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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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Ahnungen zu widerrufen, und nannte es sündhafte
Schwäche, dergleichen bösen Zweifeln nachzugeben, die
man durch aufrichtiges Gebet jederzeit am sichersten
los werde, und es sey auch gewiß das lezte Mal,
daß Nolten sie so kindisch gesehen. Mit der natür-
lichen Beredtsamkeit eines frommen Gemüths empfahl
sie ihm Vertrauen auf Gottes Macht und Liebe, von
welcher sie nach solcher Anfechtung nur um so freu-
digeres Zeugniß in ihrem Innersten empfangen habe.
-- So wahr ihr auch dieß Alles aus dem Her-
zen floß, so wich sie Noltens Fragen, was denn
eigentlich der Grund jenes Verzagens gewesen sey,
mit einiger Unruhe aus. Sie glaubte ihn mit dem
Bekenntnisse verschonen zu müssen, daß, als sie gestern
den Brief des Hofraths gelesen, ihre Freude hierüber
auf der Stelle mit einer dunkeln Furcht vor diesem
Glück, vielleicht gerade weil es ihr zu groß gedäucht,
seltsam gemischt gewesen war.

Den folgenden Tag war die Beisetzung des Ba-
rons. Alle, auch Agnes, die ihm die Todtenkrone
flocht, hatten ihn noch im Sarge gesehen, und einen
durchaus reinen und erhebenden Eindruck von seinem
Liebe-Bild zurückbehalten. Raymund, mit einem
dankbaren Schreiben Theobalds an den Hofrath,
war zeitig weiter gegangen. Zur festgesezten Zeit
wollten beide Künstler sich an dem neuen Orte ihrer
Bestimmung fröhlicher wieder begrüßen, als sie sich
jetzo trennten.

Ahnungen zu widerrufen, und nannte es ſündhafte
Schwäche, dergleichen böſen Zweifeln nachzugeben, die
man durch aufrichtiges Gebet jederzeit am ſicherſten
los werde, und es ſey auch gewiß das lezte Mal,
daß Nolten ſie ſo kindiſch geſehen. Mit der natür-
lichen Beredtſamkeit eines frommen Gemüths empfahl
ſie ihm Vertrauen auf Gottes Macht und Liebe, von
welcher ſie nach ſolcher Anfechtung nur um ſo freu-
digeres Zeugniß in ihrem Innerſten empfangen habe.
— So wahr ihr auch dieß Alles aus dem Her-
zen floß, ſo wich ſie Noltens Fragen, was denn
eigentlich der Grund jenes Verzagens geweſen ſey,
mit einiger Unruhe aus. Sie glaubte ihn mit dem
Bekenntniſſe verſchonen zu müſſen, daß, als ſie geſtern
den Brief des Hofraths geleſen, ihre Freude hierüber
auf der Stelle mit einer dunkeln Furcht vor dieſem
Glück, vielleicht gerade weil es ihr zu groß gedäucht,
ſeltſam gemiſcht geweſen war.

Den folgenden Tag war die Beiſetzung des Ba-
rons. Alle, auch Agnes, die ihm die Todtenkrone
flocht, hatten ihn noch im Sarge geſehen, und einen
durchaus reinen und erhebenden Eindruck von ſeinem
Liebe-Bild zurückbehalten. Raymund, mit einem
dankbaren Schreiben Theobalds an den Hofrath,
war zeitig weiter gegangen. Zur feſtgeſezten Zeit
wollten beide Künſtler ſich an dem neuen Orte ihrer
Beſtimmung fröhlicher wieder begrüßen, als ſie ſich
jetzo trennten.

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[470/0156] Ahnungen zu widerrufen, und nannte es ſündhafte Schwäche, dergleichen böſen Zweifeln nachzugeben, die man durch aufrichtiges Gebet jederzeit am ſicherſten los werde, und es ſey auch gewiß das lezte Mal, daß Nolten ſie ſo kindiſch geſehen. Mit der natür- lichen Beredtſamkeit eines frommen Gemüths empfahl ſie ihm Vertrauen auf Gottes Macht und Liebe, von welcher ſie nach ſolcher Anfechtung nur um ſo freu- digeres Zeugniß in ihrem Innerſten empfangen habe. — So wahr ihr auch dieß Alles aus dem Her- zen floß, ſo wich ſie Noltens Fragen, was denn eigentlich der Grund jenes Verzagens geweſen ſey, mit einiger Unruhe aus. Sie glaubte ihn mit dem Bekenntniſſe verſchonen zu müſſen, daß, als ſie geſtern den Brief des Hofraths geleſen, ihre Freude hierüber auf der Stelle mit einer dunkeln Furcht vor dieſem Glück, vielleicht gerade weil es ihr zu groß gedäucht, ſeltſam gemiſcht geweſen war. Den folgenden Tag war die Beiſetzung des Ba- rons. Alle, auch Agnes, die ihm die Todtenkrone flocht, hatten ihn noch im Sarge geſehen, und einen durchaus reinen und erhebenden Eindruck von ſeinem Liebe-Bild zurückbehalten. Raymund, mit einem dankbaren Schreiben Theobalds an den Hofrath, war zeitig weiter gegangen. Zur feſtgeſezten Zeit wollten beide Künſtler ſich an dem neuen Orte ihrer Beſtimmung fröhlicher wieder begrüßen, als ſie ſich jetzo trennten.

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/156>, abgerufen am 27.11.2024.