Aug' hatte. Er nippte zimpferlich aus einem Kelche Schnaps, warf wichtige Blicke umher, klimperte mit dem Messer auf dem Teller und suchte sich auf alle Art bemerklich zu machen.
"Habt ihr," fing der Büchsenmacher gegen die Andern gewendet an, "ei, habt ihr von dem Joko, dem brasilianischen Affen, auch schon gehört, von dem wirk- lich in allen Zeitungen steht?
"Ja," erwiderte Joseph, "aber er soll sich flüch- tig gemacht haben; man vermuthet, daß er einer Thea- tergarderobe Ein und Anderes entwendet, sich Ge- sicht und Hände rasirt und so, gänzlich unkennbar, be- schlossen habe, sich die Welt ein wenig zu mustern."
Diese Rede gab Wispeln Gelegenheit, über das bekannte Ballet ein kunstverständiges Gespräch mit seinem nächsten Nachbar, dem Kutscher unserer drei Reisenden, anzubinden. Konrad, die hochtrabenden Floskeln des Windbeutels keineswegs zu erwidern im Stande, nahm seinen ganzen Witz zusammen, ihn seinerseits zum Besten zu haben, woran denn die Gesellschaft ihren köstlichen Spaß hatte. Je länger aber der Kutscher sich seinen Mann betrachtet, desto mehr kommt ihm vor, als hätte er den Menschen schon irgendwo gesehen, ja zulezt geht ihm wirklich ein Licht auf: zu Neuburg selbst war es gewesen, wo Nolten vor drei Jahren diesen Wicht als dienendes Subjekt bei sich gehabt. Kaum hat ihm Konrad seinen Gedanken zugeraunt und etwas von der An-
Aug’ hatte. Er nippte zimpferlich aus einem Kelche Schnaps, warf wichtige Blicke umher, klimperte mit dem Meſſer auf dem Teller und ſuchte ſich auf alle Art bemerklich zu machen.
„Habt ihr,“ fing der Büchſenmacher gegen die Andern gewendet an, „ei, habt ihr von dem Joko, dem braſilianiſchen Affen, auch ſchon gehört, von dem wirk- lich in allen Zeitungen ſteht?
„Ja,“ erwiderte Joſeph, „aber er ſoll ſich flüch- tig gemacht haben; man vermuthet, daß er einer Thea- tergarderobe Ein und Anderes entwendet, ſich Ge- ſicht und Hände raſirt und ſo, gänzlich unkennbar, be- ſchloſſen habe, ſich die Welt ein wenig zu muſtern.“
Dieſe Rede gab Wispeln Gelegenheit, über das bekannte Ballet ein kunſtverſtändiges Geſpräch mit ſeinem nächſten Nachbar, dem Kutſcher unſerer drei Reiſenden, anzubinden. Konrad, die hochtrabenden Floskeln des Windbeutels keineswegs zu erwidern im Stande, nahm ſeinen ganzen Witz zuſammen, ihn ſeinerſeits zum Beſten zu haben, woran denn die Geſellſchaft ihren köſtlichen Spaß hatte. Je länger aber der Kutſcher ſich ſeinen Mann betrachtet, deſto mehr kommt ihm vor, als hätte er den Menſchen ſchon irgendwo geſehen, ja zulezt geht ihm wirklich ein Licht auf: zu Neuburg ſelbſt war es geweſen, wo Nolten vor drei Jahren dieſen Wicht als dienendes Subjekt bei ſich gehabt. Kaum hat ihm Konrad ſeinen Gedanken zugeraunt und etwas von der An-
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Aug’ hatte. Er nippte zimpferlich aus einem Kelche
Schnaps, warf wichtige Blicke umher, klimperte mit
dem Meſſer auf dem Teller und ſuchte ſich auf alle
Art bemerklich zu machen.
„Habt ihr,“ fing der Büchſenmacher gegen die
Andern gewendet an, „ei, habt ihr von dem Joko, dem
braſilianiſchen Affen, auch ſchon gehört, von dem wirk-
lich in allen Zeitungen ſteht?
„Ja,“ erwiderte Joſeph, „aber er ſoll ſich flüch-
tig gemacht haben; man vermuthet, daß er einer Thea-
tergarderobe Ein und Anderes entwendet, ſich Ge-
ſicht und Hände raſirt und ſo, gänzlich unkennbar, be-
ſchloſſen habe, ſich die Welt ein wenig zu muſtern.“
Dieſe Rede gab Wispeln Gelegenheit, über das
bekannte Ballet ein kunſtverſtändiges Geſpräch mit
ſeinem nächſten Nachbar, dem Kutſcher unſerer drei
Reiſenden, anzubinden. Konrad, die hochtrabenden
Floskeln des Windbeutels keineswegs zu erwidern
im Stande, nahm ſeinen ganzen Witz zuſammen, ihn
ſeinerſeits zum Beſten zu haben, woran denn die
Geſellſchaft ihren köſtlichen Spaß hatte. Je länger
aber der Kutſcher ſich ſeinen Mann betrachtet, deſto
mehr kommt ihm vor, als hätte er den Menſchen
ſchon irgendwo geſehen, ja zulezt geht ihm wirklich
ein Licht auf: zu Neuburg ſelbſt war es geweſen, wo
Nolten vor drei Jahren dieſen Wicht als dienendes
Subjekt bei ſich gehabt. Kaum hat ihm Konrad
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/180>, abgerufen am 24.11.2024.
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