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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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heit -- kein Flamänder malt diesen Ausdruck mit solcher
Wahrheit. Man glaubte einen Burschen zu sehen,
auf dessen Stirne sich bereits die Behaglichkeit zeichne,
womit er am ruhigen Abend bei'm Bierkrug und
schlechten Tabak den Auftritt seinen Kameraden auf-
tischen wollte, nachdem er ihre Neugierde durch etwas
unnöthig längeres Feuerschlagen gehörig zu schärfen
für dienlich erachtet. Wie hätte ich nun nach allem
diesen es noch über's Herz bringen können, dem un-
vergleichlichen Mann sein Spiel zu verderben oder
länger in ihn zu dringen? Ich entließ ihn also, konnte
aber freilich nicht ganz ohne lachenden Mund mein:
"Adieu, guter Freund, und nehm' Er's nicht übel!"
hervorbringen. Er sah mir's um die Lippen zucken,
kehrte sich unter der Thür noch Einmal um und sagte
[i]m liebenswürdigsten Ton: "Ich sehe wohl, der Schul-
meister von neulich hat mir einen Streich gespielt,
ich bitte, Euer Exc. mögen diese meine gegenwärtige
Figur noch zur verkehrten Welt schlagen. Dürft' ich
aber vollends hoffen, daß dieser Auftritt unter uns
bliebe, so würde ich Ew. Exc. sehr verpflichtet seyn, und
Sie haben hiemit mein Ehrenwort, daß mein Geheim-
niß ohne das mindeste Arge ist; aber für jezt liegt
mir Alles dran, das zu scheinen, was ich lieber gar
seyn möchte." Jezt nahm ich länger keinen Anstand,
ihn bei seinem Namen herzlich willkommen zu heißen.
Da er natürlich genirt war, in seinem gegenwärtigen
Aufzuge einen Diskurs fortzusetzen und doch mein In-

heit — kein Flamänder malt dieſen Ausdruck mit ſolcher
Wahrheit. Man glaubte einen Burſchen zu ſehen,
auf deſſen Stirne ſich bereits die Behaglichkeit zeichne,
womit er am ruhigen Abend bei’m Bierkrug und
ſchlechten Tabak den Auftritt ſeinen Kameraden auf-
tiſchen wollte, nachdem er ihre Neugierde durch etwas
unnöthig längeres Feuerſchlagen gehörig zu ſchärfen
für dienlich erachtet. Wie hätte ich nun nach allem
dieſen es noch über’s Herz bringen können, dem un-
vergleichlichen Mann ſein Spiel zu verderben oder
länger in ihn zu dringen? Ich entließ ihn alſo, konnte
aber freilich nicht ganz ohne lachenden Mund mein:
„Adieu, guter Freund, und nehm’ Er’s nicht übel!“
hervorbringen. Er ſah mir’s um die Lippen zucken,
kehrte ſich unter der Thür noch Einmal um und ſagte
[i]m liebenswürdigſten Ton: „Ich ſehe wohl, der Schul-
meiſter von neulich hat mir einen Streich geſpielt,
ich bitte, Euer Exc. mögen dieſe meine gegenwärtige
Figur noch zur verkehrten Welt ſchlagen. Dürft’ ich
aber vollends hoffen, daß dieſer Auftritt unter uns
bliebe, ſo würde ich Ew. Exc. ſehr verpflichtet ſeyn, und
Sie haben hiemit mein Ehrenwort, daß mein Geheim-
niß ohne das mindeſte Arge iſt; aber für jezt liegt
mir Alles dran, das zu ſcheinen, was ich lieber gar
ſeyn möchte.“ Jezt nahm ich länger keinen Anſtand,
ihn bei ſeinem Namen herzlich willkommen zu heißen.
Da er natürlich genirt war, in ſeinem gegenwärtigen
Aufzuge einen Diskurs fortzuſetzen und doch mein In-

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[525/0211] heit — kein Flamänder malt dieſen Ausdruck mit ſolcher Wahrheit. Man glaubte einen Burſchen zu ſehen, auf deſſen Stirne ſich bereits die Behaglichkeit zeichne, womit er am ruhigen Abend bei’m Bierkrug und ſchlechten Tabak den Auftritt ſeinen Kameraden auf- tiſchen wollte, nachdem er ihre Neugierde durch etwas unnöthig längeres Feuerſchlagen gehörig zu ſchärfen für dienlich erachtet. Wie hätte ich nun nach allem dieſen es noch über’s Herz bringen können, dem un- vergleichlichen Mann ſein Spiel zu verderben oder länger in ihn zu dringen? Ich entließ ihn alſo, konnte aber freilich nicht ganz ohne lachenden Mund mein: „Adieu, guter Freund, und nehm’ Er’s nicht übel!“ hervorbringen. Er ſah mir’s um die Lippen zucken, kehrte ſich unter der Thür noch Einmal um und ſagte im liebenswürdigſten Ton: „Ich ſehe wohl, der Schul- meiſter von neulich hat mir einen Streich geſpielt, ich bitte, Euer Exc. mögen dieſe meine gegenwärtige Figur noch zur verkehrten Welt ſchlagen. Dürft’ ich aber vollends hoffen, daß dieſer Auftritt unter uns bliebe, ſo würde ich Ew. Exc. ſehr verpflichtet ſeyn, und Sie haben hiemit mein Ehrenwort, daß mein Geheim- niß ohne das mindeſte Arge iſt; aber für jezt liegt mir Alles dran, das zu ſcheinen, was ich lieber gar ſeyn möchte.“ Jezt nahm ich länger keinen Anſtand, ihn bei ſeinem Namen herzlich willkommen zu heißen. Da er natürlich genirt war, in ſeinem gegenwärtigen Aufzuge einen Diskurs fortzuſetzen und doch mein In-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 525. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/211>, abgerufen am 24.11.2024.