auch gewiß regelmäßiger leben, seine Arbeiten ununterbrochen und gebührender verrichten, und folglich sich und seine Stätte glücklicher machen.
Was fängt nun aber der vierteljährige Unterthan in seinem Hause an? Er fühlet die Mattigkeit seiner erschöpften Kräfte; der Zustand seiner Gesundheit wird wankend, und muß seine eroberten Stüber dem Apotheker, oder wozu er am meisten geneigt ist, einem Quacksalber in die Hände geben, und wird dabey geschneutzet. Er trinket seinen mitgebrachten Thee und Coffee in stiller Ruhe, arbeitet aber nicht mehr, als was er nothwendig thun muß, und die Wohlfahrt seiner Kinder lieget ihm an wenigsten am Herzen, denn die gehört für keinen Vater, sondern allein für die Mutter. Er wird mürrisch und verdrießlich; seine mannbare Jahre haben ihn schon ins graue Alter verfetzet: sein Grab öfnet sich ihm vor der Zeit, und lässet eine junge seufzende Witwe mit vielen Kindern nach, die nicht selten der Gemeinde zur größten Last werden. Würde dieses alles erfolget seyn, wenn er im Lande geblieben wäre, und sich redlich genähret hätte? Woher kommt es doch, daß wir ein so schlechtes Christenthum und Erkennt- niß bey solcher Leute Kindern antreffen, daß wir einen so ver- dorbenen und elenden Acker haben? Woher rühret es, daß der Bauer die Arbeiten seines verwöhnten Knechts mit schwe- rem Gelde aufwiegen muß, oder gar keinen kriegen kann? Was ist die Ursache, daß der Linnenhandel unsers Vaterlan- ders nicht empor kommen kann und so sehr fällt? Wer brin- get die Baurenhöfe in überwiegende Schuldenlasten? Von allen diesen und noch mehrerern Uebeln ist der nach Holland gehende Unterthan der vornehmste und eigentliche Schöpfer.
Die letztern Arbeiter sind die Grasmeher. Diese gehen zu einer Zeit zu dem Holländer, da sie ihre Haus- und Feld-
arbei-
der Oſnabruͤck. Unterth. zu dulden ſey.
auch gewiß regelmaͤßiger leben, ſeine Arbeiten ununterbrochen und gebuͤhrender verrichten, und folglich ſich und ſeine Staͤtte gluͤcklicher machen.
Was faͤngt nun aber der vierteljaͤhrige Unterthan in ſeinem Hauſe an? Er fuͤhlet die Mattigkeit ſeiner erſchoͤpften Kraͤfte; der Zuſtand ſeiner Geſundheit wird wankend, und muß ſeine eroberten Stuͤber dem Apotheker, oder wozu er am meiſten geneigt iſt, einem Quackſalber in die Haͤnde geben, und wird dabey geſchneutzet. Er trinket ſeinen mitgebrachten Thee und Coffee in ſtiller Ruhe, arbeitet aber nicht mehr, als was er nothwendig thun muß, und die Wohlfahrt ſeiner Kinder lieget ihm an wenigſten am Herzen, denn die gehoͤrt fuͤr keinen Vater, ſondern allein fuͤr die Mutter. Er wird muͤrriſch und verdrießlich; ſeine mannbare Jahre haben ihn ſchon ins graue Alter verfetzet: ſein Grab oͤfnet ſich ihm vor der Zeit, und laͤſſet eine junge ſeufzende Witwe mit vielen Kindern nach, die nicht ſelten der Gemeinde zur groͤßten Laſt werden. Wuͤrde dieſes alles erfolget ſeyn, wenn er im Lande geblieben waͤre, und ſich redlich genaͤhret haͤtte? Woher kommt es doch, daß wir ein ſo ſchlechtes Chriſtenthum und Erkennt- niß bey ſolcher Leute Kindern antreffen, daß wir einen ſo ver- dorbenen und elenden Acker haben? Woher ruͤhret es, daß der Bauer die Arbeiten ſeines verwoͤhnten Knechts mit ſchwe- rem Gelde aufwiegen muß, oder gar keinen kriegen kann? Was iſt die Urſache, daß der Linnenhandel unſers Vaterlan- ders nicht empor kommen kann und ſo ſehr faͤllt? Wer brin- get die Baurenhoͤfe in uͤberwiegende Schuldenlaſten? Von allen dieſen und noch mehrerern Uebeln iſt der nach Holland gehende Unterthan der vornehmſte und eigentliche Schoͤpfer.
Die letztern Arbeiter ſind die Grasmeher. Dieſe gehen zu einer Zeit zu dem Hollaͤnder, da ſie ihre Haus- und Feld-
arbei-
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der Oſnabruͤck. Unterth. zu dulden ſey.
auch gewiß regelmaͤßiger leben, ſeine Arbeiten ununterbrochen
und gebuͤhrender verrichten, und folglich ſich und ſeine Staͤtte
gluͤcklicher machen.
Was faͤngt nun aber der vierteljaͤhrige Unterthan in
ſeinem Hauſe an? Er fuͤhlet die Mattigkeit ſeiner erſchoͤpften
Kraͤfte; der Zuſtand ſeiner Geſundheit wird wankend, und
muß ſeine eroberten Stuͤber dem Apotheker, oder wozu er am
meiſten geneigt iſt, einem Quackſalber in die Haͤnde geben,
und wird dabey geſchneutzet. Er trinket ſeinen mitgebrachten
Thee und Coffee in ſtiller Ruhe, arbeitet aber nicht mehr,
als was er nothwendig thun muß, und die Wohlfahrt ſeiner
Kinder lieget ihm an wenigſten am Herzen, denn die gehoͤrt
fuͤr keinen Vater, ſondern allein fuͤr die Mutter. Er wird
muͤrriſch und verdrießlich; ſeine mannbare Jahre haben ihn
ſchon ins graue Alter verfetzet: ſein Grab oͤfnet ſich ihm vor
der Zeit, und laͤſſet eine junge ſeufzende Witwe mit vielen
Kindern nach, die nicht ſelten der Gemeinde zur groͤßten Laſt
werden. Wuͤrde dieſes alles erfolget ſeyn, wenn er im Lande
geblieben waͤre, und ſich redlich genaͤhret haͤtte? Woher kommt
es doch, daß wir ein ſo ſchlechtes Chriſtenthum und Erkennt-
niß bey ſolcher Leute Kindern antreffen, daß wir einen ſo ver-
dorbenen und elenden Acker haben? Woher ruͤhret es, daß
der Bauer die Arbeiten ſeines verwoͤhnten Knechts mit ſchwe-
rem Gelde aufwiegen muß, oder gar keinen kriegen kann?
Was iſt die Urſache, daß der Linnenhandel unſers Vaterlan-
ders nicht empor kommen kann und ſo ſehr faͤllt? Wer brin-
get die Baurenhoͤfe in uͤberwiegende Schuldenlaſten? Von
allen dieſen und noch mehrerern Uebeln iſt der nach Holland
gehende Unterthan der vornehmſte und eigentliche Schoͤpfer.
Die letztern Arbeiter ſind die Grasmeher. Dieſe gehen
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/109>, abgerufen am 16.02.2025.
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