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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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Osnabrücksche Geschichte
zu seyn; jedoch nur so wie es die Umstände haben
verstatten wollen. Unsre Vorfahren sind also wol
keine Germanier gewesen, ob sie gleich von den Rö-
mern im Anfang so genannt wurden, und jetzt Alle-
mands heissen. Wenigstens muß man dieses voraus
setzen, um das Staats-Jnteresse der Völker zwischen
der Weser und dem Rhein bis auf Carln den Grossen
zu kennen. Bis auf ihn sieht man eine schwebende Li-
nie (b) Deutschland theilen. Der Hercinische Wald
dient erst jenen Germaniern gegen die Cherusker, und
bald den Allemanniern und Franken gegen die Sach-
sen zur natürlichen Vormauer.

(a) Mir ist noch jetzt keine formula foederis germanici bekannt,
wodurch alle Reichs-Stände zu einer verhältnis-mässigen
gleichen Vertheidigung verbunden wären, wenn sie
nicht auf dem Reichs-Tage darin willigen; und würde
es eine Frage seyn, ob durch die Mehrheit der Stim-
men, welche die Stände in Oberdeutschland leicht ma-
chen, ein entfernter Stand in Niederdeutschland zu ei-
ner Hülfe gegen den Türken verbunden werden konnte,
wenn derselbe zum Reichs-Feinde erkläret würde. Daß
bey der Kayserwahl die Mehrheit der Stimmen ent-
scheide, besaget der Churfürstliche Verein vom Jahr 1338.
beym SCHILTER in jur. publ. T. II. tit. 17. p. 122. In
materia defensionis
aber dürfte aus den Land-frieden so
viel nicht zu erzwingen seyn.
(b) Sylva Bacenis pro nativo muro objecta Cheruscos a Suevis;
& Suevos a Cheruscis, injuriis incursionibusque prohibet.
CAES. de B. G. VI.
Diese Anmerkung würde einmal
dem Cäsar nicht entfallen seyn, wenn nicht schon damals
die Sachsen und Schwaben bekannte Feinde gewesen
wären; und hiernechst bleibt diese grosse Scheidung zwi-
schen den Sueven (worunter man in diesem Augenblick
ihre Bundesgenossen die Chatten mit begreifen muß) in
der Folge zwischen den Sachsen und Allemanniern un-

Oſnabruͤckſche Geſchichte
zu ſeyn; jedoch nur ſo wie es die Umſtaͤnde haben
verſtatten wollen. Unſre Vorfahren ſind alſo wol
keine Germanier geweſen, ob ſie gleich von den Roͤ-
mern im Anfang ſo genannt wurden, und jetzt Alle-
mands heiſſen. Wenigſtens muß man dieſes voraus
ſetzen, um das Staats-Jntereſſe der Voͤlker zwiſchen
der Weſer und dem Rhein bis auf Carln den Groſſen
zu kennen. Bis auf ihn ſieht man eine ſchwebende Li-
nie (b) Deutſchland theilen. Der Herciniſche Wald
dient erſt jenen Germaniern gegen die Cherusker, und
bald den Allemanniern und Franken gegen die Sach-
ſen zur natuͤrlichen Vormauer.

(a) Mir iſt noch jetzt keine formula fœderis germanici bekannt,
wodurch alle Reichs-Staͤnde zu einer verhaͤltnis-maͤſſigen
gleichen Vertheidigung verbunden waͤren, wenn ſie
nicht auf dem Reichs-Tage darin willigen; und wuͤrde
es eine Frage ſeyn, ob durch die Mehrheit der Stim-
men, welche die Staͤnde in Oberdeutſchland leicht ma-
chen, ein entfernter Stand in Niederdeutſchland zu ei-
ner Huͤlfe gegen den Tuͤrken verbunden werden konnte,
wenn derſelbe zum Reichs-Feinde erklaͤret wuͤrde. Daß
bey der Kayſerwahl die Mehrheit der Stimmen ent-
ſcheide, beſaget der Churfuͤrſtliche Verein vom Jahr 1338.
beym SCHILTER in jur. publ. T. II. tit. 17. p. 122. In
materia defenſionis
aber duͤrfte aus den Land-frieden ſo
viel nicht zu erzwingen ſeyn.
(b) Sylva Bacenis pro nativo muro objecta Cheruſcos a Suevis;
& Suevos a Cheruſcis, injuriis incurſionibusque prohibet.
CAES. de B. G. VI.
Dieſe Anmerkung wuͤrde einmal
dem Caͤſar nicht entfallen ſeyn, wenn nicht ſchon damals
die Sachſen und Schwaben bekannte Feinde geweſen
waͤren; und hiernechſt bleibt dieſe groſſe Scheidung zwi-
ſchen den Sueven (worunter man in dieſem Augenblick
ihre Bundesgenoſſen die Chatten mit begreifen muß) in
der Folge zwiſchen den Sachſen und Allemanniern un-
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[164/0194] Oſnabruͤckſche Geſchichte zu ſeyn; jedoch nur ſo wie es die Umſtaͤnde haben verſtatten wollen. Unſre Vorfahren ſind alſo wol keine Germanier geweſen, ob ſie gleich von den Roͤ- mern im Anfang ſo genannt wurden, und jetzt Alle- mands heiſſen. Wenigſtens muß man dieſes voraus ſetzen, um das Staats-Jntereſſe der Voͤlker zwiſchen der Weſer und dem Rhein bis auf Carln den Groſſen zu kennen. Bis auf ihn ſieht man eine ſchwebende Li- nie ⁽b⁾ Deutſchland theilen. Der Herciniſche Wald dient erſt jenen Germaniern gegen die Cherusker, und bald den Allemanniern und Franken gegen die Sach- ſen zur natuͤrlichen Vormauer. ⁽a⁾ Mir iſt noch jetzt keine formula fœderis germanici bekannt, wodurch alle Reichs-Staͤnde zu einer verhaͤltnis-maͤſſigen gleichen Vertheidigung verbunden waͤren, wenn ſie nicht auf dem Reichs-Tage darin willigen; und wuͤrde es eine Frage ſeyn, ob durch die Mehrheit der Stim- men, welche die Staͤnde in Oberdeutſchland leicht ma- chen, ein entfernter Stand in Niederdeutſchland zu ei- ner Huͤlfe gegen den Tuͤrken verbunden werden konnte, wenn derſelbe zum Reichs-Feinde erklaͤret wuͤrde. Daß bey der Kayſerwahl die Mehrheit der Stimmen ent- ſcheide, beſaget der Churfuͤrſtliche Verein vom Jahr 1338. beym SCHILTER in jur. publ. T. II. tit. 17. p. 122. In materia defenſionis aber duͤrfte aus den Land-frieden ſo viel nicht zu erzwingen ſeyn. ⁽b⁾ Sylva Bacenis pro nativo muro objecta Cheruſcos a Suevis; & Suevos a Cheruſcis, injuriis incurſionibusque prohibet. CAES. de B. G. VI. Dieſe Anmerkung wuͤrde einmal dem Caͤſar nicht entfallen ſeyn, wenn nicht ſchon damals die Sachſen und Schwaben bekannte Feinde geweſen waͤren; und hiernechſt bleibt dieſe groſſe Scheidung zwi- ſchen den Sueven (worunter man in dieſem Augenblick ihre Bundesgenoſſen die Chatten mit begreifen muß) in der Folge zwiſchen den Sachſen und Allemanniern un- ver-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/194>, abgerufen am 28.11.2024.