Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Schreiben eines westphäl. Schulmeisters, Wie herrlich ist nicht ihre Viehzucht? Und wie fleißig sindnicht alle Menschen? Höre einmal, sagte ich zu ihm: ein westphälisches Kirch- Erstens dieses, daß so viel gebauetes Land in Frankreich Fürs andre, machen sie in Frankreich ein Geschrey den
Schreiben eines weſtphaͤl. Schulmeiſters, Wie herrlich iſt nicht ihre Viehzucht? Und wie fleißig ſindnicht alle Menſchen? Hoͤre einmal, ſagte ich zu ihm: ein weſtphaͤliſches Kirch- Erſtens dieſes, daß ſo viel gebauetes Land in Frankreich Fürs andre, machen ſie in Frankreich ein Geſchrey den
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0260" n="242"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Schreiben eines weſtphaͤl. Schulmeiſters,</hi></fw><lb/> Wie herrlich iſt nicht ihre Viehzucht? Und wie fleißig ſind<lb/> nicht alle Menſchen?</p><lb/> <p>Hoͤre einmal, ſagte ich zu ihm: ein weſtphaͤliſches Kirch-<lb/> ſpiel, worunter einige 1500 bis 2000 Feuerſtaͤtten haben, iſt<lb/> gewiß dreymal ſo ſtark als ein franzoͤſiſches. Ich habe in<lb/> meiner Schule 373 Kirchſpielskinder; diejenige, ſo in die<lb/> catholiſche Schule, und in die vorhandene Nebenſchulen gehen,<lb/> ungerechnet. So viel wirſt du ſchwerlich in einer franzoͤſiſchen<lb/> Dorfſchule gefunden haben. Und was den Acker betrift: ſo<lb/> beſitzen wir an Heyden, Moͤhren und Gebuͤrgen 948672 Mor-<lb/> gen, jeden zu 120 Calenb. Ruthen gerechnet, hierauf leben<lb/> 116664 Menſchen; und nach dieſem Verhaͤltniß muͤſſen in<lb/> Frankreich uͤber 40 Millionen Menſchen ſeyn, ohne daß wir<lb/> einmal unterſuchen wollen, ob unter den 200 Millionen Ar-<lb/> pens lauter urbares, oder auch Heide- und Mohrland mit be-<lb/> griffen ſey. Ueberdem traue ich dir, lieber Fritz,</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Erſtens</hi> dieſes, daß ſo viel gebauetes Land in Frankreich<lb/> ſey, auf dein Wort noch nicht zu. Denn der Landſchatz in<lb/> Frankreich betraͤgt nur, wie du wohl eher geſagt haſt, 75<lb/> Millionen Livres; und wenn ich den vierten Theil deiner<lb/> 200:000:000 Arpens fuͤr die Geiſtlichkeit und den Adel ab-<lb/> rechne, als welche zum Landſchatze nichts beytragen: ſo muͤßte<lb/> jeder Arpent nur zu ½ Livre angeſchlagen ſeyn, folglich in<lb/> Frankreich von jeden funfzig Quadratruthen nur 1 ggl. an<lb/> Schatzung jaͤhrlich bezahlet werden. Das glaube ich nicht.<lb/> Denn du haſt mir von einem franzoͤſiſchen Paͤchter geſagt, der<lb/> von 550 Arpens oder von 1500 Scheffelſaat 1800 Livres im<lb/> Landſchatze bezahlt haͤtte.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Fürs andre,</hi> machen ſie in Frankreich ein Geſchrey<lb/> uͤber die 400 Millionen Livres, die jaͤhrlich aufzubringen<lb/> ſind, als wann Himmel und Erde vergehen ſoll. Dies waͤre<lb/> nicht moͤglich, wenn die Bevoͤlkerung und der Ackerbau mit<lb/> <fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [242/0260]
Schreiben eines weſtphaͤl. Schulmeiſters,
Wie herrlich iſt nicht ihre Viehzucht? Und wie fleißig ſind
nicht alle Menſchen?
Hoͤre einmal, ſagte ich zu ihm: ein weſtphaͤliſches Kirch-
ſpiel, worunter einige 1500 bis 2000 Feuerſtaͤtten haben, iſt
gewiß dreymal ſo ſtark als ein franzoͤſiſches. Ich habe in
meiner Schule 373 Kirchſpielskinder; diejenige, ſo in die
catholiſche Schule, und in die vorhandene Nebenſchulen gehen,
ungerechnet. So viel wirſt du ſchwerlich in einer franzoͤſiſchen
Dorfſchule gefunden haben. Und was den Acker betrift: ſo
beſitzen wir an Heyden, Moͤhren und Gebuͤrgen 948672 Mor-
gen, jeden zu 120 Calenb. Ruthen gerechnet, hierauf leben
116664 Menſchen; und nach dieſem Verhaͤltniß muͤſſen in
Frankreich uͤber 40 Millionen Menſchen ſeyn, ohne daß wir
einmal unterſuchen wollen, ob unter den 200 Millionen Ar-
pens lauter urbares, oder auch Heide- und Mohrland mit be-
griffen ſey. Ueberdem traue ich dir, lieber Fritz,
Erſtens dieſes, daß ſo viel gebauetes Land in Frankreich
ſey, auf dein Wort noch nicht zu. Denn der Landſchatz in
Frankreich betraͤgt nur, wie du wohl eher geſagt haſt, 75
Millionen Livres; und wenn ich den vierten Theil deiner
200:000:000 Arpens fuͤr die Geiſtlichkeit und den Adel ab-
rechne, als welche zum Landſchatze nichts beytragen: ſo muͤßte
jeder Arpent nur zu ½ Livre angeſchlagen ſeyn, folglich in
Frankreich von jeden funfzig Quadratruthen nur 1 ggl. an
Schatzung jaͤhrlich bezahlet werden. Das glaube ich nicht.
Denn du haſt mir von einem franzoͤſiſchen Paͤchter geſagt, der
von 550 Arpens oder von 1500 Scheffelſaat 1800 Livres im
Landſchatze bezahlt haͤtte.
Fürs andre, machen ſie in Frankreich ein Geſchrey
uͤber die 400 Millionen Livres, die jaͤhrlich aufzubringen
ſind, als wann Himmel und Erde vergehen ſoll. Dies waͤre
nicht moͤglich, wenn die Bevoͤlkerung und der Ackerbau mit
den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |