Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.Auch die Falten des Vorhangs Aus einer Spalte des Vorhangs guckte Plötzlich der Kopf des Zaubermädchens, Lieblich war er und doch so beängstend. Sollt' ich die Hand ihr nicht geben In ihre liebe Hand? Bat denn ihr Auge nicht, Sagend: da bin ich wieder Hergekommen aus weiter Welt! Und wieder. Die treuste Liebe steht am Pfahl gebunden, Geht endlich arm, verlassen, unbeschuht, Dieß kranke Haupt hat nicht mehr wo es ruht, Mit ihren Thränen nezt sie bittre Wunden. Ach, Peregrinen hab' ich so gefunden! Wie Fieber wallte ihrer Wangen Gluth, Sie scherzte mit der Frühlings-Stürme Wuth, Verwelkte Kränze in das Haar gewunden. Wie? Solche Schönheit konnt' ich einst verlassen? -- So kehrt nun doppelt schön das alte Glück! O komm! in diese Arme dich zu fassen! Doch wehe! welche Miene, welch' ein Blick! Sie küßt mich zwischen Lieben, zwischen Hassen, Und wendet sich und -- kehrt mir nie zurück. Auch die Falten des Vorhangs Aus einer Spalte des Vorhangs guckte Plötzlich der Kopf des Zaubermädchens, Lieblich war er und doch ſo beängſtend. Sollt’ ich die Hand ihr nicht geben In ihre liebe Hand? Bat denn ihr Auge nicht, Sagend: da bin ich wieder Hergekommen aus weiter Welt! Und wieder. Die treuſte Liebe ſteht am Pfahl gebunden, Geht endlich arm, verlaſſen, unbeſchuht, Dieß kranke Haupt hat nicht mehr wo es ruht, Mit ihren Thränen nezt ſie bittre Wunden. Ach, Peregrinen hab’ ich ſo gefunden! Wie Fieber wallte ihrer Wangen Gluth, Sie ſcherzte mit der Frühlings-Stürme Wuth, Verwelkte Kränze in das Haar gewunden. Wie? Solche Schönheit konnt’ ich einſt verlaſſen? — So kehrt nun doppelt ſchön das alte Glück! O komm! in dieſe Arme dich zu faſſen! Doch wehe! welche Miene, welch’ ein Blick! Sie küßt mich zwiſchen Lieben, zwiſchen Haſſen, Und wendet ſich und — kehrt mir nie zurück. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <pb facs="#f0246" n="560"/> <l>Auch die Falten des Vorhangs</l><lb/> <l>Fingen bald an, ſich im Sturme zu regen,</l><lb/> <l>Gleich einer Ahnung ſtrich er dahinten,</l><lb/> <l>Ruhig blieb ich und bange doch,</l><lb/> <l>Immer leiſer wurde der Haideſturm —</l><lb/> <l>Siehe, da kam’s!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Aus einer Spalte des Vorhangs guckte</l><lb/> <l>Plötzlich der Kopf des Zaubermädchens,</l><lb/> <l>Lieblich war er und doch ſo beängſtend.</l><lb/> <l>Sollt’ ich die Hand ihr nicht geben</l><lb/> <l>In ihre liebe Hand?</l><lb/> <l>Bat denn ihr Auge nicht,</l><lb/> <l>Sagend: da bin ich wieder</l><lb/> <l>Hergekommen aus weiter Welt!</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Und wieder</hi>.</head><lb/> <lg n="1"> <l>Die treuſte Liebe ſteht am Pfahl gebunden,</l><lb/> <l>Geht endlich arm, verlaſſen, unbeſchuht,</l><lb/> <l>Dieß kranke Haupt hat nicht mehr wo es ruht,</l><lb/> <l>Mit ihren Thränen nezt ſie bittre Wunden.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ach, Peregrinen hab’ ich ſo gefunden!</l><lb/> <l>Wie Fieber wallte ihrer Wangen Gluth,</l><lb/> <l>Sie ſcherzte mit der Frühlings-Stürme Wuth,</l><lb/> <l>Verwelkte Kränze in das Haar gewunden.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wie? Solche Schönheit konnt’ ich einſt verlaſſen?</l><lb/> <l>— So kehrt nun doppelt ſchön das alte Glück!</l><lb/> <l>O komm! in dieſe Arme dich zu faſſen!</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Doch wehe! welche Miene, welch’ ein Blick!</l><lb/> <l>Sie küßt mich zwiſchen Lieben, zwiſchen Haſſen,</l><lb/> <l>Und wendet ſich und — kehrt mir nie zurück.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [560/0246]
Auch die Falten des Vorhangs
Fingen bald an, ſich im Sturme zu regen,
Gleich einer Ahnung ſtrich er dahinten,
Ruhig blieb ich und bange doch,
Immer leiſer wurde der Haideſturm —
Siehe, da kam’s!
Aus einer Spalte des Vorhangs guckte
Plötzlich der Kopf des Zaubermädchens,
Lieblich war er und doch ſo beängſtend.
Sollt’ ich die Hand ihr nicht geben
In ihre liebe Hand?
Bat denn ihr Auge nicht,
Sagend: da bin ich wieder
Hergekommen aus weiter Welt!
Und wieder.
Die treuſte Liebe ſteht am Pfahl gebunden,
Geht endlich arm, verlaſſen, unbeſchuht,
Dieß kranke Haupt hat nicht mehr wo es ruht,
Mit ihren Thränen nezt ſie bittre Wunden.
Ach, Peregrinen hab’ ich ſo gefunden!
Wie Fieber wallte ihrer Wangen Gluth,
Sie ſcherzte mit der Frühlings-Stürme Wuth,
Verwelkte Kränze in das Haar gewunden.
Wie? Solche Schönheit konnt’ ich einſt verlaſſen?
— So kehrt nun doppelt ſchön das alte Glück!
O komm! in dieſe Arme dich zu faſſen!
Doch wehe! welche Miene, welch’ ein Blick!
Sie küßt mich zwiſchen Lieben, zwiſchen Haſſen,
Und wendet ſich und — kehrt mir nie zurück.
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Zitationshilfe: | Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/246>, abgerufen am 23.07.2024. |