Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

in kleinen Städten.
Sold thun, die ihre Uniforme selbst bezahlen, ihre Pension
selbst erwerben, ihre Officier, Feldprediger, Feldärzte und
Commissarien selbst unterhalten, Pulver, Bley und Waffen
selbst anschaffen, und ihre ganze Bezahlung allein in der nö-
thigen Ehre finden würden, warum, sage ich, sollte ein klu-
ger Fürst diese nicht wieder zu ihrem alten Range, und durch
denselben dahin bringen können, daß sie ihr Handwerk mit
Eifer, Muth und Freude fortsetzten? und solches allezeit in
Verbindung mit der Ehre betrachteten? Ich will nichts da-
von erwehnen, daß die Uniforme zugleich ein Mittel seyn
würde, der Kleiderpracht abzuhelfen und dem Staate unend-
liche Summen zu ersparen; nichts davon, wie sehr der Wett-
eifer dadurch angeflammet werden könnte, wenn keinem Tag-
löhner, keinem Beywohner, und keinem andern als würkli-
chen Bürgern und Meistern die Ehre der Uniforme und an-
derer Ehrenzeichen zugestanden würde. Und endlich nichts
davon, wie reich und mannichfältig die Quelle der bürgerli-
chen Belohnungen werden würde, welche man jezt aus Noth,
aber zum Verderben des Staats, in Adelsbriefen und Titeln
suchen muß. Es ist genug, daß für drey hundert Jahren die
bürgerliche Verfassung so gewesen, daß sie damals in großen
Flor war; und daß in London die Bürger den Titel Livree-
men
als ihren eigentlichen Ehrennamen betrachten, wodurch
sie sich von Beywohnern und Einliegern, die nicht zur Fahne
und Farbe gehören, unterscheiden.

Mancher wird zwar gedenken, es sey gefährlich, so vie-
len Leuten das Recht der Waffen zu erlauben, und selbige
den regulairen Truppen gleich zu üben. Allein dies ist die
Politik der Despoten, die ihren freyen Unterthanen das Recht
zu klagen, nicht aber das Recht ihren Worten Nachdruck zu
geben, verstatten wollen. Fürsten, welche anders denken,
tragen kein Bedenken, eine wohlgeübte Nationalmiliz zu un-

ter-
N 4

in kleinen Staͤdten.
Sold thun, die ihre Uniforme ſelbſt bezahlen, ihre Penſion
ſelbſt erwerben, ihre Officier, Feldprediger, Feldaͤrzte und
Commiſſarien ſelbſt unterhalten, Pulver, Bley und Waffen
ſelbſt anſchaffen, und ihre ganze Bezahlung allein in der noͤ-
thigen Ehre finden wuͤrden, warum, ſage ich, ſollte ein klu-
ger Fuͤrſt dieſe nicht wieder zu ihrem alten Range, und durch
denſelben dahin bringen koͤnnen, daß ſie ihr Handwerk mit
Eifer, Muth und Freude fortſetzten? und ſolches allezeit in
Verbindung mit der Ehre betrachteten? Ich will nichts da-
von erwehnen, daß die Uniforme zugleich ein Mittel ſeyn
wuͤrde, der Kleiderpracht abzuhelfen und dem Staate unend-
liche Summen zu erſparen; nichts davon, wie ſehr der Wett-
eifer dadurch angeflammet werden koͤnnte, wenn keinem Tag-
loͤhner, keinem Beywohner, und keinem andern als wuͤrkli-
chen Buͤrgern und Meiſtern die Ehre der Uniforme und an-
derer Ehrenzeichen zugeſtanden wuͤrde. Und endlich nichts
davon, wie reich und mannichfaͤltig die Quelle der buͤrgerli-
chen Belohnungen werden wuͤrde, welche man jezt aus Noth,
aber zum Verderben des Staats, in Adelsbriefen und Titeln
ſuchen muß. Es iſt genug, daß fuͤr drey hundert Jahren die
buͤrgerliche Verfaſſung ſo geweſen, daß ſie damals in großen
Flor war; und daß in London die Buͤrger den Titel Livree-
men
als ihren eigentlichen Ehrennamen betrachten, wodurch
ſie ſich von Beywohnern und Einliegern, die nicht zur Fahne
und Farbe gehoͤren, unterſcheiden.

Mancher wird zwar gedenken, es ſey gefaͤhrlich, ſo vie-
len Leuten das Recht der Waffen zu erlauben, und ſelbige
den regulairen Truppen gleich zu uͤben. Allein dies iſt die
Politik der Deſpoten, die ihren freyen Unterthanen das Recht
zu klagen, nicht aber das Recht ihren Worten Nachdruck zu
geben, verſtatten wollen. Fuͤrſten, welche anders denken,
tragen kein Bedenken, eine wohlgeuͤbte Nationalmiliz zu un-

ter-
N 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0217" n="199"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in kleinen Sta&#x0364;dten.</hi></fw><lb/>
Sold thun, die ihre Uniforme &#x017F;elb&#x017F;t bezahlen, ihre Pen&#x017F;ion<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t erwerben, ihre Officier, Feldprediger, Felda&#x0364;rzte und<lb/>
Commi&#x017F;&#x017F;arien &#x017F;elb&#x017F;t unterhalten, Pulver, Bley und Waffen<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t an&#x017F;chaffen, und ihre ganze Bezahlung allein in der no&#x0364;-<lb/>
thigen Ehre finden wu&#x0364;rden, warum, &#x017F;age ich, &#x017F;ollte ein klu-<lb/>
ger Fu&#x0364;r&#x017F;t die&#x017F;e nicht wieder zu ihrem alten Range, und durch<lb/>
den&#x017F;elben dahin bringen ko&#x0364;nnen, daß &#x017F;ie ihr Handwerk mit<lb/>
Eifer, Muth und Freude fort&#x017F;etzten? und &#x017F;olches allezeit in<lb/>
Verbindung mit der Ehre betrachteten? Ich will nichts da-<lb/>
von erwehnen, daß die Uniforme zugleich ein Mittel &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;rde, der Kleiderpracht abzuhelfen und dem Staate unend-<lb/>
liche Summen zu er&#x017F;paren; nichts davon, wie &#x017F;ehr der Wett-<lb/>
eifer dadurch angeflammet werden ko&#x0364;nnte, wenn keinem Tag-<lb/>
lo&#x0364;hner, keinem Beywohner, und keinem andern als wu&#x0364;rkli-<lb/>
chen Bu&#x0364;rgern und Mei&#x017F;tern die Ehre der Uniforme und an-<lb/>
derer Ehrenzeichen zuge&#x017F;tanden wu&#x0364;rde. Und endlich nichts<lb/>
davon, wie reich und mannichfa&#x0364;ltig die Quelle der bu&#x0364;rgerli-<lb/>
chen Belohnungen werden wu&#x0364;rde, welche man jezt aus Noth,<lb/>
aber zum Verderben des Staats, in Adelsbriefen und Titeln<lb/>
&#x017F;uchen muß. Es i&#x017F;t genug, daß fu&#x0364;r drey hundert Jahren die<lb/>
bu&#x0364;rgerliche Verfa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;o gewe&#x017F;en, daß &#x017F;ie damals in großen<lb/>
Flor war; und daß in London die Bu&#x0364;rger den Titel <hi rendition="#aq">Livree-<lb/>
men</hi> als ihren eigentlichen Ehrennamen betrachten, wodurch<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich von Beywohnern und Einliegern, die nicht zur Fahne<lb/>
und Farbe geho&#x0364;ren, unter&#x017F;cheiden.</p><lb/>
        <p>Mancher wird zwar gedenken, es &#x017F;ey gefa&#x0364;hrlich, &#x017F;o vie-<lb/>
len Leuten das Recht der Waffen zu erlauben, und &#x017F;elbige<lb/>
den regulairen Truppen gleich zu u&#x0364;ben. Allein dies i&#x017F;t die<lb/>
Politik der De&#x017F;poten, die ihren freyen Unterthanen das Recht<lb/>
zu klagen, nicht aber das Recht ihren Worten Nachdruck zu<lb/>
geben, ver&#x017F;tatten wollen. Fu&#x0364;r&#x017F;ten, welche anders denken,<lb/>
tragen kein Bedenken, eine wohlgeu&#x0364;bte Nationalmiliz zu un-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ter-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0217] in kleinen Staͤdten. Sold thun, die ihre Uniforme ſelbſt bezahlen, ihre Penſion ſelbſt erwerben, ihre Officier, Feldprediger, Feldaͤrzte und Commiſſarien ſelbſt unterhalten, Pulver, Bley und Waffen ſelbſt anſchaffen, und ihre ganze Bezahlung allein in der noͤ- thigen Ehre finden wuͤrden, warum, ſage ich, ſollte ein klu- ger Fuͤrſt dieſe nicht wieder zu ihrem alten Range, und durch denſelben dahin bringen koͤnnen, daß ſie ihr Handwerk mit Eifer, Muth und Freude fortſetzten? und ſolches allezeit in Verbindung mit der Ehre betrachteten? Ich will nichts da- von erwehnen, daß die Uniforme zugleich ein Mittel ſeyn wuͤrde, der Kleiderpracht abzuhelfen und dem Staate unend- liche Summen zu erſparen; nichts davon, wie ſehr der Wett- eifer dadurch angeflammet werden koͤnnte, wenn keinem Tag- loͤhner, keinem Beywohner, und keinem andern als wuͤrkli- chen Buͤrgern und Meiſtern die Ehre der Uniforme und an- derer Ehrenzeichen zugeſtanden wuͤrde. Und endlich nichts davon, wie reich und mannichfaͤltig die Quelle der buͤrgerli- chen Belohnungen werden wuͤrde, welche man jezt aus Noth, aber zum Verderben des Staats, in Adelsbriefen und Titeln ſuchen muß. Es iſt genug, daß fuͤr drey hundert Jahren die buͤrgerliche Verfaſſung ſo geweſen, daß ſie damals in großen Flor war; und daß in London die Buͤrger den Titel Livree- men als ihren eigentlichen Ehrennamen betrachten, wodurch ſie ſich von Beywohnern und Einliegern, die nicht zur Fahne und Farbe gehoͤren, unterſcheiden. Mancher wird zwar gedenken, es ſey gefaͤhrlich, ſo vie- len Leuten das Recht der Waffen zu erlauben, und ſelbige den regulairen Truppen gleich zu uͤben. Allein dies iſt die Politik der Deſpoten, die ihren freyen Unterthanen das Recht zu klagen, nicht aber das Recht ihren Worten Nachdruck zu geben, verſtatten wollen. Fuͤrſten, welche anders denken, tragen kein Bedenken, eine wohlgeuͤbte Nationalmiliz zu un- ter- N 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/217
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/217>, abgerufen am 22.11.2024.