Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.gefunden, von der sie sich beredete, es sey ihr Bild. Vielleicht ist es dem Leser angenehm, von jenen Der Himmel glänzt vom reinsten Frühlingslichte, Ihm schwillt der Hügel sehnsuchtsvoll entgegen, Die starre Welt zerfließt in Liebessegen, Und schmiegt sich rund zum zärtlichsten Gedichte. Wenn ich den Blick nun zu den Bergen richte, Die duftig meiner Liebe Thal umhegen -- O Herz, was hilft dein Wiegen und dein Wägen, Daß all' der Wonne herber Streit sich schlichte! Du, Liebe, hilf den süßen Zauber lösen, Womit Natur in meinem Innern wühlet! Und du, o Frühling, hilf die Liebe beugen! Lisch aus, o Tag! Laß mich in Nacht genesen! Indeß ihr, sanften Sterne, göttlich kühlet, Will ich zum Abgrund der Betrachtung steigen. Wahr ist's, mein Kind, wo ich bei dir nicht bin Geleitet Sehnsucht alle meine Wege, Zu Berg und Wald, durch einsame Gehege Treibt mich ein irrer, ungeduld'ger Sinn. gefunden, von der ſie ſich beredete, es ſey ihr Bild. Vielleicht iſt es dem Leſer angenehm, von jenen Der Himmel glänzt vom reinſten Frühlingslichte, Ihm ſchwillt der Hügel ſehnſuchtsvoll entgegen, Die ſtarre Welt zerfließt in Liebesſegen, Und ſchmiegt ſich rund zum zärtlichſten Gedichte. Wenn ich den Blick nun zu den Bergen richte, Die duftig meiner Liebe Thal umhegen — O Herz, was hilft dein Wiegen und dein Wägen, Daß all’ der Wonne herber Streit ſich ſchlichte! Du, Liebe, hilf den ſüßen Zauber löſen, Womit Natur in meinem Innern wühlet! Und du, o Frühling, hilf die Liebe beugen! Liſch aus, o Tag! Laß mich in Nacht geneſen! Indeß ihr, ſanften Sterne, göttlich kühlet, Will ich zum Abgrund der Betrachtung ſteigen. Wahr iſt’s, mein Kind, wo ich bei dir nicht bin Geleitet Sehnſucht alle meine Wege, Zu Berg und Wald, durch einſame Gehege Treibt mich ein irrer, ungeduld’ger Sinn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0288" n="602"/> gefunden, von der ſie ſich beredete, es ſey ihr Bild.<lb/> Man traf ſie etliche Male darüber an, daß ſie zwei<lb/> Spiegel gegen einander hielt, um ihr Profil mit dem<lb/> andern zu vergleichen.</p><lb/> <p>Vielleicht iſt es dem Leſer angenehm, von jenen<lb/> Gedichten etwas zu ſehen und ſich dabei des Mannes<lb/> zu erinnern, der, wie einſt im Leben, ſo jezt noch im<lb/> Tode, das Herz des unglücklichen Kindes ſo innig be-<lb/> ſchäftigen mußte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Der Himmel glänzt vom reinſten Frühlingslichte,</l><lb/> <l>Ihm ſchwillt der Hügel ſehnſuchtsvoll entgegen,</l><lb/> <l>Die ſtarre Welt zerfließt in Liebesſegen,</l><lb/> <l>Und ſchmiegt ſich rund zum zärtlichſten Gedichte.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wenn ich den Blick nun zu den Bergen richte,</l><lb/> <l>Die duftig meiner Liebe Thal umhegen —</l><lb/> <l>O Herz, was hilft dein Wiegen und dein Wägen,</l><lb/> <l>Daß all’ der Wonne herber Streit ſich ſchlichte!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Du, <hi rendition="#g">Liebe</hi>, hilf den ſüßen Zauber löſen,</l><lb/> <l>Womit Natur in meinem Innern wühlet!</l><lb/> <l>Und du, o <hi rendition="#g">Frühling</hi>, hilf die Liebe beugen!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Liſch aus, o Tag! Laß mich in Nacht geneſen!</l><lb/> <l>Indeß ihr, ſanften Sterne, göttlich kühlet,</l><lb/> <l>Will ich zum Abgrund der Betrachtung ſteigen.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wahr iſt’s, mein Kind, wo ich bei dir nicht bin</l><lb/> <l>Geleitet Sehnſucht alle meine Wege,</l><lb/> <l>Zu Berg und Wald, durch einſame Gehege</l><lb/> <l>Treibt mich ein irrer, ungeduld’ger Sinn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [602/0288]
gefunden, von der ſie ſich beredete, es ſey ihr Bild.
Man traf ſie etliche Male darüber an, daß ſie zwei
Spiegel gegen einander hielt, um ihr Profil mit dem
andern zu vergleichen.
Vielleicht iſt es dem Leſer angenehm, von jenen
Gedichten etwas zu ſehen und ſich dabei des Mannes
zu erinnern, der, wie einſt im Leben, ſo jezt noch im
Tode, das Herz des unglücklichen Kindes ſo innig be-
ſchäftigen mußte.
Der Himmel glänzt vom reinſten Frühlingslichte,
Ihm ſchwillt der Hügel ſehnſuchtsvoll entgegen,
Die ſtarre Welt zerfließt in Liebesſegen,
Und ſchmiegt ſich rund zum zärtlichſten Gedichte.
Wenn ich den Blick nun zu den Bergen richte,
Die duftig meiner Liebe Thal umhegen —
O Herz, was hilft dein Wiegen und dein Wägen,
Daß all’ der Wonne herber Streit ſich ſchlichte!
Du, Liebe, hilf den ſüßen Zauber löſen,
Womit Natur in meinem Innern wühlet!
Und du, o Frühling, hilf die Liebe beugen!
Liſch aus, o Tag! Laß mich in Nacht geneſen!
Indeß ihr, ſanften Sterne, göttlich kühlet,
Will ich zum Abgrund der Betrachtung ſteigen.
Wahr iſt’s, mein Kind, wo ich bei dir nicht bin
Geleitet Sehnſucht alle meine Wege,
Zu Berg und Wald, durch einſame Gehege
Treibt mich ein irrer, ungeduld’ger Sinn.
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