Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.von selbst in Melodieen auflösen würden, mit einem Hier lieg' ich auf dem Frühlingshügel, Die Wolke wird mein Flügel, Ein Vogel fliegt mir voraus. -- Ach sag' mir, alleinzige Liebe, Wo du bleibst, daß ich bei dir bliebe! Doch du und die Lüfte haben kein Haus. Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüthe offen, Sehnend Sich dehnend In Lieben und in Hoffen. Frühling, was bist du gewillt? Wann werd ich gestillt? Die Wolke seh' ich wandeln und den Fluß, Es dringt der Sonne goldner Kuß Mir tief bis in's Geblüt hinein; Die Augen, wunderbar berauschet, Thun als schliefen sie ein, Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet. Ich denke dieß und denke das, Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was; Halb ist es Lust, halb ist es Klage. Mein Herz, o sage, Was webst du für Erinnerung In golden grüner Zweige Dämmerung? Alte, unnennbare Tage! Aber nicht allzulange konnte sich das Gefühl un- von ſelbſt in Melodieen auflöſen würden, mit einem Hier lieg’ ich auf dem Frühlingshügel, Die Wolke wird mein Flügel, Ein Vogel fliegt mir voraus. — Ach ſag’ mir, alleinzige Liebe, Wo du bleibſt, daß ich bei dir bliebe! Doch du und die Lüfte haben kein Haus. Der Sonnenblume gleich ſteht mein Gemüthe offen, Sehnend Sich dehnend In Lieben und in Hoffen. Frühling, was biſt du gewillt? Wann werd ich geſtillt? Die Wolke ſeh’ ich wandeln und den Fluß, Es dringt der Sonne goldner Kuß Mir tief bis in’s Geblüt hinein; Die Augen, wunderbar berauſchet, Thun als ſchliefen ſie ein, Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauſchet. Ich denke dieß und denke das, Ich ſehne mich, und weiß nicht recht, nach was; Halb iſt es Luſt, halb iſt es Klage. Mein Herz, o ſage, Was webſt du für Erinnerung In golden grüner Zweige Dämmerung? Alte, unnennbare Tage! Aber nicht allzulange konnte ſich das Gefühl un- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0080" n="394"/> von ſelbſt in Melodieen auflöſen würden, mit einem<lb/> liebevollen Klang zu Hülfe kommen.</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Hier lieg’ ich auf dem Frühlingshügel,</l><lb/> <l>Die Wolke wird mein Flügel,</l><lb/> <l>Ein Vogel fliegt mir voraus.</l><lb/> <l>— Ach ſag’ mir, alleinzige Liebe,</l><lb/> <l>Wo <hi rendition="#g">du</hi> bleibſt, daß ich bei dir bliebe!</l><lb/> <l>Doch du und die Lüfte haben kein Haus.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der Sonnenblume gleich ſteht mein Gemüthe offen,</l><lb/> <l>Sehnend</l><lb/> <l>Sich dehnend</l><lb/> <l>In Lieben und in Hoffen.</l><lb/> <l>Frühling, was biſt du gewillt?</l><lb/> <l>Wann werd ich geſtillt?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Die Wolke ſeh’ ich wandeln und den Fluß,</l><lb/> <l>Es dringt der Sonne goldner Kuß</l><lb/> <l>Mir tief bis in’s Geblüt hinein;</l><lb/> <l>Die Augen, wunderbar berauſchet,</l><lb/> <l>Thun als ſchliefen ſie ein,</l><lb/> <l>Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauſchet.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Ich denke dieß und denke das,</l><lb/> <l>Ich ſehne mich, und weiß nicht recht, nach was;</l><lb/> <l>Halb iſt es Luſt, halb iſt es Klage.</l><lb/> <l>Mein Herz, o ſage,</l><lb/> <l>Was webſt du für Erinnerung</l><lb/> <l>In golden grüner Zweige Dämmerung?</l><lb/> <l>Alte, unnennbare Tage!</l> </lg> </lg><lb/> <p>Aber nicht allzulange konnte ſich das Gefühl un-<lb/> ſeres Freundes in ſo allgemeinem Zuge halten. Er<lb/> nahm eine alte Locke <hi rendition="#g">Agneſens</hi> vor ſich, es lag ne-<lb/> ben ihm im Graſe blitzend das koſtbare Collier der<lb/> Gräfin (denn dieß war der Inhalt jenes zierlichen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [394/0080]
von ſelbſt in Melodieen auflöſen würden, mit einem
liebevollen Klang zu Hülfe kommen.
Hier lieg’ ich auf dem Frühlingshügel,
Die Wolke wird mein Flügel,
Ein Vogel fliegt mir voraus.
— Ach ſag’ mir, alleinzige Liebe,
Wo du bleibſt, daß ich bei dir bliebe!
Doch du und die Lüfte haben kein Haus.
Der Sonnenblume gleich ſteht mein Gemüthe offen,
Sehnend
Sich dehnend
In Lieben und in Hoffen.
Frühling, was biſt du gewillt?
Wann werd ich geſtillt?
Die Wolke ſeh’ ich wandeln und den Fluß,
Es dringt der Sonne goldner Kuß
Mir tief bis in’s Geblüt hinein;
Die Augen, wunderbar berauſchet,
Thun als ſchliefen ſie ein,
Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauſchet.
Ich denke dieß und denke das,
Ich ſehne mich, und weiß nicht recht, nach was;
Halb iſt es Luſt, halb iſt es Klage.
Mein Herz, o ſage,
Was webſt du für Erinnerung
In golden grüner Zweige Dämmerung?
Alte, unnennbare Tage!
Aber nicht allzulange konnte ſich das Gefühl un-
ſeres Freundes in ſo allgemeinem Zuge halten. Er
nahm eine alte Locke Agneſens vor ſich, es lag ne-
ben ihm im Graſe blitzend das koſtbare Collier der
Gräfin (denn dieß war der Inhalt jenes zierlichen
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/80>, abgerufen am 23.07.2024. |