einer papiernen Verschreibung zu besitzen, noch nicht kannte! Berge von Korn unzählbare Heerden hätten seinen Schatz ausmachen müssen. Zwischen diesen Reichthümern hätte er verhungern, hätte er den Armen nichts mitgeben, hätte er die Bedürfnisse des Staats dem Geringern zuwelzen sollen? Auf seinen Kornhaufen würde man den Bösewicht verbrannt haben; und wer hätte seinen Vorrath für Würmer, seine Heerden für Seuchen und ihn selbst wider die Rache seiner Nachbaren sicher stellen wollen?
Ehe du kamest, war die Wohlthätigkeit die gemeinste Tugend; wenn man es eine Tugend nennen kann, was die natürliche Folge verderblicher Güter war. Komm zu mir, sprach der Reiche zum Armen, und labe dich von meinem Biere, und iß von meinem Brodte. Es verdirbt ja doch, und die Erndte ist wieder vor der Thür. Soll ich für die Würmer sparen und dich darben lassen? So sprach der Deutsche, wie er noch dem römischen Gelde fluchte; und in der Wohlthätigkeit besaß er alle Tugenden.
Ehe du kamest, war der Unterscheid der Stände und die Begierde sich zu erheben, nicht groß unter den Menschen. Jezt hat der Himmel oft Mühe ohne Wunder einen Reichen arm zu machen, da er seine Früchte in hartes Metall ver- wandelt, und bey unzähligen Schuldnern verwahrt. Da- mals aber lebte er mit seiner Heerde und mit seinen Scheunen un- ter der unmittelbaren Furcht von jedem Wetterstrahle; und dankbar und gefühlvoll betete er die göttliche Vorsehung bey jeder Landplage gleich den geringsten unter seinen Flurgenossen an.
Ehe du kamest, war noch Freyheit in der Welt. Keine Macht konnte unbemerkt und sicher den Schwächern zu Haupte steigen, kein Richter konnte heimlich bestochen werden, und brauchte sich bestechen zu lassen, kein Zanksüchtiger konnte eine Rechtssache weiter bringen, als seine Futterung reichte, kein
Thor
Troſtgruͤnde bey den zunehmenden
einer papiernen Verſchreibung zu beſitzen, noch nicht kannte! Berge von Korn unzaͤhlbare Heerden haͤtten ſeinen Schatz ausmachen muͤſſen. Zwiſchen dieſen Reichthuͤmern haͤtte er verhungern, haͤtte er den Armen nichts mitgeben, haͤtte er die Beduͤrfniſſe des Staats dem Geringern zuwelzen ſollen? Auf ſeinen Kornhaufen wuͤrde man den Boͤſewicht verbrannt haben; und wer haͤtte ſeinen Vorrath fuͤr Wuͤrmer, ſeine Heerden fuͤr Seuchen und ihn ſelbſt wider die Rache ſeiner Nachbaren ſicher ſtellen wollen?
Ehe du kameſt, war die Wohlthaͤtigkeit die gemeinſte Tugend; wenn man es eine Tugend nennen kann, was die natuͤrliche Folge verderblicher Guͤter war. Komm zu mir, ſprach der Reiche zum Armen, und labe dich von meinem Biere, und iß von meinem Brodte. Es verdirbt ja doch, und die Erndte iſt wieder vor der Thuͤr. Soll ich fuͤr die Wuͤrmer ſparen und dich darben laſſen? So ſprach der Deutſche, wie er noch dem roͤmiſchen Gelde fluchte; und in der Wohlthaͤtigkeit beſaß er alle Tugenden.
Ehe du kameſt, war der Unterſcheid der Staͤnde und die Begierde ſich zu erheben, nicht groß unter den Menſchen. Jezt hat der Himmel oft Muͤhe ohne Wunder einen Reichen arm zu machen, da er ſeine Fruͤchte in hartes Metall ver- wandelt, und bey unzaͤhligen Schuldnern verwahrt. Da- mals aber lebte er mit ſeiner Heerde und mit ſeinen Scheunen un- ter der unmittelbaren Furcht von jedem Wetterſtrahle; und dankbar und gefuͤhlvoll betete er die goͤttliche Vorſehung bey jeder Landplage gleich den geringſten unter ſeinen Flurgenoſſen an.
Ehe du kameſt, war noch Freyheit in der Welt. Keine Macht konnte unbemerkt und ſicher den Schwaͤchern zu Haupte ſteigen, kein Richter konnte heimlich beſtochen werden, und brauchte ſich beſtechen zu laſſen, kein Zankſuͤchtiger konnte eine Rechtsſache weiter bringen, als ſeine Futterung reichte, kein
Thor
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Troſtgruͤnde bey den zunehmenden
einer papiernen Verſchreibung zu beſitzen, noch nicht kannte!
Berge von Korn unzaͤhlbare Heerden haͤtten ſeinen Schatz
ausmachen muͤſſen. Zwiſchen dieſen Reichthuͤmern haͤtte er
verhungern, haͤtte er den Armen nichts mitgeben, haͤtte er
die Beduͤrfniſſe des Staats dem Geringern zuwelzen ſollen?
Auf ſeinen Kornhaufen wuͤrde man den Boͤſewicht verbrannt
haben; und wer haͤtte ſeinen Vorrath fuͤr Wuͤrmer, ſeine
Heerden fuͤr Seuchen und ihn ſelbſt wider die Rache ſeiner
Nachbaren ſicher ſtellen wollen?
Ehe du kameſt, war die Wohlthaͤtigkeit die gemeinſte
Tugend; wenn man es eine Tugend nennen kann, was die
natuͤrliche Folge verderblicher Guͤter war. Komm zu mir,
ſprach der Reiche zum Armen, und labe dich von meinem
Biere, und iß von meinem Brodte. Es verdirbt ja doch,
und die Erndte iſt wieder vor der Thuͤr. Soll ich fuͤr die
Wuͤrmer ſparen und dich darben laſſen? So ſprach der
Deutſche, wie er noch dem roͤmiſchen Gelde fluchte; und in
der Wohlthaͤtigkeit beſaß er alle Tugenden.
Ehe du kameſt, war der Unterſcheid der Staͤnde und
die Begierde ſich zu erheben, nicht groß unter den Menſchen.
Jezt hat der Himmel oft Muͤhe ohne Wunder einen Reichen
arm zu machen, da er ſeine Fruͤchte in hartes Metall ver-
wandelt, und bey unzaͤhligen Schuldnern verwahrt. Da-
mals aber lebte er mit ſeiner Heerde und mit ſeinen Scheunen un-
ter der unmittelbaren Furcht von jedem Wetterſtrahle; und
dankbar und gefuͤhlvoll betete er die goͤttliche Vorſehung bey jeder
Landplage gleich den geringſten unter ſeinen Flurgenoſſen an.
Ehe du kameſt, war noch Freyheit in der Welt. Keine
Macht konnte unbemerkt und ſicher den Schwaͤchern zu Haupte
ſteigen, kein Richter konnte heimlich beſtochen werden, und
brauchte ſich beſtechen zu laſſen, kein Zankſuͤchtiger konnte eine
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/186>, abgerufen am 27.07.2024.
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