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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Gärtner und selbst der blinde Henni waren noch im-
mer außen, so daß man endlich um diese besorgt zu
werden anfing. Niemand im Schlosse dachte daran,
sich schlafen zu legen. Der Präsident stellte die Muth-
maßung auf, daß Agnes irgend einen Weg nach
ihrer Heimath eingeschlagen und, je nachdem sie zeitig
genug sich von hier weggemacht hätte, bereits einen
bedeutenden Vorsprung gewonnen haben dürfte, ehe
die Späher ausgegangen; für ihr Leben zu fürchten,
sey kein Grund vorhanden, es stünde vielmehr zu er-
warten, daß sie unterwegs als verdächtig aufgegrif-
fen und öffentlich Anstalt würde getroffen werden, sie
in ihren Geburtsort zu bringen. Nannette dachte
sich in diesem Fall die Ankunft der Unglücklichen im
väterlichen Hause beinahe schrecklicher als Alles; und
doch, wenn man sie nur übrigens wohlbehalten den
Armen des Vaters überliefert denken durfte, so ließ
sich ja von hier an wieder neue Hoffnung schöpfen.
Allein mit welchem Herzen mußte man der Rückkehr
des Malers entgegensehen, wenn sich bis dahin nichts
entschieden haben sollte! -- Margot hielt die Ver-
muthung nicht zurück, daß die Zigeunerin auch dieß-
mal die verderbliche Hand mit im Spiele habe. Dieß
Alles sprach und wog man hin und her, bis keine
Möglichkeit mehr übrig zu seyn schien, das Schlimmste
aber getraute man sich kaum zu denken, geschweige
auszusprechen. Zulezt entstand eine düstere Stille.
In den verschiedenen Zimmern brannte hie nnd da eine

Gärtner und ſelbſt der blinde Henni waren noch im-
mer außen, ſo daß man endlich um dieſe beſorgt zu
werden anfing. Niemand im Schloſſe dachte daran,
ſich ſchlafen zu legen. Der Präſident ſtellte die Muth-
maßung auf, daß Agnes irgend einen Weg nach
ihrer Heimath eingeſchlagen und, je nachdem ſie zeitig
genug ſich von hier weggemacht hätte, bereits einen
bedeutenden Vorſprung gewonnen haben dürfte, ehe
die Späher ausgegangen; für ihr Leben zu fürchten,
ſey kein Grund vorhanden, es ſtünde vielmehr zu er-
warten, daß ſie unterwegs als verdächtig aufgegrif-
fen und öffentlich Anſtalt würde getroffen werden, ſie
in ihren Geburtsort zu bringen. Nannette dachte
ſich in dieſem Fall die Ankunft der Unglücklichen im
väterlichen Hauſe beinahe ſchrecklicher als Alles; und
doch, wenn man ſie nur übrigens wohlbehalten den
Armen des Vaters überliefert denken durfte, ſo ließ
ſich ja von hier an wieder neue Hoffnung ſchöpfen.
Allein mit welchem Herzen mußte man der Rückkehr
des Malers entgegenſehen, wenn ſich bis dahin nichts
entſchieden haben ſollte! — Margot hielt die Ver-
muthung nicht zurück, daß die Zigeunerin auch dieß-
mal die verderbliche Hand mit im Spiele habe. Dieß
Alles ſprach und wog man hin und her, bis keine
Möglichkeit mehr übrig zu ſeyn ſchien, das Schlimmſte
aber getraute man ſich kaum zu denken, geſchweige
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[622/0308] Gärtner und ſelbſt der blinde Henni waren noch im- mer außen, ſo daß man endlich um dieſe beſorgt zu werden anfing. Niemand im Schloſſe dachte daran, ſich ſchlafen zu legen. Der Präſident ſtellte die Muth- maßung auf, daß Agnes irgend einen Weg nach ihrer Heimath eingeſchlagen und, je nachdem ſie zeitig genug ſich von hier weggemacht hätte, bereits einen bedeutenden Vorſprung gewonnen haben dürfte, ehe die Späher ausgegangen; für ihr Leben zu fürchten, ſey kein Grund vorhanden, es ſtünde vielmehr zu er- warten, daß ſie unterwegs als verdächtig aufgegrif- fen und öffentlich Anſtalt würde getroffen werden, ſie in ihren Geburtsort zu bringen. Nannette dachte ſich in dieſem Fall die Ankunft der Unglücklichen im väterlichen Hauſe beinahe ſchrecklicher als Alles; und doch, wenn man ſie nur übrigens wohlbehalten den Armen des Vaters überliefert denken durfte, ſo ließ ſich ja von hier an wieder neue Hoffnung ſchöpfen. Allein mit welchem Herzen mußte man der Rückkehr des Malers entgegenſehen, wenn ſich bis dahin nichts entſchieden haben ſollte! — Margot hielt die Ver- muthung nicht zurück, daß die Zigeunerin auch dieß- mal die verderbliche Hand mit im Spiele habe. Dieß Alles ſprach und wog man hin und her, bis keine Möglichkeit mehr übrig zu ſeyn ſchien, das Schlimmſte aber getraute man ſich kaum zu denken, geſchweige auszuſprechen. Zulezt entſtand eine düſtere Stille. In den verſchiedenen Zimmern brannte hie nnd da eine

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/308>, abgerufen am 23.11.2024.