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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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Die gute seelige Frau.
schaffene christliche Frau, von gutem Herzen, gesunder Ver-
nunft, einem bequemen häuslichen Umgange, und lebhaften
doch eingezogenen Wesen; eine fleißige und emsige Haushäl-
terinn, eine reinliche verständige Köchin und eine aufmerk-
same Gärtnerin. Und diese ist es, welche ich jetzt nirgends
mehr finde.

Der Himmel weis, daß ich es nie verlangt habe, allein
meine seelige stand alle Morgen um fünf Uhr auf, und ehe
es sechse schlug, war das ganze Haus aufgeräumet, jedes
Kind angezogen und bey der Arbeit, daß Gesinde in seinem
Beruf, und des Winters an manchen Morgen oft schon mehr
Garn gesponnen, als jetzt in manchen Haushaltungen binnen
einem ganzen Jahr gewonnen wird. Das Frühstück ward
nur beyläufig eingenommen; jedes nahm das seinige in die
Hand, und arbeitete seinen Gang fort. Mein Tisch war
zu rechter Zeit gedeckt, und mit zween guten Gerichten, welche
sie selbst mit Wahl und Reinlichkeit simpel aber gut zubereitet
hatte, besetzt.

Käse und Butter, Aepfel, Birn und Pflaumen, frisch
oder trocken, waren von ihrer Zubereitung. Kam ein guter
Freund zu uns: so wurden einige Gläser mit Eingemachtem
aufgesetzt, und sie verstand alle Künste so dazu gehörten ohne
es eben mit einer Menge von Zucker verschwenderisch zu zwin-
gen: was nicht davon gegessen wurde, blieb in dem sorgfäl-
tig bewahrten Glase. Ihre Pickels *) übertrafen alles was
ich jemals gegessen habe; und ich weis nicht wie sie den Eßig
so unvergleichlich machen konnte. Sie machte alle Jahr ein
Bitters für den Magen, wogegen Dr. Hills und Stoughtons
Tropfen nichts sind. Ihren Hollundersaft kochte sie selbst;

und
*) Er versteht vermuthlich Sachen so in Salz oder Eßig gelege
werden.
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Die gute ſeelige Frau.
ſchaffene chriſtliche Frau, von gutem Herzen, geſunder Ver-
nunft, einem bequemen haͤuslichen Umgange, und lebhaften
doch eingezogenen Weſen; eine fleißige und emſige Haushaͤl-
terinn, eine reinliche verſtaͤndige Koͤchin und eine aufmerk-
ſame Gaͤrtnerin. Und dieſe iſt es, welche ich jetzt nirgends
mehr finde.

Der Himmel weis, daß ich es nie verlangt habe, allein
meine ſeelige ſtand alle Morgen um fuͤnf Uhr auf, und ehe
es ſechſe ſchlug, war das ganze Haus aufgeraͤumet, jedes
Kind angezogen und bey der Arbeit, daß Geſinde in ſeinem
Beruf, und des Winters an manchen Morgen oft ſchon mehr
Garn geſponnen, als jetzt in manchen Haushaltungen binnen
einem ganzen Jahr gewonnen wird. Das Fruͤhſtuͤck ward
nur beylaͤufig eingenommen; jedes nahm das ſeinige in die
Hand, und arbeitete ſeinen Gang fort. Mein Tiſch war
zu rechter Zeit gedeckt, und mit zween guten Gerichten, welche
ſie ſelbſt mit Wahl und Reinlichkeit ſimpel aber gut zubereitet
hatte, beſetzt.

Kaͤſe und Butter, Aepfel, Birn und Pflaumen, friſch
oder trocken, waren von ihrer Zubereitung. Kam ein guter
Freund zu uns: ſo wurden einige Glaͤſer mit Eingemachtem
aufgeſetzt, und ſie verſtand alle Kuͤnſte ſo dazu gehoͤrten ohne
es eben mit einer Menge von Zucker verſchwenderiſch zu zwin-
gen: was nicht davon gegeſſen wurde, blieb in dem ſorgfaͤl-
tig bewahrten Glaſe. Ihre Pickels *) uͤbertrafen alles was
ich jemals gegeſſen habe; und ich weis nicht wie ſie den Eßig
ſo unvergleichlich machen konnte. Sie machte alle Jahr ein
Bitters fuͤr den Magen, wogegen Dr. Hills und Stoughtons
Tropfen nichts ſind. Ihren Hollunderſaft kochte ſie ſelbſt;

und
*) Er verſteht vermuthlich Sachen ſo in Salz oder Eßig gelege
werden.
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[121/0139] Die gute ſeelige Frau. ſchaffene chriſtliche Frau, von gutem Herzen, geſunder Ver- nunft, einem bequemen haͤuslichen Umgange, und lebhaften doch eingezogenen Weſen; eine fleißige und emſige Haushaͤl- terinn, eine reinliche verſtaͤndige Koͤchin und eine aufmerk- ſame Gaͤrtnerin. Und dieſe iſt es, welche ich jetzt nirgends mehr finde. Der Himmel weis, daß ich es nie verlangt habe, allein meine ſeelige ſtand alle Morgen um fuͤnf Uhr auf, und ehe es ſechſe ſchlug, war das ganze Haus aufgeraͤumet, jedes Kind angezogen und bey der Arbeit, daß Geſinde in ſeinem Beruf, und des Winters an manchen Morgen oft ſchon mehr Garn geſponnen, als jetzt in manchen Haushaltungen binnen einem ganzen Jahr gewonnen wird. Das Fruͤhſtuͤck ward nur beylaͤufig eingenommen; jedes nahm das ſeinige in die Hand, und arbeitete ſeinen Gang fort. Mein Tiſch war zu rechter Zeit gedeckt, und mit zween guten Gerichten, welche ſie ſelbſt mit Wahl und Reinlichkeit ſimpel aber gut zubereitet hatte, beſetzt. Kaͤſe und Butter, Aepfel, Birn und Pflaumen, friſch oder trocken, waren von ihrer Zubereitung. Kam ein guter Freund zu uns: ſo wurden einige Glaͤſer mit Eingemachtem aufgeſetzt, und ſie verſtand alle Kuͤnſte ſo dazu gehoͤrten ohne es eben mit einer Menge von Zucker verſchwenderiſch zu zwin- gen: was nicht davon gegeſſen wurde, blieb in dem ſorgfaͤl- tig bewahrten Glaſe. Ihre Pickels *) uͤbertrafen alles was ich jemals gegeſſen habe; und ich weis nicht wie ſie den Eßig ſo unvergleichlich machen konnte. Sie machte alle Jahr ein Bitters fuͤr den Magen, wogegen Dr. Hills und Stoughtons Tropfen nichts ſind. Ihren Hollunderſaft kochte ſie ſelbſt; und *) Er verſteht vermuthlich Sachen ſo in Salz oder Eßig gelege werden. H 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/139>, abgerufen am 25.11.2024.