Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.erster Abschnitt. welche zur National-Versamlung kamen. Alles waseinem Herrn angehörte, oder unter irgend einer Ge- walt, Hut, Pflege und Schutz stand, konnte darin unmöglich erscheinen, so lange die gemeine Vertheidi- gung dem Grunde anklebete. Oder Feste und Eigen- thum hätten gleiche Lasten tragen; und einerley Güter gleichsam mehrmalen versteuret werden müssen. Ein Mann hätte auch seine Knechte, Kinder und Freygelasse- ne, welche ihm zu Dienst und Dankbarkeit verpflichtet waren, für seine Richter erkennen; und seine Wohl- fahrt der Mehrheit knechtischer Stimmen unterwerfen müssen; eine Unanständigkeit wovor alle freye Völker jederzeit einen Abscheu (a) geheget haben. (a) Ehe die Römer Geld hatten und jeder Bürger noch von seiner Wort-Stätte dienen muste; war es etwas grosses Bürger zu seyn. So bald man Sold ausgeben konnte und Leute nöthig hatte; wurde es leichter Bürger zu werden; und man gab den Freyen Wachszinsi- gen und Hode-Leuten, libertinis latinis & dedititiis, bald Stadt-Recht; Wie zuletzt die ganze Armee aus Söldnern bestand; wurde die Wort-Stätte ganz ver- dunkelt; und alles was man nöthig hatte mit dem Bür- ger Recht beschenkt. Eben so geht es uns mit unsern Soldaten. Für Sold gehn zehn Söhne von einem Ho- fe in den Krieg. Wenn sie aber vom Hofe dienen müsten: so würde ein Vater vieler Kinder der unglück- lichste seyn. Der Gebrauch des Geldes; und die Ver- wandlung des Natural-Heer-Dienstes in Geld-Steuren, hat unser ganzes System verändert. §. 45. Wahrscheinliche Ursachen des ältesten Leib-Eigenthums. Die ersten Knechte (a) sind wol im Hause geboh- ren; F 3
erſter Abſchnitt. welche zur National-Verſamlung kamen. Alles waseinem Herrn angehoͤrte, oder unter irgend einer Ge- walt, Hut, Pflege und Schutz ſtand, konnte darin unmoͤglich erſcheinen, ſo lange die gemeine Vertheidi- gung dem Grunde anklebete. Oder Feſte und Eigen- thum haͤtten gleiche Laſten tragen; und einerley Guͤter gleichſam mehrmalen verſteuret werden muͤſſen. Ein Mann haͤtte auch ſeine Knechte, Kinder und Freygelaſſe- ne, welche ihm zu Dienſt und Dankbarkeit verpflichtet waren, fuͤr ſeine Richter erkennen; und ſeine Wohl- fahrt der Mehrheit knechtiſcher Stimmen unterwerfen muͤſſen; eine Unanſtaͤndigkeit wovor alle freye Voͤlker jederzeit einen Abſcheu (a) geheget haben. (a) Ehe die Roͤmer Geld hatten und jeder Buͤrger noch von ſeiner Wort-Staͤtte dienen muſte; war es etwas groſſes Buͤrger zu ſeyn. So bald man Sold ausgeben konnte und Leute noͤthig hatte; wurde es leichter Buͤrger zu werden; und man gab den Freyen Wachszinſi- gen und Hode-Leuten, libertinis latinis & dedititiis, bald Stadt-Recht; Wie zuletzt die ganze Armee aus Soͤldnern beſtand; wurde die Wort-Staͤtte ganz ver- dunkelt; und alles was man noͤthig hatte mit dem Buͤr- ger Recht beſchenkt. Eben ſo geht es uns mit unſern Soldaten. Fuͤr Sold gehn zehn Soͤhne von einem Ho- fe in den Krieg. Wenn ſie aber vom Hofe dienen muͤſten: ſo wuͤrde ein Vater vieler Kinder der ungluͤck- lichſte ſeyn. Der Gebrauch des Geldes; und die Ver- wandlung des Natural-Heer-Dienſtes in Geld-Steuren, hat unſer ganzes Syſtem veraͤndert. §. 45. Wahrſcheinliche Urſachen des aͤlteſten Leib-Eigenthums. Die erſten Knechte (a) ſind wol im Hauſe geboh- ren; F 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0115" n="85"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">erſter Abſchnitt.</hi></fw><lb/> welche zur National-Verſamlung kamen. Alles was<lb/> einem Herrn angehoͤrte, oder unter irgend einer Ge-<lb/> walt, Hut, Pflege und Schutz ſtand, konnte darin<lb/> unmoͤglich erſcheinen, ſo lange die gemeine Vertheidi-<lb/> gung dem Grunde anklebete. Oder Feſte und Eigen-<lb/> thum haͤtten gleiche Laſten tragen; und einerley Guͤter<lb/> gleichſam mehrmalen verſteuret werden muͤſſen. Ein<lb/> Mann haͤtte auch ſeine Knechte, Kinder und Freygelaſſe-<lb/> ne, welche ihm zu Dienſt und Dankbarkeit verpflichtet<lb/> waren, fuͤr ſeine Richter erkennen; und ſeine Wohl-<lb/> fahrt der Mehrheit knechtiſcher Stimmen unterwerfen<lb/> muͤſſen; eine Unanſtaͤndigkeit wovor alle freye Voͤlker<lb/> jederzeit einen Abſcheu <note place="end" n="(a)"/> geheget haben.</p><lb/> <note place="end" n="(a)">Ehe die Roͤmer Geld hatten und jeder Buͤrger noch von<lb/> ſeiner Wort-Staͤtte dienen muſte; war es etwas groſſes<lb/><hi rendition="#fr">Buͤrger</hi> zu ſeyn. So bald man <hi rendition="#fr">Sold</hi> ausgeben<lb/> konnte und Leute noͤthig hatte; wurde es leichter Buͤrger<lb/> zu werden; und man gab den <hi rendition="#fr">Freyen Wachszinſi-<lb/> gen</hi> und <hi rendition="#fr">Hode-Leuten,</hi> <hi rendition="#aq">libertinis latinis & dedititiis,</hi><lb/> bald Stadt-Recht; Wie zuletzt die ganze Armee aus<lb/><hi rendition="#fr">Soͤldnern</hi> beſtand; wurde die Wort-Staͤtte ganz ver-<lb/> dunkelt; und alles was man noͤthig hatte mit dem Buͤr-<lb/> ger Recht beſchenkt. Eben ſo geht es uns mit unſern<lb/> Soldaten. Fuͤr Sold gehn zehn Soͤhne von einem Ho-<lb/> fe in den Krieg. Wenn ſie aber <hi rendition="#fr">vom Hofe</hi> dienen<lb/> muͤſten: ſo wuͤrde ein Vater vieler Kinder der ungluͤck-<lb/> lichſte ſeyn. Der Gebrauch des Geldes; und die Ver-<lb/> wandlung des Natural-Heer-Dienſtes in Geld-Steuren,<lb/> hat unſer ganzes Syſtem veraͤndert.</note> </div><lb/> <div n="2"> <head>§. 45.<lb/><hi rendition="#b">Wahrſcheinliche Urſachen des aͤlteſten<lb/> Leib-Eigenthums.</hi></head><lb/> <p>Die erſten Knechte <note place="end" n="(a)"/> ſind wol <hi rendition="#fr">im Hauſe</hi> geboh-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ren;</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0115]
erſter Abſchnitt.
welche zur National-Verſamlung kamen. Alles was
einem Herrn angehoͤrte, oder unter irgend einer Ge-
walt, Hut, Pflege und Schutz ſtand, konnte darin
unmoͤglich erſcheinen, ſo lange die gemeine Vertheidi-
gung dem Grunde anklebete. Oder Feſte und Eigen-
thum haͤtten gleiche Laſten tragen; und einerley Guͤter
gleichſam mehrmalen verſteuret werden muͤſſen. Ein
Mann haͤtte auch ſeine Knechte, Kinder und Freygelaſſe-
ne, welche ihm zu Dienſt und Dankbarkeit verpflichtet
waren, fuͤr ſeine Richter erkennen; und ſeine Wohl-
fahrt der Mehrheit knechtiſcher Stimmen unterwerfen
muͤſſen; eine Unanſtaͤndigkeit wovor alle freye Voͤlker
jederzeit einen Abſcheu
⁽a⁾
geheget haben.
⁽a⁾ Ehe die Roͤmer Geld hatten und jeder Buͤrger noch von
ſeiner Wort-Staͤtte dienen muſte; war es etwas groſſes
Buͤrger zu ſeyn. So bald man Sold ausgeben
konnte und Leute noͤthig hatte; wurde es leichter Buͤrger
zu werden; und man gab den Freyen Wachszinſi-
gen und Hode-Leuten, libertinis latinis & dedititiis,
bald Stadt-Recht; Wie zuletzt die ganze Armee aus
Soͤldnern beſtand; wurde die Wort-Staͤtte ganz ver-
dunkelt; und alles was man noͤthig hatte mit dem Buͤr-
ger Recht beſchenkt. Eben ſo geht es uns mit unſern
Soldaten. Fuͤr Sold gehn zehn Soͤhne von einem Ho-
fe in den Krieg. Wenn ſie aber vom Hofe dienen
muͤſten: ſo wuͤrde ein Vater vieler Kinder der ungluͤck-
lichſte ſeyn. Der Gebrauch des Geldes; und die Ver-
wandlung des Natural-Heer-Dienſtes in Geld-Steuren,
hat unſer ganzes Syſtem veraͤndert.
§. 45.
Wahrſcheinliche Urſachen des aͤlteſten
Leib-Eigenthums.
Die erſten Knechte
⁽a⁾
ſind wol im Hauſe geboh-
ren;
F 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/115 |
Zitationshilfe: | Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/115>, abgerufen am 16.07.2024. |