Nun mag es enden wann es will, mir ist doch mein Mädchenkranz sicher, ich nehm' ihn in's Grab -- Un- ter uns gesagt, Junge, ich habe mir immer gewünscht, so und nicht anders in Himmel zu kommen. Aber den Ring muß ich erst haben, ich muß ihn vorweisen können."
Noch eines freundlichen und frommen Auftritts soll hier gedacht werden, zumal es das Lezte ist, was wir von des Mädchens traurigem Leben zu erzählen haben.
Nannette kam einsmals in aller Eile herbei- gesprungen und ersuchte das Fräulein und deren Va- ter, ihr in ein Zimmer des untern Stocks herab zu folgen, um an der angelehnten Thüre der alten Kam- mer, wo die Orgel stand, einen Augenblick Zeuge der musikalischen Unterhaltung Hennis und Agnesens zu seyn. So gingen sie zu Dreien leise an den be- zeichneten Ort und belauschten einen überaus rühren- den Gesang, in welchen die Orgel ihre Flötentöne schmolz. Bald herrschte des Knaben und bald des Mädchens Stimme vor. Es schien alt-katholische Mu- sik zu seyn. Ganz wundersam ergreifend waren be- sonders die kraftvollen Strophen eines lateinischen Bußliedes aus E dur. Hier steht nur der Anfang.
Jesu, benigne! A cujus igne Opto flagrare, Et te amare; --
Nun mag es enden wann es will, mir iſt doch mein Mädchenkranz ſicher, ich nehm’ ihn in’s Grab — Un- ter uns geſagt, Junge, ich habe mir immer gewünſcht, ſo und nicht anders in Himmel zu kommen. Aber den Ring muß ich erſt haben, ich muß ihn vorweiſen können.“
Noch eines freundlichen und frommen Auftritts ſoll hier gedacht werden, zumal es das Lezte iſt, was wir von des Mädchens traurigem Leben zu erzählen haben.
Nannette kam einsmals in aller Eile herbei- geſprungen und erſuchte das Fräulein und deren Va- ter, ihr in ein Zimmer des untern Stocks herab zu folgen, um an der angelehnten Thüre der alten Kam- mer, wo die Orgel ſtand, einen Augenblick Zeuge der muſikaliſchen Unterhaltung Hennis und Agneſens zu ſeyn. So gingen ſie zu Dreien leiſe an den be- zeichneten Ort und belauſchten einen überaus rühren- den Geſang, in welchen die Orgel ihre Flötentöne ſchmolz. Bald herrſchte des Knaben und bald des Mädchens Stimme vor. Es ſchien alt-katholiſche Mu- ſik zu ſeyn. Ganz wunderſam ergreifend waren be- ſonders die kraftvollen Strophen eines lateiniſchen Bußliedes aus E dur. Hier ſteht nur der Anfang.
Jesu, benigne! A cujus igne Opto flagrare, Et te amare; —
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Nun mag es enden wann es will, mir iſt doch mein
Mädchenkranz ſicher, ich nehm’ ihn in’s Grab — Un-
ter uns geſagt, Junge, ich habe mir immer gewünſcht,
ſo und nicht anders in Himmel zu kommen. Aber
den Ring muß ich erſt haben, ich muß ihn vorweiſen
können.“
Noch eines freundlichen und frommen Auftritts
ſoll hier gedacht werden, zumal es das Lezte iſt, was
wir von des Mädchens traurigem Leben zu erzählen
haben.
Nannette kam einsmals in aller Eile herbei-
geſprungen und erſuchte das Fräulein und deren Va-
ter, ihr in ein Zimmer des untern Stocks herab zu
folgen, um an der angelehnten Thüre der alten Kam-
mer, wo die Orgel ſtand, einen Augenblick Zeuge der
muſikaliſchen Unterhaltung Hennis und Agneſens
zu ſeyn. So gingen ſie zu Dreien leiſe an den be-
zeichneten Ort und belauſchten einen überaus rühren-
den Geſang, in welchen die Orgel ihre Flötentöne
ſchmolz. Bald herrſchte des Knaben und bald des
Mädchens Stimme vor. Es ſchien alt-katholiſche Mu-
ſik zu ſeyn. Ganz wunderſam ergreifend waren be-
ſonders die kraftvollen Strophen eines lateiniſchen
Bußliedes aus E dur. Hier ſteht nur der Anfang.
Jesu, benigne!
A cujus igne
Opto flagrare,
Et te amare; —
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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