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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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einige Mal, ohne Erfolg; endlich fühle ich meine Nase
zärtlich von zwei eiskalten Fingerspitzen gehalten, ich
fahre auf und der Freund hat eben noch Zeit, sich
meinem Zorn durch eine schnelle Ausbeugung zu ent-
ziehen. Allein wie groß war mein Erstaunen, als ich
den Hundsfott im neuen schwarzen Frak, mit neumo-
disch hoher Halsbinde und süperbem Hemdstrich in der
Ecke stehen sah. Die mir wohlbekannte verblichene
Hose aus Nanking und die abgenuzten Schuhe zeugten
zwar noch von gestern und ehegestern, aber die übrige
Pracht, woher kam sie an solchen Schuft? Gestohlen
oder entlehnt waren wenigstens die Kleider nicht, denn
bald fand ich die quittirten Rechnungen von Tuch-
händler und Schneider mit Stecknadeln wie Schmet-
terlinge an das bekannte armselige Hütchen gesteckt,
das naseweis von dem hohen Bettstollen auf seinen
veränderten Herrn blickte. Vergebens waren alle meine
Fragen über diese glücklich begonnene Besserung der
Umstände meines Tropfen; ich erhielt nur ein geheim-
nißvolles Lächeln und noch heute ist mir das Räthsel
nicht gelöst. Der Schuft muß auch baare Münze
haben; er sprach mir von Schadloshaltung, von einem
Kostgeld und dergleichen. Uebrigens speis't er, wie
ich höre, jezt regelmäßig im goldenen Schwan. Nun!
sagt mir, ist einer unter euch, der mir beweis't, es
gehe so was mit natürlichen, oder doch ehrlichen Din-
gen zu? Sagt, muß man den Menschen nicht in ein
freundschaftliches Verhör nehmen, ehe die Obrigkeit
Verdacht schöpft und unsern Bruder einsteckt?"

einige Mal, ohne Erfolg; endlich fühle ich meine Naſe
zärtlich von zwei eiskalten Fingerſpitzen gehalten, ich
fahre auf und der Freund hat eben noch Zeit, ſich
meinem Zorn durch eine ſchnelle Ausbeugung zu ent-
ziehen. Allein wie groß war mein Erſtaunen, als ich
den Hundsfott im neuen ſchwarzen Frak, mit neumo-
diſch hoher Halsbinde und ſüperbem Hemdſtrich in der
Ecke ſtehen ſah. Die mir wohlbekannte verblichene
Hoſe aus Nanking und die abgenuzten Schuhe zeugten
zwar noch von geſtern und ehegeſtern, aber die übrige
Pracht, woher kam ſie an ſolchen Schuft? Geſtohlen
oder entlehnt waren wenigſtens die Kleider nicht, denn
bald fand ich die quittirten Rechnungen von Tuch-
händler und Schneider mit Stecknadeln wie Schmet-
terlinge an das bekannte armſelige Hütchen geſteckt,
das naſeweis von dem hohen Bettſtollen auf ſeinen
veränderten Herrn blickte. Vergebens waren alle meine
Fragen über dieſe glücklich begonnene Beſſerung der
Umſtände meines Tropfen; ich erhielt nur ein geheim-
nißvolles Lächeln und noch heute iſt mir das Räthſel
nicht gelöst. Der Schuft muß auch baare Münze
haben; er ſprach mir von Schadloshaltung, von einem
Koſtgeld und dergleichen. Uebrigens ſpeiſ’t er, wie
ich höre, jezt regelmäßig im goldenen Schwan. Nun!
ſagt mir, iſt einer unter euch, der mir beweiſ’t, es
gehe ſo was mit natürlichen, oder doch ehrlichen Din-
gen zu? Sagt, muß man den Menſchen nicht in ein
freundſchaftliches Verhör nehmen, ehe die Obrigkeit
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[489/0175] einige Mal, ohne Erfolg; endlich fühle ich meine Naſe zärtlich von zwei eiskalten Fingerſpitzen gehalten, ich fahre auf und der Freund hat eben noch Zeit, ſich meinem Zorn durch eine ſchnelle Ausbeugung zu ent- ziehen. Allein wie groß war mein Erſtaunen, als ich den Hundsfott im neuen ſchwarzen Frak, mit neumo- diſch hoher Halsbinde und ſüperbem Hemdſtrich in der Ecke ſtehen ſah. Die mir wohlbekannte verblichene Hoſe aus Nanking und die abgenuzten Schuhe zeugten zwar noch von geſtern und ehegeſtern, aber die übrige Pracht, woher kam ſie an ſolchen Schuft? Geſtohlen oder entlehnt waren wenigſtens die Kleider nicht, denn bald fand ich die quittirten Rechnungen von Tuch- händler und Schneider mit Stecknadeln wie Schmet- terlinge an das bekannte armſelige Hütchen geſteckt, das naſeweis von dem hohen Bettſtollen auf ſeinen veränderten Herrn blickte. Vergebens waren alle meine Fragen über dieſe glücklich begonnene Beſſerung der Umſtände meines Tropfen; ich erhielt nur ein geheim- nißvolles Lächeln und noch heute iſt mir das Räthſel nicht gelöst. Der Schuft muß auch baare Münze haben; er ſprach mir von Schadloshaltung, von einem Koſtgeld und dergleichen. Uebrigens ſpeiſ’t er, wie ich höre, jezt regelmäßig im goldenen Schwan. Nun! ſagt mir, iſt einer unter euch, der mir beweiſ’t, es gehe ſo was mit natürlichen, oder doch ehrlichen Din- gen zu? Sagt, muß man den Menſchen nicht in ein freundſchaftliches Verhör nehmen, ehe die Obrigkeit Verdacht ſchöpft und unſern Bruder einſteckt?“

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/175>, abgerufen am 25.11.2024.