Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Schreiben an meinen gab; und kaum waren acht Tage verflossen, so kam sie auf Bei- *) Diese neue Chinesische Art von Dormeusen ist oben mit ei-
ner Springfeder, die, wenn man die Stirn kraus zieht, beyde Flügel vorn zusammen schlägt. Da die Chinesischen Cammer-Jungfern die ganze Ingenieur-Kunst verstehen, und sowol die Angrifs- als Vertheydigungs-Anstalten ei- nes jeden Kopfs beurtheilen und dirigiren müssen: so sind dergleichen große Erfindungen in diesem Lande sehr ge- mein. Schreiben an meinen gab; und kaum waren acht Tage verfloſſen, ſo kam ſie auf Bei- *) Dieſe neue Chineſiſche Art von Dormeuſen iſt oben mit ei-
ner Springfeder, die, wenn man die Stirn kraus zieht, beyde Fluͤgel vorn zuſammen ſchlaͤgt. Da die Chineſiſchen Cammer-Jungfern die ganze Ingenieur-Kunſt verſtehen, und ſowol die Angrifs- als Vertheydigungs-Anſtalten ei- nes jeden Kopfs beurtheilen und dirigiren muͤſſen: ſo ſind dergleichen große Erfindungen in dieſem Lande ſehr ge- mein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0022" n="4"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Schreiben an meinen</hi> </fw><lb/> <p>gab; und kaum waren acht Tage verfloſſen, ſo kam ſie auf<lb/> einmal mit den Worten in die Stube getreten: Nun ſieh<lb/> mich a la grecque. Nie hatte ich ſie ſo reitzend geſehen.<lb/> Eine allerliebſte Bauren-Muͤtze bedeckte ihr ſchoͤnes Haar,<lb/> das ohne Kunſt aufgemacht war, und ſich nur ſo weit ſehen<lb/> ließ, als man es gerne ſiehet. Durch ein Camiſol mit kur-<lb/> zen Schoͤſſen druͤckte ſich der ſchoͤnſte Wuchs und noch etwas<lb/> mehrers aus. Die Ermel an demſelben giengen nicht weiter<lb/> als bis an den Ellenbogen: und waren frey von dem dreyfa-<lb/> chen Geſchleppe, wodurch ſie vordem immer gehindert wurde,<lb/> einem hungerigen Manne einen guten Biſſen mit eigener<lb/> Hand vorzulegen. Ein netter und huͤbſcher Rock ſchien mit<lb/> einigem Unwillen den feinſten Fuß zu verrathen, den ein<lb/> weiſſer Strumpf und ein ſchwarzer Schuh weit gelenker zeig-<lb/> te, als vorhin, da er mit Stof und Band beſchweret und von<lb/> einem großen Geſchleppe gefeſſelt war. Kaum hatte ſie mei-<lb/> nen Beyfall aus meinen entzuͤckten Blicken geleſen: ſo fuͤhrte<lb/> ſie mich in die Kuͤche, wo die friſche Butter bereit ſtund,<lb/> welche ſie jetzt mit eigener Hand wuſch; waͤhrender Zeit ihr<lb/> junger ſchlanker Koͤrper in jeder Bewegung eine neue Reitzung<lb/> zeigte. Ihr ganzes Geſichte ſchien ſich veraͤndert zu haben.<lb/> Denn anſtatt, daß ſie vorhin zu ihrer Dormeuſe a la Tching-<lb/> Tchang - fy,<note place="foot" n="*)">Dieſe neue Chineſiſche Art von Dormeuſen iſt oben mit ei-<lb/> ner Springfeder, die, wenn man die Stirn kraus zieht,<lb/> beyde Fluͤgel vorn zuſammen ſchlaͤgt. Da die Chineſiſchen<lb/> Cammer-Jungfern die ganze Ingenieur-Kunſt verſtehen,<lb/> und ſowol die Angrifs- als Vertheydigungs-Anſtalten ei-<lb/> nes jeden Kopfs beurtheilen und dirigiren muͤſſen: ſo ſind<lb/> dergleichen große Erfindungen in dieſem Lande ſehr ge-<lb/> mein.</note> eine Haut, wie Eſels-Milch, und ein paar<lb/> unreifer Augen gebrauchte: ſo war ſie jetzt nichts denn Feuer<lb/> und Leben; und wie wir auf den Acker giengen, konnte ſie</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Bei-</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [4/0022]
Schreiben an meinen
gab; und kaum waren acht Tage verfloſſen, ſo kam ſie auf
einmal mit den Worten in die Stube getreten: Nun ſieh
mich a la grecque. Nie hatte ich ſie ſo reitzend geſehen.
Eine allerliebſte Bauren-Muͤtze bedeckte ihr ſchoͤnes Haar,
das ohne Kunſt aufgemacht war, und ſich nur ſo weit ſehen
ließ, als man es gerne ſiehet. Durch ein Camiſol mit kur-
zen Schoͤſſen druͤckte ſich der ſchoͤnſte Wuchs und noch etwas
mehrers aus. Die Ermel an demſelben giengen nicht weiter
als bis an den Ellenbogen: und waren frey von dem dreyfa-
chen Geſchleppe, wodurch ſie vordem immer gehindert wurde,
einem hungerigen Manne einen guten Biſſen mit eigener
Hand vorzulegen. Ein netter und huͤbſcher Rock ſchien mit
einigem Unwillen den feinſten Fuß zu verrathen, den ein
weiſſer Strumpf und ein ſchwarzer Schuh weit gelenker zeig-
te, als vorhin, da er mit Stof und Band beſchweret und von
einem großen Geſchleppe gefeſſelt war. Kaum hatte ſie mei-
nen Beyfall aus meinen entzuͤckten Blicken geleſen: ſo fuͤhrte
ſie mich in die Kuͤche, wo die friſche Butter bereit ſtund,
welche ſie jetzt mit eigener Hand wuſch; waͤhrender Zeit ihr
junger ſchlanker Koͤrper in jeder Bewegung eine neue Reitzung
zeigte. Ihr ganzes Geſichte ſchien ſich veraͤndert zu haben.
Denn anſtatt, daß ſie vorhin zu ihrer Dormeuſe a la Tching-
Tchang - fy, *) eine Haut, wie Eſels-Milch, und ein paar
unreifer Augen gebrauchte: ſo war ſie jetzt nichts denn Feuer
und Leben; und wie wir auf den Acker giengen, konnte ſie
Bei-
*) Dieſe neue Chineſiſche Art von Dormeuſen iſt oben mit ei-
ner Springfeder, die, wenn man die Stirn kraus zieht,
beyde Fluͤgel vorn zuſammen ſchlaͤgt. Da die Chineſiſchen
Cammer-Jungfern die ganze Ingenieur-Kunſt verſtehen,
und ſowol die Angrifs- als Vertheydigungs-Anſtalten ei-
nes jeden Kopfs beurtheilen und dirigiren muͤſſen: ſo ſind
dergleichen große Erfindungen in dieſem Lande ſehr ge-
mein.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |