ihrem Herrn fordern, daß er ihnen nach dem Stande, wor- inn er sie setzt, zu leben gäbe: so ist ihre Forderung gerecht. Allein, daß der Mann, der ihm alle Monat ein paar Schuh macht, sogleich von diesen zwölf paar Schuhen leben will, das ist unerträglich.
Hören Sie, Herr Kriegesrath, mein voriger Herr, ein Burgemeister, sprach eben so. Wovon, sagte er zu dem vorigen Präsidenten, muß ich, wovon müssen so viele Raths- herrn leben? Wir sind nicht, gleich so vielen besoldeten Die- nern, dem gemeinen Wesen in die Futterung gegeben. Nein, die Bürgerschaften haben von je her ganz andre Grundsätze gehabt. Sie wählen bemittelte Leute zu Burgemeistern, und fordern von dem Rathsherrn, daß er von seinem Fleiße le- ben solle. Sie belohnen sie mit Ehre, mit Achtung und mit Liebe. Dies ist ihre Besoldung; das eine Jahr wie das an- dre; und die beste Besoldung von jedem rechtschaffenen Maune. Die großen Herrn haben übel gethan, daß sie zu allen gemei- nen Verwaltungen lauter besoldete Diener angenommen ha- ben, die alle klagen, daß sie nicht leben können; und nicht wissen wie sie leben wollen. Eine Zeitlang haben ihnen diese Diener plus über plus gebracht, aber am Ende nehmen sie plus über plus wieder weg; und der Herr hat nicht mehr übrig als er vorher übrig hatte. Es schadet ihnen aber nichts; in- dem sie oft die schlechtesten Leute zu ihren Dienern annehmen, und dann ihre Diener über alle andre erheben, und diejeni- gen, welche keine andre Besoldungen, als die Liebe und den Seegen ihrer Mitbürger haben, unbillig heruntersetzen. In unserm Bürgerrath werden keine andre als angesessene und angesehene Leute zugelassen. Die Bedienungen der Stadt werden als Reihelasten betrachtet, die jeder nach seiner Ord- nung mit übernehmen muß. Keiner wird besoldet. Besol- dungen sind für die Unterbediente, die keinen Theil an unsrer
Ehre
Johann konnte nicht leben.
ihrem Herrn fordern, daß er ihnen nach dem Stande, wor- inn er ſie ſetzt, zu leben gaͤbe: ſo iſt ihre Forderung gerecht. Allein, daß der Mann, der ihm alle Monat ein paar Schuh macht, ſogleich von dieſen zwoͤlf paar Schuhen leben will, das iſt unertraͤglich.
Hoͤren Sie, Herr Kriegesrath, mein voriger Herr, ein Burgemeiſter, ſprach eben ſo. Wovon, ſagte er zu dem vorigen Praͤſidenten, muß ich, wovon muͤſſen ſo viele Raths- herrn leben? Wir ſind nicht, gleich ſo vielen beſoldeten Die- nern, dem gemeinen Weſen in die Futterung gegeben. Nein, die Buͤrgerſchaften haben von je her ganz andre Grundſaͤtze gehabt. Sie waͤhlen bemittelte Leute zu Burgemeiſtern, und fordern von dem Rathsherrn, daß er von ſeinem Fleiße le- ben ſolle. Sie belohnen ſie mit Ehre, mit Achtung und mit Liebe. Dies iſt ihre Beſoldung; das eine Jahr wie das an- dre; und die beſte Beſoldung von jedem rechtſchaffenen Maune. Die großen Herrn haben uͤbel gethan, daß ſie zu allen gemei- nen Verwaltungen lauter beſoldete Diener angenommen ha- ben, die alle klagen, daß ſie nicht leben koͤnnen; und nicht wiſſen wie ſie leben wollen. Eine Zeitlang haben ihnen dieſe Diener plus uͤber plus gebracht, aber am Ende nehmen ſie plus uͤber plus wieder weg; und der Herr hat nicht mehr uͤbrig als er vorher uͤbrig hatte. Es ſchadet ihnen aber nichts; in- dem ſie oft die ſchlechteſten Leute zu ihren Dienern annehmen, und dann ihre Diener uͤber alle andre erheben, und diejeni- gen, welche keine andre Beſoldungen, als die Liebe und den Seegen ihrer Mitbuͤrger haben, unbillig herunterſetzen. In unſerm Buͤrgerrath werden keine andre als angeſeſſene und angeſehene Leute zugelaſſen. Die Bedienungen der Stadt werden als Reihelaſten betrachtet, die jeder nach ſeiner Ord- nung mit uͤbernehmen muß. Keiner wird beſoldet. Beſol- dungen ſind fuͤr die Unterbediente, die keinen Theil an unſrer
Ehre
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Johann konnte nicht leben.
ihrem Herrn fordern, daß er ihnen nach dem Stande, wor-
inn er ſie ſetzt, zu leben gaͤbe: ſo iſt ihre Forderung gerecht.
Allein, daß der Mann, der ihm alle Monat ein paar Schuh
macht, ſogleich von dieſen zwoͤlf paar Schuhen leben will, das
iſt unertraͤglich.
Hoͤren Sie, Herr Kriegesrath, mein voriger Herr,
ein Burgemeiſter, ſprach eben ſo. Wovon, ſagte er zu dem
vorigen Praͤſidenten, muß ich, wovon muͤſſen ſo viele Raths-
herrn leben? Wir ſind nicht, gleich ſo vielen beſoldeten Die-
nern, dem gemeinen Weſen in die Futterung gegeben. Nein,
die Buͤrgerſchaften haben von je her ganz andre Grundſaͤtze
gehabt. Sie waͤhlen bemittelte Leute zu Burgemeiſtern, und
fordern von dem Rathsherrn, daß er von ſeinem Fleiße le-
ben ſolle. Sie belohnen ſie mit Ehre, mit Achtung und mit
Liebe. Dies iſt ihre Beſoldung; das eine Jahr wie das an-
dre; und die beſte Beſoldung von jedem rechtſchaffenen Maune.
Die großen Herrn haben uͤbel gethan, daß ſie zu allen gemei-
nen Verwaltungen lauter beſoldete Diener angenommen ha-
ben, die alle klagen, daß ſie nicht leben koͤnnen; und nicht
wiſſen wie ſie leben wollen. Eine Zeitlang haben ihnen dieſe
Diener plus uͤber plus gebracht, aber am Ende nehmen ſie
plus uͤber plus wieder weg; und der Herr hat nicht mehr uͤbrig
als er vorher uͤbrig hatte. Es ſchadet ihnen aber nichts; in-
dem ſie oft die ſchlechteſten Leute zu ihren Dienern annehmen,
und dann ihre Diener uͤber alle andre erheben, und diejeni-
gen, welche keine andre Beſoldungen, als die Liebe und den
Seegen ihrer Mitbuͤrger haben, unbillig herunterſetzen. In
unſerm Buͤrgerrath werden keine andre als angeſeſſene und
angeſehene Leute zugelaſſen. Die Bedienungen der Stadt
werden als Reihelaſten betrachtet, die jeder nach ſeiner Ord-
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/192>, abgerufen am 22.07.2024.
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