die Mittel sehr geschickt angegeben, wie seine Beihülfe völlig verschwiegen bleiben könnte. -- Ein solches Ver- langen war nun, die Heimlichkeit abgerechnet, so un- verzeihlich nicht, der Maler hatte neulich selbst den Gedanken für sie gehabt, man ging jezt ernstlich dar- über zu Rathe, verdoppelte indeß die Wachsamkeit.
So wenig es bei diesem Allen Jemanden im Schlosse einfiel, den armen Freund sein lästiges Gast- recht empfinden zu lassen, so war ihm eine solche Großmuth doch nichts desto weniger drückend. Dann rückte der Termin herbei, wo er jene Stelle in W * antreten sollte. Er dachte mit Schaudern der Zu- kunft, mit doppelt und dreifach blutendem Herzen des alten Vaters in Neuburg, der nichts von dem dro- henden Umsturz der lieblichsten Hoffnungen ahnte.
An einem Morgen kommt Nolten wie gewöhn- lich zum Frühstück auf den Saal. Nannette und Margot fliehen bei seinem Eintritt erschrocken aus- einander, sie grüßen ihn mit abgewandtem Gesicht, ihr Weinen verbergend. "Was ist geschehen?" fragt er voll Ahnung, "was ist Agnesen zugestoßen?" Er will hinaus, sich überzeugen, im selben Augenblick tritt der Präsident eilfertig herein. "Ich bin auf Al- les gefaßt!" ruft Nolten ihm zu: "um's Himmels willen, schnell! was hat es gegeben?" "Gelassen! ruhig! Mein theurer Freund, noch ist nicht Alles verloren. Was wir längst fürchten mußten, das frühere Uebel, wovon Sie mir sagten, scheint leider eingetreten --
die Mittel ſehr geſchickt angegeben, wie ſeine Beihülfe völlig verſchwiegen bleiben könnte. — Ein ſolches Ver- langen war nun, die Heimlichkeit abgerechnet, ſo un- verzeihlich nicht, der Maler hatte neulich ſelbſt den Gedanken für ſie gehabt, man ging jezt ernſtlich dar- über zu Rathe, verdoppelte indeß die Wachſamkeit.
So wenig es bei dieſem Allen Jemanden im Schloſſe einfiel, den armen Freund ſein läſtiges Gaſt- recht empfinden zu laſſen, ſo war ihm eine ſolche Großmuth doch nichts deſto weniger drückend. Dann rückte der Termin herbei, wo er jene Stelle in W * antreten ſollte. Er dachte mit Schaudern der Zu- kunft, mit doppelt und dreifach blutendem Herzen des alten Vaters in Neuburg, der nichts von dem dro- henden Umſturz der lieblichſten Hoffnungen ahnte.
An einem Morgen kommt Nolten wie gewöhn- lich zum Frühſtück auf den Saal. Nannette und Margot fliehen bei ſeinem Eintritt erſchrocken aus- einander, ſie grüßen ihn mit abgewandtem Geſicht, ihr Weinen verbergend. „Was iſt geſchehen?“ fragt er voll Ahnung, „was iſt Agneſen zugeſtoßen?“ Er will hinaus, ſich überzeugen, im ſelben Augenblick tritt der Präſident eilfertig herein. „Ich bin auf Al- les gefaßt!“ ruft Nolten ihm zu: „um’s Himmels willen, ſchnell! was hat es gegeben?“ „Gelaſſen! ruhig! Mein theurer Freund, noch iſt nicht Alles verloren. Was wir längſt fürchten mußten, das frühere Uebel, wovon Sie mir ſagten, ſcheint leider eingetreten —
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die Mittel ſehr geſchickt angegeben, wie ſeine Beihülfe
völlig verſchwiegen bleiben könnte. — Ein ſolches Ver-
langen war nun, die Heimlichkeit abgerechnet, ſo un-
verzeihlich nicht, der Maler hatte neulich ſelbſt den
Gedanken für ſie gehabt, man ging jezt ernſtlich dar-
über zu Rathe, verdoppelte indeß die Wachſamkeit.
So wenig es bei dieſem Allen Jemanden im
Schloſſe einfiel, den armen Freund ſein läſtiges Gaſt-
recht empfinden zu laſſen, ſo war ihm eine ſolche
Großmuth doch nichts deſto weniger drückend. Dann
rückte der Termin herbei, wo er jene Stelle in W *
antreten ſollte. Er dachte mit Schaudern der Zu-
kunft, mit doppelt und dreifach blutendem Herzen des
alten Vaters in Neuburg, der nichts von dem dro-
henden Umſturz der lieblichſten Hoffnungen ahnte.
An einem Morgen kommt Nolten wie gewöhn-
lich zum Frühſtück auf den Saal. Nannette und
Margot fliehen bei ſeinem Eintritt erſchrocken aus-
einander, ſie grüßen ihn mit abgewandtem Geſicht,
ihr Weinen verbergend. „Was iſt geſchehen?“ fragt
er voll Ahnung, „was iſt Agneſen zugeſtoßen?“
Er will hinaus, ſich überzeugen, im ſelben Augenblick
tritt der Präſident eilfertig herein. „Ich bin auf Al-
les gefaßt!“ ruft Nolten ihm zu: „um’s Himmels
willen, ſchnell! was hat es gegeben?“ „Gelaſſen! ruhig!
Mein theurer Freund, noch iſt nicht Alles verloren.
Was wir längſt fürchten mußten, das frühere Uebel,
wovon Sie mir ſagten, ſcheint leider eingetreten —
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/273>, abgerufen am 25.11.2024.
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