Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Schreiben eines reisenden Gasconiers men lassen, daß die zehn Gebote mehr als hundert Jahr ausder Mode sind. Bey einer solchen Lebensart, und in einem Lande, wor- Ich will ihnen nächstens eine Rechnung schicken, wie Geschrieben auf der Reise. N. S. Apropos, noch eins! In ganz Westphalen habe ich gen
Schreiben eines reiſenden Gaſconiers men laſſen, daß die zehn Gebote mehr als hundert Jahr ausder Mode ſind. Bey einer ſolchen Lebensart, und in einem Lande, wor- Ich will ihnen naͤchſtens eine Rechnung ſchicken, wie Geſchrieben auf der Reiſe. N. S. Apropos, noch eins! In ganz Weſtphalen habe ich gen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0268" n="250"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Schreiben eines reiſenden Gaſconiers</hi></fw><lb/> men laſſen, daß die zehn Gebote mehr als hundert Jahr aus<lb/> der Mode ſind.</p><lb/> <p>Bey einer ſolchen Lebensart, und in einem Lande, wor-<lb/> inn, wie ich vermuthe, Mann und Frau noch in einem Bette<lb/> ſchlafen, iſt es wohl kein Wunder, daß aus langer Weile des<lb/> Jahres viele Kinder erzeugt werden. Mich wundert nur,<lb/> daß Euer Wohlehrwuͤrden nicht auf jeder Quadratmeile eine<lb/> ganze Million gefunden haben. Allein, ihre Kirchſpielsſchule<lb/> mag ſich ſo gut dabey ſtehen, als ſie immer will: ſo danke<lb/> ich fuͤr ein Land, worinn man nichts als Geſundheit und<lb/> Arbeit kennet, und ohne <hi rendition="#aq">Cedras</hi> verdauen muß. Ich nehme<lb/> aus demſelben nichts als einen rohen Schinken und ein Stuͤck<lb/> Pumpernickel mit, um es den Pariſern fuͤr Geld ſehen zu<lb/> laſſen.</p><lb/> <p>Ich will ihnen naͤchſtens eine Rechnung ſchicken, wie<lb/> viel Thoren ſich in andern Laͤndern auf jeder Quadratmeile<lb/> finden; und da ſollen ſie ſehen, wie ſehr ſie die Bilanz gegen<lb/> ſich haben. Bis dahin begnuͤgen ſie ſich der einzige in ihrem<lb/> Kirchſpiel zu ſeyn, den ich auf meiner Wunderreiſe einiger<lb/> Aufmerkſamkeit gewuͤrdiget habe.</p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Geſchrieben auf der Reiſe.</hi> </p><lb/> <postscript> <p> <hi rendition="#et">N. S.</hi> </p><lb/> <p>Apropos, noch eins! In ganz Weſtphalen habe ich<lb/> keine Obſtbaͤume an der Heerſtraſſe gefunden; und ich habe<lb/> mich wuͤrklich oft darnach umgeſehen, weil ich hungrig war.<lb/> Wie iſt es aber moͤglich, in einem ſo weſentlichen Stuͤcke zu<lb/> fehlen? Sollten ſie nicht uͤberall Datteln- Pignolen- Capern-<lb/> Oliven- und Feigenbaͤume ſtehen haben? Sollte jedes Dorf<lb/> nicht angewieſen ſeyn, einen Zuſchlag fuͤr Melonen zu ma-<lb/> chen? Wahr iſt es zwar, in manchen niederſaͤchſiſchen Ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p> </postscript> </div> </body> </text> </TEI> [250/0268]
Schreiben eines reiſenden Gaſconiers
men laſſen, daß die zehn Gebote mehr als hundert Jahr aus
der Mode ſind.
Bey einer ſolchen Lebensart, und in einem Lande, wor-
inn, wie ich vermuthe, Mann und Frau noch in einem Bette
ſchlafen, iſt es wohl kein Wunder, daß aus langer Weile des
Jahres viele Kinder erzeugt werden. Mich wundert nur,
daß Euer Wohlehrwuͤrden nicht auf jeder Quadratmeile eine
ganze Million gefunden haben. Allein, ihre Kirchſpielsſchule
mag ſich ſo gut dabey ſtehen, als ſie immer will: ſo danke
ich fuͤr ein Land, worinn man nichts als Geſundheit und
Arbeit kennet, und ohne Cedras verdauen muß. Ich nehme
aus demſelben nichts als einen rohen Schinken und ein Stuͤck
Pumpernickel mit, um es den Pariſern fuͤr Geld ſehen zu
laſſen.
Ich will ihnen naͤchſtens eine Rechnung ſchicken, wie
viel Thoren ſich in andern Laͤndern auf jeder Quadratmeile
finden; und da ſollen ſie ſehen, wie ſehr ſie die Bilanz gegen
ſich haben. Bis dahin begnuͤgen ſie ſich der einzige in ihrem
Kirchſpiel zu ſeyn, den ich auf meiner Wunderreiſe einiger
Aufmerkſamkeit gewuͤrdiget habe.
Geſchrieben auf der Reiſe.
N. S.
Apropos, noch eins! In ganz Weſtphalen habe ich
keine Obſtbaͤume an der Heerſtraſſe gefunden; und ich habe
mich wuͤrklich oft darnach umgeſehen, weil ich hungrig war.
Wie iſt es aber moͤglich, in einem ſo weſentlichen Stuͤcke zu
fehlen? Sollten ſie nicht uͤberall Datteln- Pignolen- Capern-
Oliven- und Feigenbaͤume ſtehen haben? Sollte jedes Dorf
nicht angewieſen ſeyn, einen Zuſchlag fuͤr Melonen zu ma-
chen? Wahr iſt es zwar, in manchen niederſaͤchſiſchen Ge-
gen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |