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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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Vorrede.
sich der Reformation nicht so bedienet hatte, wie es
wohl wäre möglich gewesen. Luthers Lehre war der
gemeinen Freyheit günstig. Eine unvorsichtige Anwen-
dung derselben hätte hundert Thomas Münzers erwek-
ken, und dem Kayser die vollkommenste Monarchie
zuwenden können, wenn er die erste Bewegung recht
genutzt, alles Pacht-Lehn- und Zins-wesen im Reiche
gesprengt, die Bauern zu Landeigenthümern gemacht,
und sich ihres wohlgemeinten Wahns gegen ihre Lan-
des-Gerichts- und Guts-herrn bedienet hätte. Allein er
dachte zu gros dazu; und eine solche Unternehmung
würde nachdem der Ausschlag gewesen wäre, die größte
oder treuloseste gewesen seyn.

Jndessen verlohr sich in dieser Periode der alte Be-
grif des Eigenthums völlig; man fühlte es kaum mehr,
daß einer Rechtsgenos seyn müsse, um ein echtes Eigen-
thum zu haben. Eben so gieng es so wohl der hohen
als gemeinen Ehre. Erstere verwandelte sich fast durch-
gehends in Freyheit; und von der letztern: honore qui-
ritario:
haben wir kaum noch Vermuthungen, ohner-
achtet sie der Geist der deutschen Verfassung gewesen,
und ewig bleiben sollen. Religion und Wissenschaf-
ten hoben immer mehr den Menschen über den Bür-
ger, die Rechte der Menschheit siegten über alle be-
dungene und verglichene Rechte. Eine bequeme Phi-
losophie unterstützte die Folgerungen aus allgemeinen
Grundsätzen besser als diejenigen, welche nicht ohne
Gelehrsamkeit und Einsicht gemacht werden konnten.
Und die Menschenliebe ward mit Hülfe der christlichen
Religion eine Tugend, gleich der Bürgerliebe, der-

ge-

Vorrede.
ſich der Reformation nicht ſo bedienet hatte, wie es
wohl waͤre moͤglich geweſen. Luthers Lehre war der
gemeinen Freyheit guͤnſtig. Eine unvorſichtige Anwen-
dung derſelben haͤtte hundert Thomas Muͤnzers erwek-
ken, und dem Kayſer die vollkommenſte Monarchie
zuwenden koͤnnen, wenn er die erſte Bewegung recht
genutzt, alles Pacht-Lehn- und Zins-weſen im Reiche
geſprengt, die Bauern zu Landeigenthuͤmern gemacht,
und ſich ihres wohlgemeinten Wahns gegen ihre Lan-
des-Gerichts- und Guts-herrn bedienet haͤtte. Allein er
dachte zu gros dazu; und eine ſolche Unternehmung
wuͤrde nachdem der Ausſchlag geweſen waͤre, die groͤßte
oder treuloſeſte geweſen ſeyn.

Jndeſſen verlohr ſich in dieſer Periode der alte Be-
grif des Eigenthums voͤllig; man fuͤhlte es kaum mehr,
daß einer Rechtsgenos ſeyn muͤſſe, um ein echtes Eigen-
thum zu haben. Eben ſo gieng es ſo wohl der hohen
als gemeinen Ehre. Erſtere verwandelte ſich faſt durch-
gehends in Freyheit; und von der letztern: honore qui-
ritario:
haben wir kaum noch Vermuthungen, ohner-
achtet ſie der Geiſt der deutſchen Verfaſſung geweſen,
und ewig bleiben ſollen. Religion und Wiſſenſchaf-
ten hoben immer mehr den Menſchen uͤber den Buͤr-
ger, die Rechte der Menſchheit ſiegten uͤber alle be-
dungene und verglichene Rechte. Eine bequeme Phi-
loſophie unterſtuͤtzte die Folgerungen aus allgemeinen
Grundſaͤtzen beſſer als diejenigen, welche nicht ohne
Gelehrſamkeit und Einſicht gemacht werden konnten.
Und die Menſchenliebe ward mit Huͤlfe der chriſtlichen
Religion eine Tugend, gleich der Buͤrgerliebe, der-

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[0024] Vorrede. ſich der Reformation nicht ſo bedienet hatte, wie es wohl waͤre moͤglich geweſen. Luthers Lehre war der gemeinen Freyheit guͤnſtig. Eine unvorſichtige Anwen- dung derſelben haͤtte hundert Thomas Muͤnzers erwek- ken, und dem Kayſer die vollkommenſte Monarchie zuwenden koͤnnen, wenn er die erſte Bewegung recht genutzt, alles Pacht-Lehn- und Zins-weſen im Reiche geſprengt, die Bauern zu Landeigenthuͤmern gemacht, und ſich ihres wohlgemeinten Wahns gegen ihre Lan- des-Gerichts- und Guts-herrn bedienet haͤtte. Allein er dachte zu gros dazu; und eine ſolche Unternehmung wuͤrde nachdem der Ausſchlag geweſen waͤre, die groͤßte oder treuloſeſte geweſen ſeyn. Jndeſſen verlohr ſich in dieſer Periode der alte Be- grif des Eigenthums voͤllig; man fuͤhlte es kaum mehr, daß einer Rechtsgenos ſeyn muͤſſe, um ein echtes Eigen- thum zu haben. Eben ſo gieng es ſo wohl der hohen als gemeinen Ehre. Erſtere verwandelte ſich faſt durch- gehends in Freyheit; und von der letztern: honore qui- ritario: haben wir kaum noch Vermuthungen, ohner- achtet ſie der Geiſt der deutſchen Verfaſſung geweſen, und ewig bleiben ſollen. Religion und Wiſſenſchaf- ten hoben immer mehr den Menſchen uͤber den Buͤr- ger, die Rechte der Menſchheit ſiegten uͤber alle be- dungene und verglichene Rechte. Eine bequeme Phi- loſophie unterſtuͤtzte die Folgerungen aus allgemeinen Grundſaͤtzen beſſer als diejenigen, welche nicht ohne Gelehrſamkeit und Einſicht gemacht werden konnten. Und die Menſchenliebe ward mit Huͤlfe der chriſtlichen Religion eine Tugend, gleich der Buͤrgerliebe, der- ge-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/24>, abgerufen am 21.11.2024.