Johann, du würdest auch Bob oder wohl gar Herr von Bob werden, wenn du erst ein paar Jahr Thorschreiber gewesen wärest.
Das käme auf die Probe an, Herr Kriegesrath. In- dessen ist es doch so gut, als eine gestempelte Wahrheit, daß wenn die Frau Visitatorin eine schwarze Saloppe trägt, meine künftige Liebste als Thorschreiberin doch wenigstens eine von große Beaute haben müsse.
Just so philosophirte Bob auch. Weist du aber auch wohl was er sagte, als er im Zuchthause von seiner Hände Ar- beit leben mußte? Bin ich nicht ein erzdummer Narr gewe- sen, sagte er, daß ich mir gerade die größten Narren zu Mustern gewählt habe! Ich dächte also, mein lieber Johann, wenn die Frau Visitatorin kollerte: so müßte die Frau Thor- schreiberin dermaleinst Verstand genug besitzen, sich nach ihrer Decke zu strecken. Du thust aber wohl am besten, daß du das Heyrathen noch eine Zeitlang aufschiebst. Denn würklich, die Weiber sind es jezt, welche die Männer ins Zuchthaus bringen; und du könntest ohnedem leicht dahin kommen, wenn du die Augen zu oft verschlössest.
Ach Herr Kriegesrath, das hat gute Wege. Wem der König ein Amt giebt, dem giebt er auch zu leben; dies er- fordert die Billigkeit, die Gerechtigkeit, und was das für- nehmste ist, sein eignes Interesse. Denn wer nicht gut lohnt, wird auch nicht gut gedient.
Nun kein Wort mehr, ich mag das Gewäsche gar nicht mehr hören. Dein Bruder ist Küster, und zieht dreymal in der Woche an die Glocke. Er hat also ein Amt; und nun soll ihn das Amt auch ernähren? Das wäre eine erschreckliche Sache. Wenn Bediente, die alle Stunden des Tages, und noch manche des Nachts ihrem Herrn aufopfern müssen; von
ih-
Eine alltaͤgliche Geſchichte.
Johann, du wuͤrdeſt auch Bob oder wohl gar Herr von Bob werden, wenn du erſt ein paar Jahr Thorſchreiber geweſen waͤreſt.
Das kaͤme auf die Probe an, Herr Kriegesrath. In- deſſen iſt es doch ſo gut, als eine geſtempelte Wahrheit, daß wenn die Frau Viſitatorin eine ſchwarze Saloppe traͤgt, meine kuͤnftige Liebſte als Thorſchreiberin doch wenigſtens eine von große Beaute haben muͤſſe.
Juſt ſo philoſophirte Bob auch. Weiſt du aber auch wohl was er ſagte, als er im Zuchthauſe von ſeiner Haͤnde Ar- beit leben mußte? Bin ich nicht ein erzdummer Narr gewe- ſen, ſagte er, daß ich mir gerade die groͤßten Narren zu Muſtern gewaͤhlt habe! Ich daͤchte alſo, mein lieber Johann, wenn die Frau Viſitatorin kollerte: ſo muͤßte die Frau Thor- ſchreiberin dermaleinſt Verſtand genug beſitzen, ſich nach ihrer Decke zu ſtrecken. Du thuſt aber wohl am beſten, daß du das Heyrathen noch eine Zeitlang aufſchiebſt. Denn wuͤrklich, die Weiber ſind es jezt, welche die Maͤnner ins Zuchthaus bringen; und du koͤnnteſt ohnedem leicht dahin kommen, wenn du die Augen zu oft verſchloͤſſeſt.
Ach Herr Kriegesrath, das hat gute Wege. Wem der Koͤnig ein Amt giebt, dem giebt er auch zu leben; dies er- fordert die Billigkeit, die Gerechtigkeit, und was das fuͤr- nehmſte iſt, ſein eignes Intereſſe. Denn wer nicht gut lohnt, wird auch nicht gut gedient.
Nun kein Wort mehr, ich mag das Gewaͤſche gar nicht mehr hoͤren. Dein Bruder iſt Kuͤſter, und zieht dreymal in der Woche an die Glocke. Er hat alſo ein Amt; und nun ſoll ihn das Amt auch ernaͤhren? Das waͤre eine erſchreckliche Sache. Wenn Bediente, die alle Stunden des Tages, und noch manche des Nachts ihrem Herrn aufopfern muͤſſen; von
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Eine alltaͤgliche Geſchichte.
Johann, du wuͤrdeſt auch Bob oder wohl gar Herr von Bob
werden, wenn du erſt ein paar Jahr Thorſchreiber geweſen
waͤreſt.
Das kaͤme auf die Probe an, Herr Kriegesrath. In-
deſſen iſt es doch ſo gut, als eine geſtempelte Wahrheit, daß
wenn die Frau Viſitatorin eine ſchwarze Saloppe traͤgt, meine
kuͤnftige Liebſte als Thorſchreiberin doch wenigſtens eine von
große Beaute haben muͤſſe.
Juſt ſo philoſophirte Bob auch. Weiſt du aber auch
wohl was er ſagte, als er im Zuchthauſe von ſeiner Haͤnde Ar-
beit leben mußte? Bin ich nicht ein erzdummer Narr gewe-
ſen, ſagte er, daß ich mir gerade die groͤßten Narren zu
Muſtern gewaͤhlt habe! Ich daͤchte alſo, mein lieber Johann,
wenn die Frau Viſitatorin kollerte: ſo muͤßte die Frau Thor-
ſchreiberin dermaleinſt Verſtand genug beſitzen, ſich nach ihrer
Decke zu ſtrecken. Du thuſt aber wohl am beſten, daß du
das Heyrathen noch eine Zeitlang aufſchiebſt. Denn wuͤrklich,
die Weiber ſind es jezt, welche die Maͤnner ins Zuchthaus
bringen; und du koͤnnteſt ohnedem leicht dahin kommen, wenn
du die Augen zu oft verſchloͤſſeſt.
Ach Herr Kriegesrath, das hat gute Wege. Wem der
Koͤnig ein Amt giebt, dem giebt er auch zu leben; dies er-
fordert die Billigkeit, die Gerechtigkeit, und was das fuͤr-
nehmſte iſt, ſein eignes Intereſſe. Denn wer nicht gut lohnt,
wird auch nicht gut gedient.
Nun kein Wort mehr, ich mag das Gewaͤſche gar nicht
mehr hoͤren. Dein Bruder iſt Kuͤſter, und zieht dreymal
in der Woche an die Glocke. Er hat alſo ein Amt; und nun
ſoll ihn das Amt auch ernaͤhren? Das waͤre eine erſchreckliche
Sache. Wenn Bediente, die alle Stunden des Tages, und
noch manche des Nachts ihrem Herrn aufopfern muͤſſen; von
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/191>, abgerufen am 16.02.2025.
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