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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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Osnabrücksche Geschichte
und Kammer. Jede zufällige Arbeit bleibt in der
Kette der übrigen. So wie das Vieh gefüttert, und
die Dresche gewandt ist, ruht sie wieder hinter ihrem
Spinnrade. Diese vereinigten Vortheile machen,
daß die Bauern lieber beym Heerde als in der Stube
sitzen. (a) Ein rings herum niedrig abhangendes
Stroh-Dach schützt die allzeit schwachen Wände,
wärmt Haus und Vieh, und wird mit leichter Mühe
von ihnen selbst ausgebessert. Ein grosses Vordach
schützt das Haus nach Westen, und deckt zugleich den
Schwein-koben. Und um endlich nichts zu verlieren
liegt der Mistfahl vor der Ausfarth, wo angespannet
wird. Jch erwehne dieser Vortheile mit Fleiß, um
die Ueppigkeit abzuhalten, sich bequemer anzubauen,
und jene wichtige Vortheile zu verfehlen. Die blosse
Absonderung des Heerdes (b) worauf man leicht ver-
fällt, wirft alle diese grossen Absichten und Gesetze zu
Boden. Bey einem Bauern muß die Nothdurft der
Zierde vorgehen.

(a) Jn manchen Ländern hat ein Bauren-Haus gegen alle
vier Winde weitläufige Wände, viele Dächer, Ställe
und Scheuren, und der Wirth nebst einem Scheuren-
Vogt reichen oft nicht hin die Aufsicht an allen Orten zu
thun. Die Wirthin sitzt in einer Stube, und muß bey
jeder Eröfnung der Thür ihren Stuhl verlassen. Des
Abends kömmt das Gesinde aus der Luft in die Stube,
und schläft nach einer nothwendigen Folge beym Ofen ein.
(b) Man wollte solche unlängst durch eine allgemeine Ver-
ordnung einführen, um die Gefahr vor Feuer zu ver-
meiden. Schwerlich aber ist ein Exempel anzugeben,
daß die Diele vom Heerde Feuer gefangen habe, und
wenn auch jährlich eine Feuersbrunst daher entstünde:
so würde dieses Unglück in Vergleichung jener Vortheile
keine Rücksicht verdienen.
Drit-

Oſnabruͤckſche Geſchichte
und Kammer. Jede zufaͤllige Arbeit bleibt in der
Kette der uͤbrigen. So wie das Vieh gefuͤttert, und
die Dreſche gewandt iſt, ruht ſie wieder hinter ihrem
Spinnrade. Dieſe vereinigten Vortheile machen,
daß die Bauern lieber beym Heerde als in der Stube
ſitzen. (a) Ein rings herum niedrig abhangendes
Stroh-Dach ſchuͤtzt die allzeit ſchwachen Waͤnde,
waͤrmt Haus und Vieh, und wird mit leichter Muͤhe
von ihnen ſelbſt ausgebeſſert. Ein groſſes Vordach
ſchuͤtzt das Haus nach Weſten, und deckt zugleich den
Schwein-koben. Und um endlich nichts zu verlieren
liegt der Miſtfahl vor der Ausfarth, wo angeſpannet
wird. Jch erwehne dieſer Vortheile mit Fleiß, um
die Ueppigkeit abzuhalten, ſich bequemer anzubauen,
und jene wichtige Vortheile zu verfehlen. Die bloſſe
Abſonderung des Heerdes (b) worauf man leicht ver-
faͤllt, wirft alle dieſe groſſen Abſichten und Geſetze zu
Boden. Bey einem Bauern muß die Nothdurft der
Zierde vorgehen.

(a) Jn manchen Laͤndern hat ein Bauren-Haus gegen alle
vier Winde weitlaͤufige Waͤnde, viele Daͤcher, Staͤlle
und Scheuren, und der Wirth nebſt einem Scheuren-
Vogt reichen oft nicht hin die Aufſicht an allen Orten zu
thun. Die Wirthin ſitzt in einer Stube, und muß bey
jeder Eroͤfnung der Thuͤr ihren Stuhl verlaſſen. Des
Abends koͤmmt das Geſinde aus der Luft in die Stube,
und ſchlaͤft nach einer nothwendigen Folge beym Ofen ein.
(b) Man wollte ſolche unlaͤngſt durch eine allgemeine Ver-
ordnung einfuͤhren, um die Gefahr vor Feuer zu ver-
meiden. Schwerlich aber iſt ein Exempel anzugeben,
daß die Diele vom Heerde Feuer gefangen habe, und
wenn auch jaͤhrlich eine Feuersbrunſt daher entſtuͤnde:
ſo wuͤrde dieſes Ungluͤck in Vergleichung jener Vortheile
keine Ruͤckſicht verdienen.
Drit-
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[152/0182] Oſnabruͤckſche Geſchichte und Kammer. Jede zufaͤllige Arbeit bleibt in der Kette der uͤbrigen. So wie das Vieh gefuͤttert, und die Dreſche gewandt iſt, ruht ſie wieder hinter ihrem Spinnrade. Dieſe vereinigten Vortheile machen, daß die Bauern lieber beym Heerde als in der Stube ſitzen. ⁽a⁾ Ein rings herum niedrig abhangendes Stroh-Dach ſchuͤtzt die allzeit ſchwachen Waͤnde, waͤrmt Haus und Vieh, und wird mit leichter Muͤhe von ihnen ſelbſt ausgebeſſert. Ein groſſes Vordach ſchuͤtzt das Haus nach Weſten, und deckt zugleich den Schwein-koben. Und um endlich nichts zu verlieren liegt der Miſtfahl vor der Ausfarth, wo angeſpannet wird. Jch erwehne dieſer Vortheile mit Fleiß, um die Ueppigkeit abzuhalten, ſich bequemer anzubauen, und jene wichtige Vortheile zu verfehlen. Die bloſſe Abſonderung des Heerdes ⁽b⁾ worauf man leicht ver- faͤllt, wirft alle dieſe groſſen Abſichten und Geſetze zu Boden. Bey einem Bauern muß die Nothdurft der Zierde vorgehen. ⁽a⁾ Jn manchen Laͤndern hat ein Bauren-Haus gegen alle vier Winde weitlaͤufige Waͤnde, viele Daͤcher, Staͤlle und Scheuren, und der Wirth nebſt einem Scheuren- Vogt reichen oft nicht hin die Aufſicht an allen Orten zu thun. Die Wirthin ſitzt in einer Stube, und muß bey jeder Eroͤfnung der Thuͤr ihren Stuhl verlaſſen. Des Abends koͤmmt das Geſinde aus der Luft in die Stube, und ſchlaͤft nach einer nothwendigen Folge beym Ofen ein. ⁽b⁾ Man wollte ſolche unlaͤngſt durch eine allgemeine Ver- ordnung einfuͤhren, um die Gefahr vor Feuer zu ver- meiden. Schwerlich aber iſt ein Exempel anzugeben, daß die Diele vom Heerde Feuer gefangen habe, und wenn auch jaͤhrlich eine Feuersbrunſt daher entſtuͤnde: ſo wuͤrde dieſes Ungluͤck in Vergleichung jener Vortheile keine Ruͤckſicht verdienen. Drit-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/182>, abgerufen am 26.11.2024.