Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.Johann konnte nicht leben. er nicht leben kann; der Feldmarschall kann nicht leben, derKriegesrath kann nicht leben, der Thorschreiber kann nicht leben, und vielleicht kannst du auch von den zehn Thalern, die ich dir des Jahrs gebe, nicht leben. Das ist mir ein Le- ben, wovon der Schluß allezeit ist, wir müssen Betrüger werden. Wenn ich dich zum Thorschreiber beförderte, und dies ist doch dein größter Wunsch; so würdest du ja auch nicht leben können? Freylich nicht, Herr Kriegesrath; aber ich hätte denn Und dennoch, du magst es mir nur auf mein Wort Jo-
Johann konnte nicht leben. er nicht leben kann; der Feldmarſchall kann nicht leben, derKriegesrath kann nicht leben, der Thorſchreiber kann nicht leben, und vielleicht kannſt du auch von den zehn Thalern, die ich dir des Jahrs gebe, nicht leben. Das iſt mir ein Le- ben, wovon der Schluß allezeit iſt, wir muͤſſen Betruͤger werden. Wenn ich dich zum Thorſchreiber befoͤrderte, und dies iſt doch dein groͤßter Wunſch; ſo wuͤrdeſt du ja auch nicht leben koͤnnen? Freylich nicht, Herr Kriegesrath; aber ich haͤtte denn Und dennoch, du magſt es mir nur auf mein Wort Jo-
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Johann konnte nicht leben.
er nicht leben kann; der Feldmarſchall kann nicht leben, der
Kriegesrath kann nicht leben, der Thorſchreiber kann nicht
leben, und vielleicht kannſt du auch von den zehn Thalern,
die ich dir des Jahrs gebe, nicht leben. Das iſt mir ein Le-
ben, wovon der Schluß allezeit iſt, wir muͤſſen Betruͤger
werden. Wenn ich dich zum Thorſchreiber befoͤrderte, und
dies iſt doch dein groͤßter Wunſch; ſo wuͤrdeſt du ja auch nicht
leben koͤnnen?
Freylich nicht, Herr Kriegesrath; aber ich haͤtte denn
doch beſſere Gelegenheit als jetzt bey ihnen, meine fuͤnf Sinne
zu gebrauchen. Wenn ich alsdenn nur meine Augen des Ta-
ges einmal zuthue: ſo ſtehe ich weit beſſer, als wenn ich ſie
bey ihnen Nacht und Tag aufſperre.
Und dennoch, du magſt es mir nur auf mein Wort
glauben, wirſt du nicht leben koͤnnen. Der Koͤnig hoͤrte ein-
mal, daß ein Gartenjunge ſich beſchwerte, er koͤnnte nicht
leben. Er machte ihn darauf zu ſeinem Hofgaͤrtner; allein,
er konnte wieder nicht leben. Er kam als Secretair bey der
Gartencanzley; noch konnte er nicht leben. Er wurde end-
lich Oberintendant aller Gaͤrten und Luſtſchloͤſſer; und nun
glaubte der Fuͤrſt er wuͤrde gewiß leben koͤnnen. Aber nein;
Bob, ſo hieß er, hielt jezt Kutſchen und Pferde; er hatte
Bediente; hielt Tafel und ſpielte, als wenn er große Liefe-
rungen gehabt haͤtte; und wie ihn ſein Herr fragte, ob er
nun leben koͤnnte: ſo gab er ihm zur Antwort: Ach! gnaͤdig-
ſter Herr, der Staat erfordert heutiges Tages ſo viel; es
gehoͤrt ſo vieler Ueberfluß zum Nothwendigen; man wird ſo
wenig geachtet, wenn man nicht ſeinem Range gemaͤß lebt;
die Frauen ſind ſolche koſtbare Puppen; und die Kinder, wenn
ich ſie Standesmaͤßig erziehen ſoll, erfordern ſo viel, daß es
unmoͤglich, ja unmoͤglich iſt als Intendant des Jahrs mit
zweytauſend Thalern auszukommen ...... Ich wette,
Jo-
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