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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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trug einige Stühle hinaus. Sie bemerkten ein zwie-
faches Wetter, davon die Hauptmacht vorne nach der
Stadt zu lag, ein schwächeres spielte im Rücken des
Schlosses. Die ganze Gegend hat sich schnell vernach-
tet. Da und dort zucken Blitze, der Donner kracht
und wälzt seinen Groll mit Majestät fernab und weckt
ihn dort auf's Neue mit verstärktem Knall. Auf der
Ebene unten scheint es schon herzhaft zu regnen. Hier
oben herrscht noch eine dumpfe Stille, kaum hört
man einzelne Tropfen auf dem nächsten Kastanienbaum
aufschlagen, der seine breiten Blätter bis an das Ge-
länder des Altans erhebt. Jezt aber rauscht auch
hier der Segen mächtig los. -- Ein solcher Aufruhr
der Natur pflegte den Maler sonst wohl zu einer
muthigen Fröhlichkeit emporzuspannen; auch jezt hing
er mit Wollust an dem kühnen Anblicke des feurig
aufgeregten Elements, doch blieb er stille und in sich
gekehrt. Agnes verstand seinen Kummer und leise
nannte sie einige Mal den Namen Larkens, doch
konnte sie dem Schweigenden nicht mehr als ein Seuf-
zen entlocken.

Der Himmel hatte sich erschöpft, der Regen hörte
auf, hie und da traten die Sterne hervor. Die an-
genehme Luft, das Tropfen der erquickten Bäume,
ein sanftes Wetterleuchten am dunkeln Horizont machte
die Scene nun erst recht einladend. Die junge Schwä-
gerin, nach ihrer unsteten Art, war indeß weggelau-
fen, um mit des Fräuleins Zofe zu kurzweilen, einer

trug einige Stühle hinaus. Sie bemerkten ein zwie-
faches Wetter, davon die Hauptmacht vorne nach der
Stadt zu lag, ein ſchwächeres ſpielte im Rücken des
Schloſſes. Die ganze Gegend hat ſich ſchnell vernach-
tet. Da und dort zucken Blitze, der Donner kracht
und wälzt ſeinen Groll mit Majeſtät fernab und weckt
ihn dort auf’s Neue mit verſtärktem Knall. Auf der
Ebene unten ſcheint es ſchon herzhaft zu regnen. Hier
oben herrſcht noch eine dumpfe Stille, kaum hört
man einzelne Tropfen auf dem nächſten Kaſtanienbaum
aufſchlagen, der ſeine breiten Blätter bis an das Ge-
länder des Altans erhebt. Jezt aber rauſcht auch
hier der Segen mächtig los. — Ein ſolcher Aufruhr
der Natur pflegte den Maler ſonſt wohl zu einer
muthigen Fröhlichkeit emporzuſpannen; auch jezt hing
er mit Wolluſt an dem kühnen Anblicke des feurig
aufgeregten Elements, doch blieb er ſtille und in ſich
gekehrt. Agnes verſtand ſeinen Kummer und leiſe
nannte ſie einige Mal den Namen Larkens, doch
konnte ſie dem Schweigenden nicht mehr als ein Seuf-
zen entlocken.

Der Himmel hatte ſich erſchöpft, der Regen hörte
auf, hie und da traten die Sterne hervor. Die an-
genehme Luft, das Tropfen der erquickten Bäume,
ein ſanftes Wetterleuchten am dunkeln Horizont machte
die Scene nun erſt recht einladend. Die junge Schwä-
gerin, nach ihrer unſteten Art, war indeß weggelau-
fen, um mit des Fräuleins Zofe zu kurzweilen, einer

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[562/0248] trug einige Stühle hinaus. Sie bemerkten ein zwie- faches Wetter, davon die Hauptmacht vorne nach der Stadt zu lag, ein ſchwächeres ſpielte im Rücken des Schloſſes. Die ganze Gegend hat ſich ſchnell vernach- tet. Da und dort zucken Blitze, der Donner kracht und wälzt ſeinen Groll mit Majeſtät fernab und weckt ihn dort auf’s Neue mit verſtärktem Knall. Auf der Ebene unten ſcheint es ſchon herzhaft zu regnen. Hier oben herrſcht noch eine dumpfe Stille, kaum hört man einzelne Tropfen auf dem nächſten Kaſtanienbaum aufſchlagen, der ſeine breiten Blätter bis an das Ge- länder des Altans erhebt. Jezt aber rauſcht auch hier der Segen mächtig los. — Ein ſolcher Aufruhr der Natur pflegte den Maler ſonſt wohl zu einer muthigen Fröhlichkeit emporzuſpannen; auch jezt hing er mit Wolluſt an dem kühnen Anblicke des feurig aufgeregten Elements, doch blieb er ſtille und in ſich gekehrt. Agnes verſtand ſeinen Kummer und leiſe nannte ſie einige Mal den Namen Larkens, doch konnte ſie dem Schweigenden nicht mehr als ein Seuf- zen entlocken. Der Himmel hatte ſich erſchöpft, der Regen hörte auf, hie und da traten die Sterne hervor. Die an- genehme Luft, das Tropfen der erquickten Bäume, ein ſanftes Wetterleuchten am dunkeln Horizont machte die Scene nun erſt recht einladend. Die junge Schwä- gerin, nach ihrer unſteten Art, war indeß weggelau- fen, um mit des Fräuleins Zofe zu kurzweilen, einer

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/248>, abgerufen am 22.11.2024.