den Rosse eine Zeit lang ansehe und es mache ihr ei- nen angenehmen Schwindel.
Nannette sezte sich mit ihrer Arbeit in den Schatten der nächsten Laube. Bald gesellte sich Ag- nes zu ihr, forderte sie auf, nicht traurig zu seyn und verhieß: ihr Bruder werde nun bald ankommen und sie Beide entführen. "Nicht wahr, wir wollen fest zusammenhalten? Du bist im Grund so übel dran wie ich mit diesen Lügengesichtern. Ja, ja, auch dir gehn die Augen nach und nach auf, ich merkte es neulich, wie dir graus'te, als dich der Bösewicht Schwe- ster hieß. Zwinge dich nur nicht bei ihm, er kann uns doch nicht schaden. -- Jezt aber sollst du etwas Liebes sehen, das wird dich freuen: Lies diese Blätter, du kennst die Hand nicht, aber den Schreiber. Sie [ - 2 Zeichen fehlen]nd mein höchster Schatz, mehr, mehr als Gold und Perlen und Rubinen! Ich mußte sie dem Höllenbrand abführen, er hatte sie mir unterschlagen. Nimm sie drum fein in Acht und lies ganz in der Stille, recht in herzinniger Stille." Sie ging und ließ Nannet- ten das Liederheft zurück, dessen wir schon bei Ge- legenheit der hinterlassenen Papiere des Schauspielers erwähnt haben.
Da diese Gedichte "An L." überschrieben waren und Agnes unter ihren Namen eine Luise hatte, so eignete sie sich dieselben völlig zu, nicht anders als sie wären von Theobald an sie gerichtet worden. Ueberdieß hatte sie eine Silhouette in jenen Blättern
den Roſſe eine Zeit lang anſehe und es mache ihr ei- nen angenehmen Schwindel.
Nannette ſezte ſich mit ihrer Arbeit in den Schatten der nächſten Laube. Bald geſellte ſich Ag- nes zu ihr, forderte ſie auf, nicht traurig zu ſeyn und verhieß: ihr Bruder werde nun bald ankommen und ſie Beide entführen. „Nicht wahr, wir wollen feſt zuſammenhalten? Du biſt im Grund ſo übel dran wie ich mit dieſen Lügengeſichtern. Ja, ja, auch dir gehn die Augen nach und nach auf, ich merkte es neulich, wie dir grauſ’te, als dich der Böſewicht Schwe- ſter hieß. Zwinge dich nur nicht bei ihm, er kann uns doch nicht ſchaden. — Jezt aber ſollſt du etwas Liebes ſehen, das wird dich freuen: Lies dieſe Blätter, du kennſt die Hand nicht, aber den Schreiber. Sie [ – 2 Zeichen fehlen]nd mein höchſter Schatz, mehr, mehr als Gold und Perlen und Rubinen! Ich mußte ſie dem Höllenbrand abführen, er hatte ſie mir unterſchlagen. Nimm ſie drum fein in Acht und lies ganz in der Stille, recht in herzinniger Stille.“ Sie ging und ließ Nannet- ten das Liederheft zurück, deſſen wir ſchon bei Ge- legenheit der hinterlaſſenen Papiere des Schauſpielers erwähnt haben.
Da dieſe Gedichte „An L.“ überſchrieben waren und Agnes unter ihren Namen eine Luiſe hatte, ſo eignete ſie ſich dieſelben völlig zu, nicht anders als ſie wären von Theobald an ſie gerichtet worden. Ueberdieß hatte ſie eine Silhouette in jenen Blättern
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den Roſſe eine Zeit lang anſehe und es mache ihr ei-
nen angenehmen Schwindel.
Nannette ſezte ſich mit ihrer Arbeit in den
Schatten der nächſten Laube. Bald geſellte ſich Ag-
nes zu ihr, forderte ſie auf, nicht traurig zu ſeyn
und verhieß: ihr Bruder werde nun bald ankommen
und ſie Beide entführen. „Nicht wahr, wir wollen
feſt zuſammenhalten? Du biſt im Grund ſo übel
dran wie ich mit dieſen Lügengeſichtern. Ja, ja, auch
dir gehn die Augen nach und nach auf, ich merkte es
neulich, wie dir grauſ’te, als dich der Böſewicht Schwe-
ſter hieß. Zwinge dich nur nicht bei ihm, er kann
uns doch nicht ſchaden. — Jezt aber ſollſt du etwas
Liebes ſehen, das wird dich freuen: Lies dieſe Blätter,
du kennſt die Hand nicht, aber den Schreiber. Sie
__nd mein höchſter Schatz, mehr, mehr als Gold und
Perlen und Rubinen! Ich mußte ſie dem Höllenbrand
abführen, er hatte ſie mir unterſchlagen. Nimm ſie
drum fein in Acht und lies ganz in der Stille, recht
in herzinniger Stille.“ Sie ging und ließ Nannet-
ten das Liederheft zurück, deſſen wir ſchon bei Ge-
legenheit der hinterlaſſenen Papiere des Schauſpielers
erwähnt haben.
Da dieſe Gedichte „An L.“ überſchrieben waren
und Agnes unter ihren Namen eine Luiſe hatte,
ſo eignete ſie ſich dieſelben völlig zu, nicht anders als
ſie wären von Theobald an ſie gerichtet worden.
Ueberdieß hatte ſie eine Silhouette in jenen Blättern
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/287>, abgerufen am 26.11.2024.
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