Ein jeder wird zu diesem Vorschlage noch vieles hinzu denken können, welches ich mit Fleiß nicht anführe, um nicht zu lange bey einer Sache zu verweilen. Indessen will ich doch noch beym Schluß eines Nebenvortheils gedenken, wel- chen der mosaische Plan gewährte. Da alle Ländereyen in Israel im siebenden Jahre auf einen Tag Winn- und Pacht- los, und als völlig gemein angesehen wurden: so hatten die Eigenthümer den Vortheil davon, daß sie mit dem 8ten Jahre alle ihre Ländereyen aus freyer Hand besser verheuren konn- ten, als wenn die letzten Pächter noch wären darauf gewesen, und sie unter dem Vorwand der Besserungen oder durch Bit- ten und Betteln bewogen hätten, ihnen die Ländereyen von neuen zu dem vorigen Preise zu lassen; wie wir denn in West- phalen täglich sehen und erfahren, daß ein Pächter oder ein Heuermann den andern nicht überbieten will. Und wie vie- len unendlichen Processen wurde nicht dadurch vorgebogen, daß alle Winnen und Pachtungen mit dem sechsten Jahre ab- geschnitten, verändert und erneuert und ein reines petitorium oder possessorium für Pächter und Verpächter gesetzt, beson- ders aber das verzweifelte Jus retentionis aufgehoben wurde?
XXIV. Antwort auf verschiedene Vorschläge wegen einer Kleiderordnung.
Seitdem man unlängst den Gedanken geäussert, daß eine Kleiderordnung so gar leicht nicht zu machen sey, wie sich manche wohl einbildeten, sind über zwanzig Vorschläge dazu eingelaufen, deren Verfasser nicht allein zu erwarten,
son-
K 3
Schulden der Unterthanen zu wehren.
Ein jeder wird zu dieſem Vorſchlage noch vieles hinzu denken koͤnnen, welches ich mit Fleiß nicht anfuͤhre, um nicht zu lange bey einer Sache zu verweilen. Indeſſen will ich doch noch beym Schluß eines Nebenvortheils gedenken, wel- chen der moſaiſche Plan gewaͤhrte. Da alle Laͤndereyen in Iſrael im ſiebenden Jahre auf einen Tag Winn- und Pacht- los, und als voͤllig gemein angeſehen wurden: ſo hatten die Eigenthuͤmer den Vortheil davon, daß ſie mit dem 8ten Jahre alle ihre Laͤndereyen aus freyer Hand beſſer verheuren konn- ten, als wenn die letzten Paͤchter noch waͤren darauf geweſen, und ſie unter dem Vorwand der Beſſerungen oder durch Bit- ten und Betteln bewogen haͤtten, ihnen die Laͤndereyen von neuen zu dem vorigen Preiſe zu laſſen; wie wir denn in Weſt- phalen taͤglich ſehen und erfahren, daß ein Paͤchter oder ein Heuermann den andern nicht uͤberbieten will. Und wie vie- len unendlichen Proceſſen wurde nicht dadurch vorgebogen, daß alle Winnen und Pachtungen mit dem ſechſten Jahre ab- geſchnitten, veraͤndert und erneuert und ein reines petitorium oder poſſeſſorium fuͤr Paͤchter und Verpaͤchter geſetzt, beſon- ders aber das verzweifelte Jus retentionis aufgehoben wurde?
XXIV. Antwort auf verſchiedene Vorſchlaͤge wegen einer Kleiderordnung.
Seitdem man unlaͤngſt den Gedanken geaͤuſſert, daß eine Kleiderordnung ſo gar leicht nicht zu machen ſey, wie ſich manche wohl einbildeten, ſind uͤber zwanzig Vorſchlaͤge dazu eingelaufen, deren Verfaſſer nicht allein zu erwarten,
ſon-
K 3
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0167"n="149"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Schulden der Unterthanen zu wehren.</hi></fw><lb/><p>Ein jeder wird zu dieſem Vorſchlage noch vieles hinzu<lb/>
denken koͤnnen, welches ich mit Fleiß nicht anfuͤhre, um nicht<lb/>
zu lange bey einer Sache zu verweilen. Indeſſen will ich<lb/>
doch noch beym Schluß eines Nebenvortheils gedenken, wel-<lb/>
chen der moſaiſche Plan gewaͤhrte. Da alle Laͤndereyen in<lb/>
Iſrael im ſiebenden Jahre auf einen Tag Winn- und Pacht-<lb/>
los, und als voͤllig gemein angeſehen wurden: ſo hatten die<lb/>
Eigenthuͤmer den Vortheil davon, daß ſie mit dem 8ten Jahre<lb/>
alle ihre Laͤndereyen aus freyer Hand beſſer verheuren konn-<lb/>
ten, als wenn die letzten Paͤchter noch waͤren darauf geweſen,<lb/>
und ſie unter dem Vorwand der Beſſerungen oder durch Bit-<lb/>
ten und Betteln bewogen haͤtten, ihnen die Laͤndereyen von<lb/>
neuen zu dem vorigen Preiſe zu laſſen; wie wir denn in Weſt-<lb/>
phalen taͤglich ſehen und erfahren, daß ein Paͤchter oder ein<lb/>
Heuermann den andern nicht uͤberbieten will. Und wie vie-<lb/>
len unendlichen Proceſſen wurde nicht dadurch vorgebogen,<lb/>
daß alle Winnen und Pachtungen mit dem ſechſten Jahre ab-<lb/>
geſchnitten, veraͤndert und erneuert und ein reines <hirendition="#aq">petitorium</hi><lb/>
oder <hirendition="#aq">poſſeſſorium</hi> fuͤr Paͤchter und Verpaͤchter geſetzt, beſon-<lb/>
ders aber das verzweifelte <hirendition="#aq">Jus retentionis</hi> aufgehoben<lb/>
wurde?</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XXIV.</hi><lb/>
Antwort auf verſchiedene Vorſchlaͤge wegen<lb/>
einer Kleiderordnung.</hi></head><lb/><p>Seitdem man unlaͤngſt den Gedanken geaͤuſſert, daß eine<lb/>
Kleiderordnung ſo gar leicht nicht zu machen ſey, wie<lb/>ſich manche wohl einbildeten, ſind uͤber zwanzig Vorſchlaͤge<lb/>
dazu eingelaufen, deren Verfaſſer nicht allein zu erwarten,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſon-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[149/0167]
Schulden der Unterthanen zu wehren.
Ein jeder wird zu dieſem Vorſchlage noch vieles hinzu
denken koͤnnen, welches ich mit Fleiß nicht anfuͤhre, um nicht
zu lange bey einer Sache zu verweilen. Indeſſen will ich
doch noch beym Schluß eines Nebenvortheils gedenken, wel-
chen der moſaiſche Plan gewaͤhrte. Da alle Laͤndereyen in
Iſrael im ſiebenden Jahre auf einen Tag Winn- und Pacht-
los, und als voͤllig gemein angeſehen wurden: ſo hatten die
Eigenthuͤmer den Vortheil davon, daß ſie mit dem 8ten Jahre
alle ihre Laͤndereyen aus freyer Hand beſſer verheuren konn-
ten, als wenn die letzten Paͤchter noch waͤren darauf geweſen,
und ſie unter dem Vorwand der Beſſerungen oder durch Bit-
ten und Betteln bewogen haͤtten, ihnen die Laͤndereyen von
neuen zu dem vorigen Preiſe zu laſſen; wie wir denn in Weſt-
phalen taͤglich ſehen und erfahren, daß ein Paͤchter oder ein
Heuermann den andern nicht uͤberbieten will. Und wie vie-
len unendlichen Proceſſen wurde nicht dadurch vorgebogen,
daß alle Winnen und Pachtungen mit dem ſechſten Jahre ab-
geſchnitten, veraͤndert und erneuert und ein reines petitorium
oder poſſeſſorium fuͤr Paͤchter und Verpaͤchter geſetzt, beſon-
ders aber das verzweifelte Jus retentionis aufgehoben
wurde?
XXIV.
Antwort auf verſchiedene Vorſchlaͤge wegen
einer Kleiderordnung.
Seitdem man unlaͤngſt den Gedanken geaͤuſſert, daß eine
Kleiderordnung ſo gar leicht nicht zu machen ſey, wie
ſich manche wohl einbildeten, ſind uͤber zwanzig Vorſchlaͤge
dazu eingelaufen, deren Verfaſſer nicht allein zu erwarten,
ſon-
K 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/167>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.