zeug ist vom pursten Golde, und drum wenn alle Neune fallen, so heißen sie's ein goldenes Gelächter, weil der Klang dabei gar hell und lustig ist. Gerade so dünkt mich, lacht nun mein Schätzchen.""
Henni, was meinst du dazu? Zum Glück hab' ich so schnell gelesen, daß du nicht einmal Zeit bekamst, dich drüber zu ärgern. Hör' du, als Kind da hatt' ich einen Schulmeister, der fand dir gar eine sonderliche Methode, einem das Schnell-Lesen abzugewöhnen, er gab einem das Buch verkehrt in die Hand, daß es von der Rech- ten zur Linken ging -- So, rief er dann, jezt laß den Rappen laufen! ich will auch bei Zeit Hebräisch leh- ren. Recht, daß mir der Schulmeister beifällt -- ich bitte dich, mache doch deinen guten Vater aufmerksam, daß er nicht mehr ginesisches Gartenhaus sagen soll, sondern chinesisches; er würde mich dauern, wenn man ihn spöttisch drum ansähe, es hat mich schon recht beschäftigt; heut hab' ich gar davon geträumt, da gab er mir die Erklärung: Jungfer, ich pflege mit dem Wort zu wechseln, und zwar nicht ohne Grund: zur Winterszeit, wo Alles starr und hartgefroren ist, sprech' ich ginesisch, im Frühjahr wird mein g schon weicher, im Sommer aber bin ich ganz und gar Chi- nese. Fürwahr, das ist er auch: er trägt ein Zöpf- chen. Im Ernst, ich hätte gute Lust, einmal mit der Scheere hinter ihm herzukommen; es ist doch gar zu leichtfertig und altväterisch."
Eine Magd lief über den Weg, Agnes kehrte
zeug iſt vom purſten Golde, und drum wenn alle Neune fallen, ſo heißen ſie’s ein goldenes Gelächter, weil der Klang dabei gar hell und luſtig iſt. Gerade ſo dünkt mich, lacht nun mein Schätzchen.““
Henni, was meinſt du dazu? Zum Glück hab’ ich ſo ſchnell geleſen, daß du nicht einmal Zeit bekamſt, dich drüber zu ärgern. Hör’ du, als Kind da hatt’ ich einen Schulmeiſter, der fand dir gar eine ſonderliche Methode, einem das Schnell-Leſen abzugewöhnen, er gab einem das Buch verkehrt in die Hand, daß es von der Rech- ten zur Linken ging — So, rief er dann, jezt laß den Rappen laufen! ich will auch bei Zeit Hebräiſch leh- ren. Recht, daß mir der Schulmeiſter beifällt — ich bitte dich, mache doch deinen guten Vater aufmerkſam, daß er nicht mehr gineſiſches Gartenhaus ſagen ſoll, ſondern chineſiſches; er würde mich dauern, wenn man ihn ſpöttiſch drum anſähe, es hat mich ſchon recht beſchäftigt; heut hab’ ich gar davon geträumt, da gab er mir die Erklärung: Jungfer, ich pflege mit dem Wort zu wechſeln, und zwar nicht ohne Grund: zur Winterszeit, wo Alles ſtarr und hartgefroren iſt, ſprech’ ich gineſiſch, im Frühjahr wird mein g ſchon weicher, im Sommer aber bin ich ganz und gar Chi- neſe. Fürwahr, das iſt er auch: er trägt ein Zöpf- chen. Im Ernſt, ich hätte gute Luſt, einmal mit der Scheere hinter ihm herzukommen; es iſt doch gar zu leichtfertig und altväteriſch.“
Eine Magd lief über den Weg, Agnes kehrte
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zeug iſt vom purſten Golde, und drum wenn alle
Neune fallen, ſo heißen ſie’s ein goldenes Gelächter,
weil der Klang dabei gar hell und luſtig iſt. Gerade
ſo dünkt mich, lacht nun mein Schätzchen.““
Henni, was meinſt du dazu? Zum Glück hab’ ich
ſo ſchnell geleſen, daß du nicht einmal Zeit bekamſt, dich
drüber zu ärgern. Hör’ du, als Kind da hatt’ ich einen
Schulmeiſter, der fand dir gar eine ſonderliche Methode,
einem das Schnell-Leſen abzugewöhnen, er gab einem
das Buch verkehrt in die Hand, daß es von der Rech-
ten zur Linken ging — So, rief er dann, jezt laß den
Rappen laufen! ich will auch bei Zeit Hebräiſch leh-
ren. Recht, daß mir der Schulmeiſter beifällt — ich
bitte dich, mache doch deinen guten Vater aufmerkſam,
daß er nicht mehr gineſiſches Gartenhaus ſagen ſoll,
ſondern chineſiſches; er würde mich dauern, wenn man
ihn ſpöttiſch drum anſähe, es hat mich ſchon recht
beſchäftigt; heut hab’ ich gar davon geträumt, da gab
er mir die Erklärung: Jungfer, ich pflege mit dem
Wort zu wechſeln, und zwar nicht ohne Grund: zur
Winterszeit, wo Alles ſtarr und hartgefroren iſt,
ſprech’ ich gineſiſch, im Frühjahr wird mein g ſchon
weicher, im Sommer aber bin ich ganz und gar Chi-
neſe. Fürwahr, das iſt er auch: er trägt ein Zöpf-
chen. Im Ernſt, ich hätte gute Luſt, einmal mit der
Scheere hinter ihm herzukommen; es iſt doch gar zu
leichtfertig und altväteriſch.“
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/282>, abgerufen am 25.11.2024.
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