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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Die Klagen eines Edelmanns
gen oder verkaufet werden sollte. Jezt aber wollen alle Ein-
kömmelinge mit sprechen. Unter dem Vorwande, daß ihr
Vieh keine Weide behalte, widersetzen sie sich den nützlichsten
Anstalten; und man kann keinen Fußbreit verkaufen, ohne
von diesen Leuten, die doch nur aus Gnaden eingenommen
sind, einen Widerspruch zu befürchten. Das gute Geld wird
darüber den Gerichten zu Theil; und selten wird mehr ein
Zuschlag verkauft, dessen ganzer Werth nicht der lieben Justitz
aufgeopfert wird.

Die Processe sind überhaupt der wahre Verderb un-
sers Landes, und die einzige Ursache, warum so viele Land-
leute einen Stillestand nehmen müssen. Der Himmel weis,
wie es unsre Vorfahren angefangen, ob sie friedfertiger
oder vernünftiger gewesen, daß sie so wenig Processe geführet
haben. Allein wahr ist es, daß zu ihrer Zeit kein Bauer die
Reichsgerichte kannte. Die Reichsfürsten haben es dem
Kayser wohl abgesessen, und ihm in seiner Capitulation vor-
geschrieben, daß er die Unterthanen gegen ihre Landesherrn
nicht leicht hören solle. Wir sollten ein gleiches Gesetz im
Lande haben, wodurch den Gerichten geboten würde, die
Markgenossen gegen ihren Holzgrafen, und die Leibeigene ge-
gen ihre Gutsherren nicht zu hören, oder wenigstens vorher
einen Bericht zu fordern, ehe sie mit Befehlen hervorzuschnel-
len sich unterstünden. Die Reichsstände sind jederzeit ein
Vorbild der Landstände gewesen; und was jenen Recht ist,
müßte auch billig diesen Recht seyn.

Das baare Geld nimmt täglich ab; und doch erhält man
noch nicht mehr für einen Thaler als für zwanzig Jahren.
Vielmehr konnte man damals mit tausend Thaler weiter kom-
men, als jetzt mit zweytausend. Der Himmel weis, wie das
zugeht; und was es endlich für ein Ende nehmen wird. Aber

alles

Die Klagen eines Edelmanns
gen oder verkaufet werden ſollte. Jezt aber wollen alle Ein-
koͤmmelinge mit ſprechen. Unter dem Vorwande, daß ihr
Vieh keine Weide behalte, widerſetzen ſie ſich den nuͤtzlichſten
Anſtalten; und man kann keinen Fußbreit verkaufen, ohne
von dieſen Leuten, die doch nur aus Gnaden eingenommen
ſind, einen Widerſpruch zu befuͤrchten. Das gute Geld wird
daruͤber den Gerichten zu Theil; und ſelten wird mehr ein
Zuſchlag verkauft, deſſen ganzer Werth nicht der lieben Juſtitz
aufgeopfert wird.

Die Proceſſe ſind uͤberhaupt der wahre Verderb un-
ſers Landes, und die einzige Urſache, warum ſo viele Land-
leute einen Stilleſtand nehmen muͤſſen. Der Himmel weis,
wie es unſre Vorfahren angefangen, ob ſie friedfertiger
oder vernuͤnftiger geweſen, daß ſie ſo wenig Proceſſe gefuͤhret
haben. Allein wahr iſt es, daß zu ihrer Zeit kein Bauer die
Reichsgerichte kannte. Die Reichsfuͤrſten haben es dem
Kayſer wohl abgeſeſſen, und ihm in ſeiner Capitulation vor-
geſchrieben, daß er die Unterthanen gegen ihre Landesherrn
nicht leicht hoͤren ſolle. Wir ſollten ein gleiches Geſetz im
Lande haben, wodurch den Gerichten geboten wuͤrde, die
Markgenoſſen gegen ihren Holzgrafen, und die Leibeigene ge-
gen ihre Gutsherren nicht zu hoͤren, oder wenigſtens vorher
einen Bericht zu fordern, ehe ſie mit Befehlen hervorzuſchnel-
len ſich unterſtuͤnden. Die Reichsſtaͤnde ſind jederzeit ein
Vorbild der Landſtaͤnde geweſen; und was jenen Recht iſt,
muͤßte auch billig dieſen Recht ſeyn.

Das baare Geld nimmt taͤglich ab; und doch erhaͤlt man
noch nicht mehr fuͤr einen Thaler als fuͤr zwanzig Jahren.
Vielmehr konnte man damals mit tauſend Thaler weiter kom-
men, als jetzt mit zweytauſend. Der Himmel weis, wie das
zugeht; und was es endlich fuͤr ein Ende nehmen wird. Aber

alles
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[212/0230] Die Klagen eines Edelmanns gen oder verkaufet werden ſollte. Jezt aber wollen alle Ein- koͤmmelinge mit ſprechen. Unter dem Vorwande, daß ihr Vieh keine Weide behalte, widerſetzen ſie ſich den nuͤtzlichſten Anſtalten; und man kann keinen Fußbreit verkaufen, ohne von dieſen Leuten, die doch nur aus Gnaden eingenommen ſind, einen Widerſpruch zu befuͤrchten. Das gute Geld wird daruͤber den Gerichten zu Theil; und ſelten wird mehr ein Zuſchlag verkauft, deſſen ganzer Werth nicht der lieben Juſtitz aufgeopfert wird. Die Proceſſe ſind uͤberhaupt der wahre Verderb un- ſers Landes, und die einzige Urſache, warum ſo viele Land- leute einen Stilleſtand nehmen muͤſſen. Der Himmel weis, wie es unſre Vorfahren angefangen, ob ſie friedfertiger oder vernuͤnftiger geweſen, daß ſie ſo wenig Proceſſe gefuͤhret haben. Allein wahr iſt es, daß zu ihrer Zeit kein Bauer die Reichsgerichte kannte. Die Reichsfuͤrſten haben es dem Kayſer wohl abgeſeſſen, und ihm in ſeiner Capitulation vor- geſchrieben, daß er die Unterthanen gegen ihre Landesherrn nicht leicht hoͤren ſolle. Wir ſollten ein gleiches Geſetz im Lande haben, wodurch den Gerichten geboten wuͤrde, die Markgenoſſen gegen ihren Holzgrafen, und die Leibeigene ge- gen ihre Gutsherren nicht zu hoͤren, oder wenigſtens vorher einen Bericht zu fordern, ehe ſie mit Befehlen hervorzuſchnel- len ſich unterſtuͤnden. Die Reichsſtaͤnde ſind jederzeit ein Vorbild der Landſtaͤnde geweſen; und was jenen Recht iſt, muͤßte auch billig dieſen Recht ſeyn. Das baare Geld nimmt taͤglich ab; und doch erhaͤlt man noch nicht mehr fuͤr einen Thaler als fuͤr zwanzig Jahren. Vielmehr konnte man damals mit tauſend Thaler weiter kom- men, als jetzt mit zweytauſend. Der Himmel weis, wie das zugeht; und was es endlich fuͤr ein Ende nehmen wird. Aber alles

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/230>, abgerufen am 24.11.2024.