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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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zur Aufwartung iſt, nicht mit der Viehmagd eſſen wolte: ſo
nahm ich endlich Gelegenheit, mit meiner jungen Frau dar-
uͤber im Ernſt zu philoſophiren. Die heutige Erziehung der
Toͤchter bemerkte ich, iſt zwar wuͤrklich ſehr gut: man giebet
ihnen feinere Sitten, Geſchmack und Verſtand; allein es iſt
auch eine nothwendige Folge davon, daß die Haut auf der
Zunge feiner, die Haͤnde weicher, und alle Sinnen ſchwaͤcher
werden, als ſich jene Faͤhigkeiten vermehren. Es iſt eine
ſehr wahrſcheinliche Folge, daß der Verſtand, welcher die
Wiſſenſchaften kennet und liebet, ſich ungern mit Erfahrungen
in der Kuͤche abgeben werde; und endlich muß diejenige Toch-
ter ſchon einen ſehr großen Grad von Vernunft beſitzen, wel-
che bey einem feinen Geſchmack und einer vorzuͤglichen Ein-
ſicht ihre edlere und zaͤrtlichere Glieder nicht in alle die krau-
ſen, gehackten, gezierten, friſirten und Namenloſen Huͤllen
kleiden ſoll, wodurch jetzt ſo viele zu einer ordentlichen Haus-
arbeit ungeſchickt werden. Wann eine Perſon von vorneh-
men Stande ſich dergleichen erlaubt, ſo denkt man endlich,
ſie ſey zum Muͤßiggange privilegirt; und die vornehmen
Haushaltungen wuͤrden ſchon ſo lange mit Unordnung gefuͤh-
ret, daß man es geſchehen laſſen muͤſſe. Bey Menſchen Ge-
denken hat man wenigſtens kein Exempel, daß in einer adli-
chen Haushaltung etwas betraͤchtliches eruͤbriget worden.
Allein wenn der zweyte Rang dem erſten; der dritte dem
zweyten; und der vierte dem dritten in dieſer komiſchen Rolle
folgt, ſo muß die davon abhangende Haushaltung zuletzt jene
Wendung auch nehmen, und wir werden in einem friſirten
Hemde unſere Pacht verlaufen muͤſſen. Jetzt, mein liebes
Weib, kannſt du noch die Ehre haben, ein Original zu wer-
den; du kannſt dich freywillig herablaſſen, und alle die An-
toillage, alle dieſe groſſe Beaute, und dieſen verdammten
Marly, welcher dem gemeinen Beſten jetzt hundert tauſend

Haͤn-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/20>, abgerufen am 31.01.2025.