Spur geleitet und durch andere Laͤnder oder Waaren beſſer verſorget werden. Wo iſt itzt der Landſtaͤdter, der ſich ruͤh- men kann, einige Nachricht aus dem wahren Sitze der Hand- lung zu empfangen, die Urſache eines ſteigenden und fallenden Wechſels zeitig zu bemerken, ſeinen Plan auf ſichere Gruͤnde zu bauen, die Beduͤrfniſſe jeder Colonie, jedes Reiches zu kennen, und ſofort ſeine Maasregeln darnach zu nehmen? Kaum kann er noch eine geringe Zahlung durch eigene Wech- ſel verrichten. Moſes und Abraham rechne ich aber nicht mit. Dieſe koͤnnen freylich Wechſel in Menge ſchreiben; aber darf man fragen wie? Und koͤnnen wir ohne Erroͤthen daran gedenken? Sie laſſen die Wechſel in Bremen, Hamburg oder Amſterdam aufkaufen, ſchicken ſolche zur Erhebung an ihre Freunde in Spanien oder England, und verkauffen uns denn ihre Anweiſungen auf das erhobene Geld. Der Hamburger, Bremer oder Hollaͤnder gewinnet alſo daran ein halbes vom Hundert. Der Englaͤnder und Spanier eben ſo viel, und Moſes und Abraham ſicher ein ganzes. Und woher ruͤhren dieſe Gelder? Sind es nicht Zahlungen, die wir aus Spa- nien und England zu fordern hatten? Geſchehen ſie nicht fuͤr Waaren, die man aus dem Lande nach den Seeſtaͤdten ge- ſchickt hatte? Und verkauft man uns nicht unſer eigen Geld? Erſt ſchnellen uns die Seeſtaͤdter um die Waare, und nun pluͤndern ſie unſern Beutel. Kann man ſich etwas ſchimpfli-
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der Handlung in den Landſtaͤdten.
Jezt iſt es einem Seeſtaͤdter leicht, den Handel eines
ganzen Landes zu verderben. Ungeſtraft macht er die Wap-
pen und Zeichen anderer Laͤnder nach, druͤckt ſolche auf ſchlechte
Waare, und verlaͤumdet damit die Redlichkeit des Mannes
und des Orts, der mit aller Treue ſeinem Zeichen und Wap-
pen Ehre zu machen ſuchte. Er veraͤndert das Gewicht, ver-
kuͤrzt die Elle, und verkauft polniſch fuͤr preußiſch, bis endlich
die Empfaͤnger der ſchlechten Waare uͤberdruͤßig auf eine neue
Spur geleitet und durch andere Laͤnder oder Waaren beſſer
verſorget werden. Wo iſt itzt der Landſtaͤdter, der ſich ruͤh-
men kann, einige Nachricht aus dem wahren Sitze der Hand-
lung zu empfangen, die Urſache eines ſteigenden und fallenden
Wechſels zeitig zu bemerken, ſeinen Plan auf ſichere Gruͤnde
zu bauen, die Beduͤrfniſſe jeder Colonie, jedes Reiches zu
kennen, und ſofort ſeine Maasregeln darnach zu nehmen?
Kaum kann er noch eine geringe Zahlung durch eigene Wech-
ſel verrichten. Moſes und Abraham rechne ich aber nicht
mit. Dieſe koͤnnen freylich Wechſel in Menge ſchreiben; aber
darf man fragen wie? Und koͤnnen wir ohne Erroͤthen daran
gedenken? Sie laſſen die Wechſel in Bremen, Hamburg oder
Amſterdam aufkaufen, ſchicken ſolche zur Erhebung an ihre
Freunde in Spanien oder England, und verkauffen uns denn
ihre Anweiſungen auf das erhobene Geld. Der Hamburger,
Bremer oder Hollaͤnder gewinnet alſo daran ein halbes vom
Hundert. Der Englaͤnder und Spanier eben ſo viel, und
Moſes und Abraham ſicher ein ganzes. Und woher ruͤhren
dieſe Gelder? Sind es nicht Zahlungen, die wir aus Spa-
nien und England zu fordern hatten? Geſchehen ſie nicht fuͤr
Waaren, die man aus dem Lande nach den Seeſtaͤdten ge-
ſchickt hatte? Und verkauft man uns nicht unſer eigen Geld?
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/27>, abgerufen am 24.11.2024.
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