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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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""Wer's nennen könnte!
Schelmisches Kind,
Lieb' ist wie Wind,
Rasch und lebendig,
Ruhet nie,
Ewig ist sie,
Aber nicht immer beständig.
-- Fort! Wohlauf auf!
Halt uns nicht auf!
Fort über Stoppel, und Wälder, und Wiesen!
Wenn ich dein Schätzchen seh',
Will ich es grüßen;
Kindlein, Ade!""

Gegen Abend hatte sich Agnes ermüdet zu
Bette gelegt; der Präsident war eine Zeitlang bei ihr
gewesen; auf Einmal kam er freudig aus ihrem Schlaf-
zimmer und sagte eilfertig zu Theobald hin: "Sie
verlangt nach Ihnen, geh'n Sie geschwinde!" Er ge-
horchte unverzüglich, die Andern blieben zurück und
er zog die Thüre hinter sich zu. Agnes lag ruhig
auf der Seite, den Kopf auf einem Arm gestüzt. Be-
scheiden sezte er sich mit einem freundlichen Gruß auf
den Stuhl an ihrem Bette; durchaus gelassen, doch
einigermaßen zweifelhaft sah sie ihn lange an; es
schien als dämmerte eine angenehme Erinnerung bei
ihr auf, welche sie an seinen Gesichtszügen zu prüfen
suchte. Aber heißer, schmelzender wird ihr Blick, ihr
Athem steigt, es hebt sich ihre Brust, und jezt -- in-
dem sie mit der Linken sich beide Augen zuhält --

„„Wer’s nennen könnte!
Schelmiſches Kind,
Lieb’ iſt wie Wind,
Raſch und lebendig,
Ruhet nie,
Ewig iſt ſie,
Aber nicht immer beſtändig.
— Fort! Wohlauf auf!
Halt uns nicht auf!
Fort über Stoppel, und Wälder, und Wieſen!
Wenn ich dein Schätzchen ſeh’,
Will ich es grüßen;
Kindlein, Ade!““

Gegen Abend hatte ſich Agnes ermüdet zu
Bette gelegt; der Präſident war eine Zeitlang bei ihr
geweſen; auf Einmal kam er freudig aus ihrem Schlaf-
zimmer und ſagte eilfertig zu Theobald hin: „Sie
verlangt nach Ihnen, geh’n Sie geſchwinde!“ Er ge-
horchte unverzüglich, die Andern blieben zurück und
er zog die Thüre hinter ſich zu. Agnes lag ruhig
auf der Seite, den Kopf auf einem Arm geſtüzt. Be-
ſcheiden ſezte er ſich mit einem freundlichen Gruß auf
den Stuhl an ihrem Bette; durchaus gelaſſen, doch
einigermaßen zweifelhaft ſah ſie ihn lange an; es
ſchien als dämmerte eine angenehme Erinnerung bei
ihr auf, welche ſie an ſeinen Geſichtszügen zu prüfen
ſuchte. Aber heißer, ſchmelzender wird ihr Blick, ihr
Athem ſteigt, es hebt ſich ihre Bruſt, und jezt — in-
dem ſie mit der Linken ſich beide Augen zuhält —

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[613/0299] „„Wer’s nennen könnte! Schelmiſches Kind, Lieb’ iſt wie Wind, Raſch und lebendig, Ruhet nie, Ewig iſt ſie, Aber nicht immer beſtändig. — Fort! Wohlauf auf! Halt uns nicht auf! Fort über Stoppel, und Wälder, und Wieſen! Wenn ich dein Schätzchen ſeh’, Will ich es grüßen; Kindlein, Ade!““ Gegen Abend hatte ſich Agnes ermüdet zu Bette gelegt; der Präſident war eine Zeitlang bei ihr geweſen; auf Einmal kam er freudig aus ihrem Schlaf- zimmer und ſagte eilfertig zu Theobald hin: „Sie verlangt nach Ihnen, geh’n Sie geſchwinde!“ Er ge- horchte unverzüglich, die Andern blieben zurück und er zog die Thüre hinter ſich zu. Agnes lag ruhig auf der Seite, den Kopf auf einem Arm geſtüzt. Be- ſcheiden ſezte er ſich mit einem freundlichen Gruß auf den Stuhl an ihrem Bette; durchaus gelaſſen, doch einigermaßen zweifelhaft ſah ſie ihn lange an; es ſchien als dämmerte eine angenehme Erinnerung bei ihr auf, welche ſie an ſeinen Geſichtszügen zu prüfen ſuchte. Aber heißer, ſchmelzender wird ihr Blick, ihr Athem ſteigt, es hebt ſich ihre Bruſt, und jezt — in- dem ſie mit der Linken ſich beide Augen zuhält —

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/299>, abgerufen am 22.11.2024.