Anstatt also wie jener 11 Fl. übrig zu haben, kömmt er um 13 Fl. 14 Stüber zu kurz.
Sie werden mir sagen; der Mann soll sein Garn nicht roh verkaufen, sondern Linnen daraus machen. Allein wer da weis, wie mancher Tag zum Garnkochen, Bleichen, Trocknen, Bocken, Winden, Schieren und Weben erfor- dert wird; wie vieles Asche und Potasche kosten; und wie manche Eßstunde der letzte Schlag der Weberin vom Haspel entfernet ist, der weis auch, daß es weit vortheilhafter sey, Garn roh zu verkaufen, als Linnen daraus zu machen, und daß diejenigen, welche letzters erwählen, solches blos aus der Ursache thun, weil sie die Gelegenheit nicht haben, das das Garn roh zu verkaufen; oder weil das Linnen auf ein- mal ein besser Stück Geld bringt; oder aber, weil sie nicht so viel Flachs haben, um ihre Weibsleute den Winter über mit Spinnen zu beschäftigen, und sie daher Weben lassen müssen, damit sie die Kost, welche ihren Gang gehet, in et- wa bezahlen. Mancher versteht es auch nicht besser; oder folgt dem Herkommen; oder gedenkt sein bisgen Hede besser zu nutzen.
Dies wäre nun die erste Bilanz. Aber wie steht es jetzt um die 24 Fl. welche sie dem Hollandsgänger für Scha- den am Lande an seinem Gewinnst abziehen? Wenn der fleis- sige Mann zu Hause 40 Wochen am Rade gesessen, oder Tag- lohn verdienet hat: so kann er ebenfalls nicht auf seinem Acker gewesen seyn. Diese fallen also aus ihrer Rechnung heraus; oder wir müssen sie dem andern auch anrechnen. Wir wollen das erste thun, und so hat der Hollandsgänger 35 Fl. übrig; und der Heuermann zu Hause bleibt 13 Fl. 14 Stüber schuldig.
Ueberhaupt aber sind die 24 Fl. welche der Hollands- gänger am Ackerbau Schaden leiden soll, zu hoch berechnet.
Er
Mösers patr. Phantas.I.Th. H
die Hollandsgaͤnger betreffend.
Anſtatt alſo wie jener 11 Fl. uͤbrig zu haben, koͤmmt er um 13 Fl. 14 Stuͤber zu kurz.
Sie werden mir ſagen; der Mann ſoll ſein Garn nicht roh verkaufen, ſondern Linnen daraus machen. Allein wer da weis, wie mancher Tag zum Garnkochen, Bleichen, Trocknen, Bocken, Winden, Schieren und Weben erfor- dert wird; wie vieles Aſche und Potaſche koſten; und wie manche Eßſtunde der letzte Schlag der Weberin vom Haſpel entfernet iſt, der weis auch, daß es weit vortheilhafter ſey, Garn roh zu verkaufen, als Linnen daraus zu machen, und daß diejenigen, welche letzters erwaͤhlen, ſolches blos aus der Urſache thun, weil ſie die Gelegenheit nicht haben, das das Garn roh zu verkaufen; oder weil das Linnen auf ein- mal ein beſſer Stuͤck Geld bringt; oder aber, weil ſie nicht ſo viel Flachs haben, um ihre Weibsleute den Winter uͤber mit Spinnen zu beſchaͤftigen, und ſie daher Weben laſſen muͤſſen, damit ſie die Koſt, welche ihren Gang gehet, in et- wa bezahlen. Mancher verſteht es auch nicht beſſer; oder folgt dem Herkommen; oder gedenkt ſein bisgen Hede beſſer zu nutzen.
Dies waͤre nun die erſte Bilanz. Aber wie ſteht es jetzt um die 24 Fl. welche ſie dem Hollandsgaͤnger fuͤr Scha- den am Lande an ſeinem Gewinnſt abziehen? Wenn der fleiſ- ſige Mann zu Hauſe 40 Wochen am Rade geſeſſen, oder Tag- lohn verdienet hat: ſo kann er ebenfalls nicht auf ſeinem Acker geweſen ſeyn. Dieſe fallen alſo aus ihrer Rechnung heraus; oder wir muͤſſen ſie dem andern auch anrechnen. Wir wollen das erſte thun, und ſo hat der Hollandsgaͤnger 35 Fl. uͤbrig; und der Heuermann zu Hauſe bleibt 13 Fl. 14 Stuͤber ſchuldig.
Ueberhaupt aber ſind die 24 Fl. welche der Hollands- gaͤnger am Ackerbau Schaden leiden ſoll, zu hoch berechnet.
Er
Möſers patr. Phantaſ.I.Th. H
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0131"n="113"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">die Hollandsgaͤnger betreffend.</hi></fw><lb/><p>Anſtatt alſo wie jener 11 Fl. uͤbrig zu haben, koͤmmt er um<lb/>
13 Fl. 14 Stuͤber zu kurz.</p><lb/><p>Sie werden mir ſagen; der Mann ſoll ſein Garn nicht<lb/>
roh verkaufen, ſondern Linnen daraus machen. Allein wer<lb/>
da weis, wie mancher Tag zum Garnkochen, Bleichen,<lb/>
Trocknen, Bocken, Winden, Schieren und Weben erfor-<lb/>
dert wird; wie vieles Aſche und Potaſche koſten; und wie<lb/>
manche Eßſtunde der letzte Schlag der Weberin vom Haſpel<lb/>
entfernet iſt, der weis auch, daß es weit vortheilhafter ſey,<lb/>
Garn roh zu verkaufen, als Linnen daraus zu machen,<lb/>
und daß diejenigen, welche letzters erwaͤhlen, ſolches blos aus<lb/>
der Urſache thun, weil ſie die Gelegenheit nicht haben, das<lb/>
das Garn roh zu verkaufen; oder weil das Linnen auf ein-<lb/>
mal ein beſſer Stuͤck Geld bringt; oder aber, weil ſie nicht<lb/>ſo viel Flachs haben, um ihre Weibsleute den Winter uͤber<lb/>
mit Spinnen zu beſchaͤftigen, und ſie daher Weben laſſen<lb/>
muͤſſen, damit ſie die Koſt, welche ihren Gang gehet, in et-<lb/>
wa bezahlen. Mancher verſteht es auch nicht beſſer; oder<lb/>
folgt dem Herkommen; oder gedenkt ſein bisgen Hede beſſer<lb/>
zu nutzen.</p><lb/><p>Dies waͤre nun die erſte Bilanz. Aber wie ſteht es<lb/>
jetzt um die 24 Fl. welche ſie dem Hollandsgaͤnger fuͤr Scha-<lb/>
den am Lande an ſeinem Gewinnſt abziehen? Wenn der fleiſ-<lb/>ſige Mann zu Hauſe 40 Wochen am Rade geſeſſen, oder Tag-<lb/>
lohn verdienet hat: ſo kann er ebenfalls nicht auf ſeinem Acker<lb/>
geweſen ſeyn. Dieſe fallen alſo aus ihrer Rechnung heraus;<lb/>
oder wir muͤſſen ſie dem andern auch anrechnen. Wir wollen<lb/>
das erſte thun, und ſo hat der Hollandsgaͤnger 35 Fl. uͤbrig;<lb/>
und der Heuermann zu Hauſe bleibt 13 Fl. 14 Stuͤber<lb/>ſchuldig.</p><lb/><p>Ueberhaupt aber ſind die 24 Fl. welche der Hollands-<lb/>
gaͤnger am Ackerbau Schaden leiden ſoll, zu hoch berechnet.<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Möſers patr. Phantaſ.</hi><hirendition="#aq">I.</hi><hirendition="#fr">Th.</hi> H</fw><fwplace="bottom"type="catch">Er</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[113/0131]
die Hollandsgaͤnger betreffend.
Anſtatt alſo wie jener 11 Fl. uͤbrig zu haben, koͤmmt er um
13 Fl. 14 Stuͤber zu kurz.
Sie werden mir ſagen; der Mann ſoll ſein Garn nicht
roh verkaufen, ſondern Linnen daraus machen. Allein wer
da weis, wie mancher Tag zum Garnkochen, Bleichen,
Trocknen, Bocken, Winden, Schieren und Weben erfor-
dert wird; wie vieles Aſche und Potaſche koſten; und wie
manche Eßſtunde der letzte Schlag der Weberin vom Haſpel
entfernet iſt, der weis auch, daß es weit vortheilhafter ſey,
Garn roh zu verkaufen, als Linnen daraus zu machen,
und daß diejenigen, welche letzters erwaͤhlen, ſolches blos aus
der Urſache thun, weil ſie die Gelegenheit nicht haben, das
das Garn roh zu verkaufen; oder weil das Linnen auf ein-
mal ein beſſer Stuͤck Geld bringt; oder aber, weil ſie nicht
ſo viel Flachs haben, um ihre Weibsleute den Winter uͤber
mit Spinnen zu beſchaͤftigen, und ſie daher Weben laſſen
muͤſſen, damit ſie die Koſt, welche ihren Gang gehet, in et-
wa bezahlen. Mancher verſteht es auch nicht beſſer; oder
folgt dem Herkommen; oder gedenkt ſein bisgen Hede beſſer
zu nutzen.
Dies waͤre nun die erſte Bilanz. Aber wie ſteht es
jetzt um die 24 Fl. welche ſie dem Hollandsgaͤnger fuͤr Scha-
den am Lande an ſeinem Gewinnſt abziehen? Wenn der fleiſ-
ſige Mann zu Hauſe 40 Wochen am Rade geſeſſen, oder Tag-
lohn verdienet hat: ſo kann er ebenfalls nicht auf ſeinem Acker
geweſen ſeyn. Dieſe fallen alſo aus ihrer Rechnung heraus;
oder wir muͤſſen ſie dem andern auch anrechnen. Wir wollen
das erſte thun, und ſo hat der Hollandsgaͤnger 35 Fl. uͤbrig;
und der Heuermann zu Hauſe bleibt 13 Fl. 14 Stuͤber
ſchuldig.
Ueberhaupt aber ſind die 24 Fl. welche der Hollands-
gaͤnger am Ackerbau Schaden leiden ſoll, zu hoch berechnet.
Er
Möſers patr. Phantaſ. I. Th. H
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/131>, abgerufen am 29.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.