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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Von dem Verfall des Handwerks
ganz andre Bannmeilen bekommen hat, als ein Weichbild,
das höchstens eine steinerne Mauer und zwey Thore zur Lan-
desvertheidigung unterhält, oder etwa mit einer Compagnie
belegt wird, wenn in dem größern Ort viele Regimenter lie-
gen. Allein das hindert nicht, daß nicht eine Bannmeile, sie
sey nun so groß oder so klein wie sie wolle, sollte sie auch für
ein kleines Flecken nicht über eine halbe Stunde betragen,
aus der ursprünglichen Anlage herfürgehe, und durch keine
Verjährung geschmälert werden könne, weil diese Verjährung
das Städtgen mit der Zeit von selbst aufheben, und in ein
Ackerdorf verwandeln würde.

In Sachsen, wo die Städte noch in ziemlichen Flor
sind, wird auf die Bannmeile ganz genau gesehen, und auf
den Dörfern kein Handel und kein Handwerk gestattet. Man
findet auf denselben zwar wohl einige Höker, die mit Theer,
Thran, Wagenstricken und Schwefelhölzern handeln; auch
wohl einen Hufschmied und Rademacher; und endlich von
den Handwerkern einen Altflicker. Allein ausser diesen wird
kein Gewerbe ausserhalb den Städten und Weichbilden gedultet.
In den mehrsten westphälischen Provinzien hingegen, und
besonders in unserm Stifte, ist seit hundert Jahren sowol der
Handel als das Handwerk aus den Städten auf das Land ge-
zogen. In allen Dörfern sind Apotheken, Weinschenken und
Krämer in Menge, und es ist noch nicht gar lange, daß sich
aus einem einzigen Kirchspiele dreyßig Schneider meldeten,
und Gilderecht verlangten. Wir wollen nun annehmen, daß
sich hier tausend Krämer und Handwerker auf dem platten
Lande befinden und ernähren: so ist dieses ein Abgang von
tausend Bürgern für die Städte, die sich ehedem daselbst er-
nährten, nun aber auf dem Lande frey sitzen, und ihre zurück-
gebliebene Mitbürger unter der Last der beständigen Wachen,
Einquartierungen, und Auflagen zur Unterhaltung von Wäl-

len,

Von dem Verfall des Handwerks
ganz andre Bannmeilen bekommen hat, als ein Weichbild,
das hoͤchſtens eine ſteinerne Mauer und zwey Thore zur Lan-
desvertheidigung unterhaͤlt, oder etwa mit einer Compagnie
belegt wird, wenn in dem groͤßern Ort viele Regimenter lie-
gen. Allein das hindert nicht, daß nicht eine Bannmeile, ſie
ſey nun ſo groß oder ſo klein wie ſie wolle, ſollte ſie auch fuͤr
ein kleines Flecken nicht uͤber eine halbe Stunde betragen,
aus der urſpruͤnglichen Anlage herfuͤrgehe, und durch keine
Verjaͤhrung geſchmaͤlert werden koͤnne, weil dieſe Verjaͤhrung
das Staͤdtgen mit der Zeit von ſelbſt aufheben, und in ein
Ackerdorf verwandeln wuͤrde.

In Sachſen, wo die Staͤdte noch in ziemlichen Flor
ſind, wird auf die Bannmeile ganz genau geſehen, und auf
den Doͤrfern kein Handel und kein Handwerk geſtattet. Man
findet auf denſelben zwar wohl einige Hoͤker, die mit Theer,
Thran, Wagenſtricken und Schwefelhoͤlzern handeln; auch
wohl einen Hufſchmied und Rademacher; und endlich von
den Handwerkern einen Altflicker. Allein auſſer dieſen wird
kein Gewerbe auſſerhalb den Staͤdten und Weichbilden gedultet.
In den mehrſten weſtphaͤliſchen Provinzien hingegen, und
beſonders in unſerm Stifte, iſt ſeit hundert Jahren ſowol der
Handel als das Handwerk aus den Staͤdten auf das Land ge-
zogen. In allen Doͤrfern ſind Apotheken, Weinſchenken und
Kraͤmer in Menge, und es iſt noch nicht gar lange, daß ſich
aus einem einzigen Kirchſpiele dreyßig Schneider meldeten,
und Gilderecht verlangten. Wir wollen nun annehmen, daß
ſich hier tauſend Kraͤmer und Handwerker auf dem platten
Lande befinden und ernaͤhren: ſo iſt dieſes ein Abgang von
tauſend Buͤrgern fuͤr die Staͤdte, die ſich ehedem daſelbſt er-
naͤhrten, nun aber auf dem Lande frey ſitzen, und ihre zuruͤck-
gebliebene Mitbuͤrger unter der Laſt der beſtaͤndigen Wachen,
Einquartierungen, und Auflagen zur Unterhaltung von Waͤl-

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[194/0212] Von dem Verfall des Handwerks ganz andre Bannmeilen bekommen hat, als ein Weichbild, das hoͤchſtens eine ſteinerne Mauer und zwey Thore zur Lan- desvertheidigung unterhaͤlt, oder etwa mit einer Compagnie belegt wird, wenn in dem groͤßern Ort viele Regimenter lie- gen. Allein das hindert nicht, daß nicht eine Bannmeile, ſie ſey nun ſo groß oder ſo klein wie ſie wolle, ſollte ſie auch fuͤr ein kleines Flecken nicht uͤber eine halbe Stunde betragen, aus der urſpruͤnglichen Anlage herfuͤrgehe, und durch keine Verjaͤhrung geſchmaͤlert werden koͤnne, weil dieſe Verjaͤhrung das Staͤdtgen mit der Zeit von ſelbſt aufheben, und in ein Ackerdorf verwandeln wuͤrde. In Sachſen, wo die Staͤdte noch in ziemlichen Flor ſind, wird auf die Bannmeile ganz genau geſehen, und auf den Doͤrfern kein Handel und kein Handwerk geſtattet. Man findet auf denſelben zwar wohl einige Hoͤker, die mit Theer, Thran, Wagenſtricken und Schwefelhoͤlzern handeln; auch wohl einen Hufſchmied und Rademacher; und endlich von den Handwerkern einen Altflicker. Allein auſſer dieſen wird kein Gewerbe auſſerhalb den Staͤdten und Weichbilden gedultet. In den mehrſten weſtphaͤliſchen Provinzien hingegen, und beſonders in unſerm Stifte, iſt ſeit hundert Jahren ſowol der Handel als das Handwerk aus den Staͤdten auf das Land ge- zogen. In allen Doͤrfern ſind Apotheken, Weinſchenken und Kraͤmer in Menge, und es iſt noch nicht gar lange, daß ſich aus einem einzigen Kirchſpiele dreyßig Schneider meldeten, und Gilderecht verlangten. Wir wollen nun annehmen, daß ſich hier tauſend Kraͤmer und Handwerker auf dem platten Lande befinden und ernaͤhren: ſo iſt dieſes ein Abgang von tauſend Buͤrgern fuͤr die Staͤdte, die ſich ehedem daſelbſt er- naͤhrten, nun aber auf dem Lande frey ſitzen, und ihre zuruͤck- gebliebene Mitbuͤrger unter der Laſt der beſtaͤndigen Wachen, Einquartierungen, und Auflagen zur Unterhaltung von Waͤl- len,

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/212>, abgerufen am 25.11.2024.