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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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zweyter Abschnitt.
eigne Kinder zu ernähren. Daher kömmt selten ein
freyer Hof auf den vierten Erben.

(a) Dies ist ein wahres Unglück welches den Land-eigenthü-
mer, wie den Edelmann zu Grunde richtet. Noch vor
zweyhundert Jahren wuste man bey den einem so wenig
als bey dem andern, etwas von Gleich-theilungen,
Pflicht-theilen und dergleichen. Jn Sachen Gerdrut
v. d. Bussche Wittwen von Cracht, contra weyland Cla-
mor v. d. Bussche nachgel. Wittwe und Kinder sind 1593,
170 Münsterische, Osnabrückische und benachbarte Dom-
capitularen, Edelleute, Edelfrauen und Richter über die
Gewohnheit der adlichen Absteuern von der Fürstl. Ge-
neral Commission eidlich vernommen worden, welche al-
le sagen: 600 bis 1000 Goldgülden wären so zu ihrer
Zeit die gröste Absteuer einer adlichen Tochter gewesen;
deren Verbesserung die Eltern niemals durch Testamen-
te verordnet hätten, weil sie dergleichen nicht gemacht,
und dem Land-Rechte seinen Lauf gelassen hätten, wenn
Kinder vorhanden gewesen wären. Daß man jetzt andre
Meinungen, Moden, Pflicht-theile und Testamente hat,
ist zum Theil die Folge einer entdeckten neuen Welt.
Denn von der Zeit an, da man viel Geld besitzen und
auch vieles schuldig seyn konnte, datirt sich die Unbillig-
keit worinn abgehende jüngere Söhne und Töchter ihre
Forderung, oder Eltern ihre Befugniß ihnen ein meh-
rers zuzulegen gründen. Manches Römische Recht in
Ansehung der Erbschaften entstand erst bey der Zunahme
des baaren Reichthums; und sollte nicht gelten, wo
liegendes Vermögen die ganze Erbschaft ausmacht.
Das gemeine Beste erfordert, daß der Land-eigenthümer
im Stande bleibe; und die Gerichts-Höfe sollten die
Auslobungen abgehender Kinder, so wie jetzt geschieht,
nicht begünstigen; am allerwenigsten aber freye Güter
gegen den höchsten Bot anschlagen, und unter Kindern
darnach theilen lassen. Der Krieg von 1758 bis 1762
hat gewiesen wie wenig das durch die Auslobungen ent-
kräftete liegende Gut, den öffentlichen Lasten gewachsen

zweyter Abſchnitt.
eigne Kinder zu ernaͤhren. Daher koͤmmt ſelten ein
freyer Hof auf den vierten Erben.

(a) Dies iſt ein wahres Ungluͤck welches den Land-eigenthuͤ-
mer, wie den Edelmann zu Grunde richtet. Noch vor
zweyhundert Jahren wuſte man bey den einem ſo wenig
als bey dem andern, etwas von Gleich-theilungen,
Pflicht-theilen und dergleichen. Jn Sachen Gerdrut
v. d. Buſſche Wittwen von Cracht, contra weyland Cla-
mor v. d. Buſſche nachgel. Wittwe und Kinder ſind 1593,
170 Muͤnſteriſche, Oſnabruͤckiſche und benachbarte Dom-
capitularen, Edelleute, Edelfrauen und Richter uͤber die
Gewohnheit der adlichen Abſteuern von der Fuͤrſtl. Ge-
neral Commiſſion eidlich vernommen worden, welche al-
le ſagen: 600 bis 1000 Goldguͤlden waͤren ſo zu ihrer
Zeit die groͤſte Abſteuer einer adlichen Tochter geweſen;
deren Verbeſſerung die Eltern niemals durch Teſtamen-
te verordnet haͤtten, weil ſie dergleichen nicht gemacht,
und dem Land-Rechte ſeinen Lauf gelaſſen haͤtten, wenn
Kinder vorhanden geweſen waͤren. Daß man jetzt andre
Meinungen, Moden, Pflicht-theile und Teſtamente hat,
iſt zum Theil die Folge einer entdeckten neuen Welt.
Denn von der Zeit an, da man viel Geld beſitzen und
auch vieles ſchuldig ſeyn konnte, datirt ſich die Unbillig-
keit worinn abgehende juͤngere Soͤhne und Toͤchter ihre
Forderung, oder Eltern ihre Befugniß ihnen ein meh-
rers zuzulegen gruͤnden. Manches Roͤmiſche Recht in
Anſehung der Erbſchaften entſtand erſt bey der Zunahme
des baaren Reichthums; und ſollte nicht gelten, wo
liegendes Vermoͤgen die ganze Erbſchaft ausmacht.
Das gemeine Beſte erfordert, daß der Land-eigenthuͤmer
im Stande bleibe; und die Gerichts-Hoͤfe ſollten die
Auslobungen abgehender Kinder, ſo wie jetzt geſchieht,
nicht beguͤnſtigen; am allerwenigſten aber freye Guͤter
gegen den hoͤchſten Bot anſchlagen, und unter Kindern
darnach theilen laſſen. Der Krieg von 1758 bis 1762
hat gewieſen wie wenig das durch die Auslobungen ent-
kraͤftete liegende Gut, den oͤffentlichen Laſten gewachſen
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[141/0171] zweyter Abſchnitt. eigne Kinder zu ernaͤhren. Daher koͤmmt ſelten ein freyer Hof auf den vierten Erben. ⁽a⁾ Dies iſt ein wahres Ungluͤck welches den Land-eigenthuͤ- mer, wie den Edelmann zu Grunde richtet. Noch vor zweyhundert Jahren wuſte man bey den einem ſo wenig als bey dem andern, etwas von Gleich-theilungen, Pflicht-theilen und dergleichen. Jn Sachen Gerdrut v. d. Buſſche Wittwen von Cracht, contra weyland Cla- mor v. d. Buſſche nachgel. Wittwe und Kinder ſind 1593, 170 Muͤnſteriſche, Oſnabruͤckiſche und benachbarte Dom- capitularen, Edelleute, Edelfrauen und Richter uͤber die Gewohnheit der adlichen Abſteuern von der Fuͤrſtl. Ge- neral Commiſſion eidlich vernommen worden, welche al- le ſagen: 600 bis 1000 Goldguͤlden waͤren ſo zu ihrer Zeit die groͤſte Abſteuer einer adlichen Tochter geweſen; deren Verbeſſerung die Eltern niemals durch Teſtamen- te verordnet haͤtten, weil ſie dergleichen nicht gemacht, und dem Land-Rechte ſeinen Lauf gelaſſen haͤtten, wenn Kinder vorhanden geweſen waͤren. Daß man jetzt andre Meinungen, Moden, Pflicht-theile und Teſtamente hat, iſt zum Theil die Folge einer entdeckten neuen Welt. Denn von der Zeit an, da man viel Geld beſitzen und auch vieles ſchuldig ſeyn konnte, datirt ſich die Unbillig- keit worinn abgehende juͤngere Soͤhne und Toͤchter ihre Forderung, oder Eltern ihre Befugniß ihnen ein meh- rers zuzulegen gruͤnden. Manches Roͤmiſche Recht in Anſehung der Erbſchaften entſtand erſt bey der Zunahme des baaren Reichthums; und ſollte nicht gelten, wo liegendes Vermoͤgen die ganze Erbſchaft ausmacht. Das gemeine Beſte erfordert, daß der Land-eigenthuͤmer im Stande bleibe; und die Gerichts-Hoͤfe ſollten die Auslobungen abgehender Kinder, ſo wie jetzt geſchieht, nicht beguͤnſtigen; am allerwenigſten aber freye Guͤter gegen den hoͤchſten Bot anſchlagen, und unter Kindern darnach theilen laſſen. Der Krieg von 1758 bis 1762 hat gewieſen wie wenig das durch die Auslobungen ent- kraͤftete liegende Gut, den oͤffentlichen Laſten gewachſen war;

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/171>, abgerufen am 25.11.2024.