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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Schutzrede der Packenträger.

Wenn man die handelnden Patrioten eines jeden Lan-
des frägt: so haben dieselbe insgesamt nur eine Stimme gegen
diese armen Leute. Die kleinen Städte sehen sie als ihre ge-
schwornen Feinde an; die Cameralisten sagen, daß sie das
Geld aus dem Lande schleppten. Die Moralisten rufen mit
lauter Stimme, daß sie Ueppigkeit und Eitelkeit in die klein-
sten Hütten verbreiteten; und die Männer schreyen, daß sie
ihre Weiber und Töchter zu allerhand Thorheiten verführten.

Was sagen aber die armen Packenträger dazu? Bis
dato nichts; so oft wir sie auch dazu aufgefordert haben. Viel-
leicht ist ihnen die in diesen Blättern wider sie eingeführte
Klage nicht einmal zu Gesichte gekommen. Vielleicht verlas-
sen sie sich auch auf ihre gute Sache. Es sey aber diese oder
eine andre Ursache ihres Stillschweigens: so ist es unsre
Pflicht sie nicht ungehört zu verdammen. Wir müssen sie,
da sich kein Advocat für sie gefunden, selbst reden lassen; da-
mit sie aber nicht zu weitläuftig werden, sollen sie blos zu uns
reden. Denn jeder Staat hat in diesem Stücke sein eig-
nes Interesse; und wir bekümmern uns billig zuerst um das
unsrige.

"Was bewegt euch, könnten sie zu uns Osnabrückern
sagen, uns das freye hausiren zu verbieten? Ihr wohnet in
einem Lande, wo die Auflagen gering sind, wo ihr gar keine
Rekruten zu stellen, keine Cavallerie zu ernähren und keine
Accise zu entrichten habet; In einem Lande, wo die Zinsen
gering, Hände genug, und die Lebensmittel in einem billigen
Preise sind. Wenn ihr wollt: so müsset ihr alles was ihr
macht, eben so wohlfeil geben können, als wir es euch auf
unsern Rücken zutragen; Und wenn ihr dieses thut: so müs-
sen wir von selbst zu Hause bleiben. Daß in solchen Ländern,
wo die Landesschulden hoch, und die Anflagen stark, der

Hände
Schutzrede der Packentraͤger.

Wenn man die handelnden Patrioten eines jeden Lan-
des fraͤgt: ſo haben dieſelbe insgeſamt nur eine Stimme gegen
dieſe armen Leute. Die kleinen Staͤdte ſehen ſie als ihre ge-
ſchwornen Feinde an; die Cameraliſten ſagen, daß ſie das
Geld aus dem Lande ſchleppten. Die Moraliſten rufen mit
lauter Stimme, daß ſie Ueppigkeit und Eitelkeit in die klein-
ſten Huͤtten verbreiteten; und die Maͤnner ſchreyen, daß ſie
ihre Weiber und Toͤchter zu allerhand Thorheiten verfuͤhrten.

Was ſagen aber die armen Packentraͤger dazu? Bis
dato nichts; ſo oft wir ſie auch dazu aufgefordert haben. Viel-
leicht iſt ihnen die in dieſen Blaͤttern wider ſie eingefuͤhrte
Klage nicht einmal zu Geſichte gekommen. Vielleicht verlaſ-
ſen ſie ſich auch auf ihre gute Sache. Es ſey aber dieſe oder
eine andre Urſache ihres Stillſchweigens: ſo iſt es unſre
Pflicht ſie nicht ungehoͤrt zu verdammen. Wir muͤſſen ſie,
da ſich kein Advocat fuͤr ſie gefunden, ſelbſt reden laſſen; da-
mit ſie aber nicht zu weitlaͤuftig werden, ſollen ſie blos zu uns
reden. Denn jeder Staat hat in dieſem Stuͤcke ſein eig-
nes Intereſſe; und wir bekuͤmmern uns billig zuerſt um das
unſrige.

„Was bewegt euch, koͤnnten ſie zu uns Oſnabruͤckern
ſagen, uns das freye hauſiren zu verbieten? Ihr wohnet in
einem Lande, wo die Auflagen gering ſind, wo ihr gar keine
Rekruten zu ſtellen, keine Cavallerie zu ernaͤhren und keine
Acciſe zu entrichten habet; In einem Lande, wo die Zinſen
gering, Haͤnde genug, und die Lebensmittel in einem billigen
Preiſe ſind. Wenn ihr wollt: ſo muͤſſet ihr alles was ihr
macht, eben ſo wohlfeil geben koͤnnen, als wir es euch auf
unſern Ruͤcken zutragen; Und wenn ihr dieſes thut: ſo muͤſ-
ſen wir von ſelbſt zu Hauſe bleiben. Daß in ſolchen Laͤndern,
wo die Landesſchulden hoch, und die Anflagen ſtark, der

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[224/0242] Schutzrede der Packentraͤger. Wenn man die handelnden Patrioten eines jeden Lan- des fraͤgt: ſo haben dieſelbe insgeſamt nur eine Stimme gegen dieſe armen Leute. Die kleinen Staͤdte ſehen ſie als ihre ge- ſchwornen Feinde an; die Cameraliſten ſagen, daß ſie das Geld aus dem Lande ſchleppten. Die Moraliſten rufen mit lauter Stimme, daß ſie Ueppigkeit und Eitelkeit in die klein- ſten Huͤtten verbreiteten; und die Maͤnner ſchreyen, daß ſie ihre Weiber und Toͤchter zu allerhand Thorheiten verfuͤhrten. Was ſagen aber die armen Packentraͤger dazu? Bis dato nichts; ſo oft wir ſie auch dazu aufgefordert haben. Viel- leicht iſt ihnen die in dieſen Blaͤttern wider ſie eingefuͤhrte Klage nicht einmal zu Geſichte gekommen. Vielleicht verlaſ- ſen ſie ſich auch auf ihre gute Sache. Es ſey aber dieſe oder eine andre Urſache ihres Stillſchweigens: ſo iſt es unſre Pflicht ſie nicht ungehoͤrt zu verdammen. Wir muͤſſen ſie, da ſich kein Advocat fuͤr ſie gefunden, ſelbſt reden laſſen; da- mit ſie aber nicht zu weitlaͤuftig werden, ſollen ſie blos zu uns reden. Denn jeder Staat hat in dieſem Stuͤcke ſein eig- nes Intereſſe; und wir bekuͤmmern uns billig zuerſt um das unſrige. „Was bewegt euch, koͤnnten ſie zu uns Oſnabruͤckern ſagen, uns das freye hauſiren zu verbieten? Ihr wohnet in einem Lande, wo die Auflagen gering ſind, wo ihr gar keine Rekruten zu ſtellen, keine Cavallerie zu ernaͤhren und keine Acciſe zu entrichten habet; In einem Lande, wo die Zinſen gering, Haͤnde genug, und die Lebensmittel in einem billigen Preiſe ſind. Wenn ihr wollt: ſo muͤſſet ihr alles was ihr macht, eben ſo wohlfeil geben koͤnnen, als wir es euch auf unſern Ruͤcken zutragen; Und wenn ihr dieſes thut: ſo muͤſ- ſen wir von ſelbſt zu Hauſe bleiben. Daß in ſolchen Laͤndern, wo die Landesſchulden hoch, und die Anflagen ſtark, der Haͤnde

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/242>, abgerufen am 22.11.2024.