"Bald oder nicht! wie man's nimmt; jeder Tag später macht mir lange Weile!" rief Raymund, indem er sich ungeduldig auf dem Absatz herumwarf. "In zwei Monaten ist der Termin."
"Da wird man erst ein Pärchen aus Euch machen müssen?" sagte der Pfarrer zu Agnes hin.
"Dacht' ich es doch!" rief Raymund, "bleibt mir nur, ihr schwarzen Herrn, mit euren Weitläuftig- keiten fort! So viel ihr aus den Beiden machen könnt, sind sie ja schon." Er sprach dieß halb im Scherz, doch hätte der Pfarrer nicht wissen dürfen, daß er die Geistlichen für etwas Ueberflüssiges hielt und nie recht hatte leiden mögen.
"Wie?" rief Amandus, "Sie sind, wie ich höre, auch Bräutigam: Sie lassen sich wohl gar nicht kopuliren?"
"Bewahre Gott mich davor!" antwortete der Bildhauer. "Die Kopula ist schon gefunden."
"So sind Sie ein Heide?"
"Und zwar ein frommer!"
"Doch was sagt Ihre Braut zu Ihrem Vorsatz?"
"Ich habe sie noch nicht gefragt."
"Und" sagte der Pfarrer, leicht abbrechend "was spricht lieb Agneschen?" Sie schaute auf, sie hatte nicht gehört, wovon die Rede war, da sie sich ange- legentlich mit Nolten unterhielt. Nach der sonder- baren, beinahe verdrießlichen Wendung, welche das Gespräch der beiden Männer genommen, war es na-
„Bald oder nicht! wie man’s nimmt; jeder Tag ſpäter macht mir lange Weile!“ rief Raymund, indem er ſich ungeduldig auf dem Abſatz herumwarf. „In zwei Monaten iſt der Termin.“
„Da wird man erſt ein Pärchen aus Euch machen müſſen?“ ſagte der Pfarrer zu Agnes hin.
„Dacht’ ich es doch!“ rief Raymund, „bleibt mir nur, ihr ſchwarzen Herrn, mit euren Weitläuftig- keiten fort! So viel ihr aus den Beiden machen könnt, ſind ſie ja ſchon.“ Er ſprach dieß halb im Scherz, doch hätte der Pfarrer nicht wiſſen dürfen, daß er die Geiſtlichen für etwas Ueberflüſſiges hielt und nie recht hatte leiden mögen.
„Wie?“ rief Amandus, „Sie ſind, wie ich höre, auch Bräutigam: Sie laſſen ſich wohl gar nicht kopuliren?“
„Und“ ſagte der Pfarrer, leicht abbrechend „was ſpricht lieb Agneschen?“ Sie ſchaute auf, ſie hatte nicht gehört, wovon die Rede war, da ſie ſich ange- legentlich mit Nolten unterhielt. Nach der ſonder- baren, beinahe verdrießlichen Wendung, welche das Geſpräch der beiden Männer genommen, war es na-
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„Bald oder nicht! wie man’s nimmt; jeder Tag
ſpäter macht mir lange Weile!“ rief Raymund,
indem er ſich ungeduldig auf dem Abſatz herumwarf.
„In zwei Monaten iſt der Termin.“
„Da wird man erſt ein Pärchen aus Euch machen
müſſen?“ ſagte der Pfarrer zu Agnes hin.
„Dacht’ ich es doch!“ rief Raymund, „bleibt
mir nur, ihr ſchwarzen Herrn, mit euren Weitläuftig-
keiten fort! So viel ihr aus den Beiden machen könnt,
ſind ſie ja ſchon.“ Er ſprach dieß halb im Scherz,
doch hätte der Pfarrer nicht wiſſen dürfen, daß er die
Geiſtlichen für etwas Ueberflüſſiges hielt und nie recht
hatte leiden mögen.
„Wie?“ rief Amandus, „Sie ſind, wie ich
höre, auch Bräutigam: Sie laſſen ſich wohl gar nicht
kopuliren?“
„Bewahre Gott mich davor!“ antwortete der
Bildhauer. „Die Kopula iſt ſchon gefunden.“
„So ſind Sie ein Heide?“
„Und zwar ein frommer!“
„Doch was ſagt Ihre Braut zu Ihrem Vorſatz?“
„Ich habe ſie noch nicht gefragt.“
„Und“ ſagte der Pfarrer, leicht abbrechend „was
ſpricht lieb Agneschen?“ Sie ſchaute auf, ſie hatte
nicht gehört, wovon die Rede war, da ſie ſich ange-
legentlich mit Nolten unterhielt. Nach der ſonder-
baren, beinahe verdrießlichen Wendung, welche das
Geſpräch der beiden Männer genommen, war es na-
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/145>, abgerufen am 23.07.2024.
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