wesenheit seines chmaligen Herrn fallen lassen, so springt Wispel wie besessen auf, nimmt Hut und Stock, und fliegt, über Stühle und Bänke wegsetzend, davon, indem der Kutscher ihm eben so flugfertig auf dem Fuße nachfolgt, eh' die verblüffte Gesellschaft nur fragen kann, was der tolle Auftritt bedeute.
Eben kommt Konrad noch zu der erstaunlichen Scene, wo Wispel sich dem Maler zu erkennen ge- geben hat. Dieser saß eben mit den beiden Mädchen auf seinem Zimmer beim Nachtessen und Jedes ergözte sich nun von ganzem Herzen an dieser lächerlichen Er- scheinung. "Aber," fängt der Barbier nach einer Weile mit geheimnißvoller Preciosität zu lispeln an, "wenn mich nicht Alles trügt, so war Ihnen, mein Werthe- ster, bis jezt noch völlig unbewußt, welche seltene Connaissancen Sie in hiesiger Stadt zu erneuern Ge- legenheit finden würden."
"Wirklich?" antwortete der Maler; "es fiel mir nicht im Traume ein, daß mir dein edles Angesicht hier wieder begegnen sollte, aber Berg und Thal kom- men zusammen und das nächste Mal seh ich dich, so Gott will, am Galgen."
"Aye! je vous rends mille graces! Sie scher- zen, mein Bester. Doch ich sprach so eben nicht so- wohl von meiner Wenigkeit, als vielmehr von einer gewissen Person, die früher sehr an Sie attachirt, ge- genwärtig in unsern Mauern habitirt, freilich unter so prekären Umständen, daß ich zweifle, ob ein Mann
weſenheit ſeines chmaligen Herrn fallen laſſen, ſo ſpringt Wispel wie beſeſſen auf, nimmt Hut und Stock, und fliegt, über Stühle und Bänke wegſetzend, davon, indem der Kutſcher ihm eben ſo flugfertig auf dem Fuße nachfolgt, eh’ die verblüffte Geſellſchaft nur fragen kann, was der tolle Auftritt bedeute.
Eben kommt Konrad noch zu der erſtaunlichen Scene, wo Wispel ſich dem Maler zu erkennen ge- geben hat. Dieſer ſaß eben mit den beiden Mädchen auf ſeinem Zimmer beim Nachteſſen und Jedes ergözte ſich nun von ganzem Herzen an dieſer lächerlichen Er- ſcheinung. „Aber,“ fängt der Barbier nach einer Weile mit geheimnißvoller Precioſität zu liſpeln an, „wenn mich nicht Alles trügt, ſo war Ihnen, mein Werthe- ſter, bis jezt noch völlig unbewußt, welche ſeltene Connaiſſancen Sie in hieſiger Stadt zu erneuern Ge- legenheit finden würden.“
„Wirklich?“ antwortete der Maler; „es fiel mir nicht im Traume ein, daß mir dein edles Angeſicht hier wieder begegnen ſollte, aber Berg und Thal kom- men zuſammen und das nächſte Mal ſeh ich dich, ſo Gott will, am Galgen.“
„Aye! je vous rends mille graces! Sie ſcher- zen, mein Beſter. Doch ich ſprach ſo eben nicht ſo- wohl von meiner Wenigkeit, als vielmehr von einer gewiſſen Perſon, die früher ſehr an Sie attachirt, ge- genwärtig in unſern Mauern habitirt, freilich unter ſo prekären Umſtänden, daß ich zweifle, ob ein Mann
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weſenheit ſeines chmaligen Herrn fallen laſſen, ſo
ſpringt Wispel wie beſeſſen auf, nimmt Hut und
Stock, und fliegt, über Stühle und Bänke wegſetzend,
davon, indem der Kutſcher ihm eben ſo flugfertig auf
dem Fuße nachfolgt, eh’ die verblüffte Geſellſchaft nur
fragen kann, was der tolle Auftritt bedeute.
Eben kommt Konrad noch zu der erſtaunlichen
Scene, wo Wispel ſich dem Maler zu erkennen ge-
geben hat. Dieſer ſaß eben mit den beiden Mädchen
auf ſeinem Zimmer beim Nachteſſen und Jedes ergözte
ſich nun von ganzem Herzen an dieſer lächerlichen Er-
ſcheinung. „Aber,“ fängt der Barbier nach einer Weile
mit geheimnißvoller Precioſität zu liſpeln an, „wenn
mich nicht Alles trügt, ſo war Ihnen, mein Werthe-
ſter, bis jezt noch völlig unbewußt, welche ſeltene
Connaiſſancen Sie in hieſiger Stadt zu erneuern Ge-
legenheit finden würden.“
„Wirklich?“ antwortete der Maler; „es fiel mir
nicht im Traume ein, daß mir dein edles Angeſicht
hier wieder begegnen ſollte, aber Berg und Thal kom-
men zuſammen und das nächſte Mal ſeh ich dich, ſo
Gott will, am Galgen.“
„Aye! je vous rends mille graces! Sie ſcher-
zen, mein Beſter. Doch ich ſprach ſo eben nicht ſo-
wohl von meiner Wenigkeit, als vielmehr von einer
gewiſſen Perſon, die früher ſehr an Sie attachirt, ge-
genwärtig in unſern Mauern habitirt, freilich unter
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/181>, abgerufen am 24.11.2024.
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