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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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in kleinen Städten.
zehen zu errichten. Hier ist der Esprit de Fabrique bereits
zu Hause. Der geringe Tuchmacher, der einen Webestuhl
zuwege bringt, findet sogleich Gelegenheit, dasjenige, was
er gemacht hat, walken, scheeren, färben und pressen zu las-
sen, ohne daß es mehr kostet, als er tragen kann. In einer
kleinen Stadt hingegen können zehn Tuchmacher nichts anfan-
gen. Sie sind nicht im Stande, die Kosten einer eignen
Walkmühle, einer Schönfärberey und andere Erfordernisse
zu übertragen: Sie können folglich ihre Arbeit zu keiner Voll-
kommenheit bringen; und wenn sie ja so glücklich sind, ein-
mal einen Färber zu erhaschen: so ist es ein Pfuscher, der
ihre Sachen noch dazu verdirbt; und wenn sie solche zur Apre-
tur in große Städte tragen, werden sie leicht übernommen,
angeführt und in falsche Unkosten gestürzt.

Endlich und siebendens sind große Fabriken im Stande
kostbare Erfindungen, und Maschinen und Wind und Wasser
zu nutzen. Sie können auf deren Entdeckung und Anlegung
vieles verwenden. Sie können eigne Leute zum Absatze, und
zur Entdeckung fremder Nationen Geheimnisse reisen lassen,
und eine Fabrik durch die andre unterstützen. Alles dieses
fehlt in kleinen Städten. Hier kömmt alles auf die kostbare
Hand an; der Verdienst ist zu schwach, um die Anschaffung
großer Maschinen und die Anlegung von Wasserwerkern zu
nutzen, und so ist alles hier theurer, als an großen Orten.

Wenn man dieses überdenkt: so wird man leicht einse-
hen, daß das Handwerk in kleinen Städten, wo die Simpli-
fication nicht statt hat, sondern der Handwerker ein Tausend-
künstler seyn muß, wo ihm die Hülfe des Geschmacks der Mo-
den und der schönen Künste fehlt; wo ihm keine Niederlagen,
Maschinen und große Erfindungen helfen, und wo insgemein
der Esprit de Fabrique mangelt, nothwendig versinken

müsse.
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in kleinen Staͤdten.
zehen zu errichten. Hier iſt der Eſprit de Fabrique bereits
zu Hauſe. Der geringe Tuchmacher, der einen Webeſtuhl
zuwege bringt, findet ſogleich Gelegenheit, dasjenige, was
er gemacht hat, walken, ſcheeren, faͤrben und preſſen zu laſ-
ſen, ohne daß es mehr koſtet, als er tragen kann. In einer
kleinen Stadt hingegen koͤnnen zehn Tuchmacher nichts anfan-
gen. Sie ſind nicht im Stande, die Koſten einer eignen
Walkmuͤhle, einer Schoͤnfaͤrberey und andere Erforderniſſe
zu uͤbertragen: Sie koͤnnen folglich ihre Arbeit zu keiner Voll-
kommenheit bringen; und wenn ſie ja ſo gluͤcklich ſind, ein-
mal einen Faͤrber zu erhaſchen: ſo iſt es ein Pfuſcher, der
ihre Sachen noch dazu verdirbt; und wenn ſie ſolche zur Apre-
tur in große Staͤdte tragen, werden ſie leicht uͤbernommen,
angefuͤhrt und in falſche Unkoſten geſtuͤrzt.

Endlich und ſiebendens ſind große Fabriken im Stande
koſtbare Erfindungen, und Maſchinen und Wind und Waſſer
zu nutzen. Sie koͤnnen auf deren Entdeckung und Anlegung
vieles verwenden. Sie koͤnnen eigne Leute zum Abſatze, und
zur Entdeckung fremder Nationen Geheimniſſe reiſen laſſen,
und eine Fabrik durch die andre unterſtuͤtzen. Alles dieſes
fehlt in kleinen Staͤdten. Hier koͤmmt alles auf die koſtbare
Hand an; der Verdienſt iſt zu ſchwach, um die Anſchaffung
großer Maſchinen und die Anlegung von Waſſerwerkern zu
nutzen, und ſo iſt alles hier theurer, als an großen Orten.

Wenn man dieſes uͤberdenkt: ſo wird man leicht einſe-
hen, daß das Handwerk in kleinen Staͤdten, wo die Simpli-
fication nicht ſtatt hat, ſondern der Handwerker ein Tauſend-
kuͤnſtler ſeyn muß, wo ihm die Huͤlfe des Geſchmacks der Mo-
den und der ſchoͤnen Kuͤnſte fehlt; wo ihm keine Niederlagen,
Maſchinen und große Erfindungen helfen, und wo insgemein
der Eſprit de Fabrique mangelt, nothwendig verſinken

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[185/0203] in kleinen Staͤdten. zehen zu errichten. Hier iſt der Eſprit de Fabrique bereits zu Hauſe. Der geringe Tuchmacher, der einen Webeſtuhl zuwege bringt, findet ſogleich Gelegenheit, dasjenige, was er gemacht hat, walken, ſcheeren, faͤrben und preſſen zu laſ- ſen, ohne daß es mehr koſtet, als er tragen kann. In einer kleinen Stadt hingegen koͤnnen zehn Tuchmacher nichts anfan- gen. Sie ſind nicht im Stande, die Koſten einer eignen Walkmuͤhle, einer Schoͤnfaͤrberey und andere Erforderniſſe zu uͤbertragen: Sie koͤnnen folglich ihre Arbeit zu keiner Voll- kommenheit bringen; und wenn ſie ja ſo gluͤcklich ſind, ein- mal einen Faͤrber zu erhaſchen: ſo iſt es ein Pfuſcher, der ihre Sachen noch dazu verdirbt; und wenn ſie ſolche zur Apre- tur in große Staͤdte tragen, werden ſie leicht uͤbernommen, angefuͤhrt und in falſche Unkoſten geſtuͤrzt. Endlich und ſiebendens ſind große Fabriken im Stande koſtbare Erfindungen, und Maſchinen und Wind und Waſſer zu nutzen. Sie koͤnnen auf deren Entdeckung und Anlegung vieles verwenden. Sie koͤnnen eigne Leute zum Abſatze, und zur Entdeckung fremder Nationen Geheimniſſe reiſen laſſen, und eine Fabrik durch die andre unterſtuͤtzen. Alles dieſes fehlt in kleinen Staͤdten. Hier koͤmmt alles auf die koſtbare Hand an; der Verdienſt iſt zu ſchwach, um die Anſchaffung großer Maſchinen und die Anlegung von Waſſerwerkern zu nutzen, und ſo iſt alles hier theurer, als an großen Orten. Wenn man dieſes uͤberdenkt: ſo wird man leicht einſe- hen, daß das Handwerk in kleinen Staͤdten, wo die Simpli- fication nicht ſtatt hat, ſondern der Handwerker ein Tauſend- kuͤnſtler ſeyn muß, wo ihm die Huͤlfe des Geſchmacks der Mo- den und der ſchoͤnen Kuͤnſte fehlt; wo ihm keine Niederlagen, Maſchinen und große Erfindungen helfen, und wo insgemein der Eſprit de Fabrique mangelt, nothwendig verſinken muͤſſe. M 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/203>, abgerufen am 25.11.2024.