Er selbst hat keine Pferde; und der Heuermann zu Hause auch nicht. Beyde müssen also mit ihrer Bestellung so lange warten, bis der Bauer fertig ist. Ob der Mann am Rade oder in Holland sitzt, das ist dem Acker einerley. Einer Or- ten kann er nur seyn; und so geht die Bestellung ihren Gang. Vermuthlich aber dienet der Bauer dem Hollandsgänger, auf dessen vollen Beutel er rechnet, besser als dem Heuermann, der 13 Fl. 14 Stüber weniger einnimmt, als er ausgegeben hat. Und wie viele Dienste muß der Heuermann, der zu Hause ist, seinem Bauer in der Erndte und sonst thun, wofür ihm nur ein großer Dank zu Theil wird?
Der einzige Vortheil des Heuermanns daheim gegen den Hollandsgänger, wäre also wohl nur der Trost seiner Frauen, die Gesundheit, und die bessere Kinderzucht. Das erste will ich nicht beurtheilen. Meine Anmerkungen darüber möchten satyrisch werden. Das andre wollen wir dahin, oder auf die große Staatsrechnung stellen. Der Mann, der zu Hause Wasser trinkt und nicht auskömmt, grämt sich vielleicht zu Tode, indessen daß der Hollandsgänger sich zu Tode arbeitet: und also auf dem Bette der Ehre stirbt. So viel aber die Kinderzucht betrift, haben sie sich beyde so gar viel nicht vor- zuwerfen. Des Sommers laufen beyderley Kinder, so bald sie einen Stecken aufheben können, hinter den Kühen; und wenn die Zeit dazu vorüber ist, jagt sie die Mutter in die Schule; oder sie liegen beym Heerde, und das grössere war- tet den kleinern. Die Mutter liegt im Garten oder auf dem Lande zu arbeiten; der Vater ist auf Taglohn; und wenn die Kinder des Hollandsgängers oder des einheimischen Taglöh- ners nach Brod schreyen: so währet dieses so lange, bis sie von selbst wieder aufhören, oder von der Mutter gestillet werden.
XVIII.
Antw. an den Hn. Paſtor Glidehaus ꝛc.
Er ſelbſt hat keine Pferde; und der Heuermann zu Hauſe auch nicht. Beyde muͤſſen alſo mit ihrer Beſtellung ſo lange warten, bis der Bauer fertig iſt. Ob der Mann am Rade oder in Holland ſitzt, das iſt dem Acker einerley. Einer Or- ten kann er nur ſeyn; und ſo geht die Beſtellung ihren Gang. Vermuthlich aber dienet der Bauer dem Hollandsgaͤnger, auf deſſen vollen Beutel er rechnet, beſſer als dem Heuermann, der 13 Fl. 14 Stuͤber weniger einnimmt, als er ausgegeben hat. Und wie viele Dienſte muß der Heuermann, der zu Hauſe iſt, ſeinem Bauer in der Erndte und ſonſt thun, wofuͤr ihm nur ein großer Dank zu Theil wird?
Der einzige Vortheil des Heuermanns daheim gegen den Hollandsgaͤnger, waͤre alſo wohl nur der Troſt ſeiner Frauen, die Geſundheit, und die beſſere Kinderzucht. Das erſte will ich nicht beurtheilen. Meine Anmerkungen daruͤber moͤchten ſatyriſch werden. Das andre wollen wir dahin, oder auf die große Staatsrechnung ſtellen. Der Mann, der zu Hauſe Waſſer trinkt und nicht auskoͤmmt, graͤmt ſich vielleicht zu Tode, indeſſen daß der Hollandsgaͤnger ſich zu Tode arbeitet: und alſo auf dem Bette der Ehre ſtirbt. So viel aber die Kinderzucht betrift, haben ſie ſich beyde ſo gar viel nicht vor- zuwerfen. Des Sommers laufen beyderley Kinder, ſo bald ſie einen Stecken aufheben koͤnnen, hinter den Kuͤhen; und wenn die Zeit dazu voruͤber iſt, jagt ſie die Mutter in die Schule; oder ſie liegen beym Heerde, und das groͤſſere war- tet den kleinern. Die Mutter liegt im Garten oder auf dem Lande zu arbeiten; der Vater iſt auf Taglohn; und wenn die Kinder des Hollandsgaͤngers oder des einheimiſchen Tagloͤh- ners nach Brod ſchreyen: ſo waͤhret dieſes ſo lange, bis ſie von ſelbſt wieder aufhoͤren, oder von der Mutter geſtillet werden.
XVIII.
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Antw. an den Hn. Paſtor Glidehaus ꝛc.
Er ſelbſt hat keine Pferde; und der Heuermann zu Hauſe
auch nicht. Beyde muͤſſen alſo mit ihrer Beſtellung ſo lange
warten, bis der Bauer fertig iſt. Ob der Mann am Rade
oder in Holland ſitzt, das iſt dem Acker einerley. Einer Or-
ten kann er nur ſeyn; und ſo geht die Beſtellung ihren Gang.
Vermuthlich aber dienet der Bauer dem Hollandsgaͤnger, auf
deſſen vollen Beutel er rechnet, beſſer als dem Heuermann,
der 13 Fl. 14 Stuͤber weniger einnimmt, als er ausgegeben
hat. Und wie viele Dienſte muß der Heuermann, der zu
Hauſe iſt, ſeinem Bauer in der Erndte und ſonſt thun, wofuͤr
ihm nur ein großer Dank zu Theil wird?
Der einzige Vortheil des Heuermanns daheim gegen den
Hollandsgaͤnger, waͤre alſo wohl nur der Troſt ſeiner Frauen,
die Geſundheit, und die beſſere Kinderzucht. Das erſte will
ich nicht beurtheilen. Meine Anmerkungen daruͤber moͤchten
ſatyriſch werden. Das andre wollen wir dahin, oder auf die
große Staatsrechnung ſtellen. Der Mann, der zu Hauſe
Waſſer trinkt und nicht auskoͤmmt, graͤmt ſich vielleicht zu
Tode, indeſſen daß der Hollandsgaͤnger ſich zu Tode arbeitet:
und alſo auf dem Bette der Ehre ſtirbt. So viel aber die
Kinderzucht betrift, haben ſie ſich beyde ſo gar viel nicht vor-
zuwerfen. Des Sommers laufen beyderley Kinder, ſo bald
ſie einen Stecken aufheben koͤnnen, hinter den Kuͤhen; und
wenn die Zeit dazu voruͤber iſt, jagt ſie die Mutter in die
Schule; oder ſie liegen beym Heerde, und das groͤſſere war-
tet den kleinern. Die Mutter liegt im Garten oder auf dem
Lande zu arbeiten; der Vater iſt auf Taglohn; und wenn die
Kinder des Hollandsgaͤngers oder des einheimiſchen Tagloͤh-
ners nach Brod ſchreyen: ſo waͤhret dieſes ſo lange, bis ſie
von ſelbſt wieder aufhoͤren, oder von der Mutter geſtillet
werden.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/132>, abgerufen am 16.02.2025.
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