zu einander und wären beinahe eben so wieder ge- schieden, als kaum noch zu rechter Zeit sich entdeckte, daß wir die gleiche Absicht hätten. Wer weiß mir eine artigere Fügung? Ich war's zufrieden, sogleich nach Halmedorf mitzureiten. Dort hieß man mich denn freundlich bleiben, und Herr Pastor war ganz glückselig, eine doppelte Ueberraschung veranstalten zu können. Der Plan zu diesen Späßen ward heute früh entworfen, und gerne ließ ich mir's gefallen, mein Mittagsmahl hier unter freiem Himmel zu verzehren, von Volkers rothem Wein zu trinken und meine Rolle einzuüben. Auch hab' ich, wenn man Lust hätte, den Geiger zu malen, diesem Hügel vorläufig eine Ansicht abgemerkt, wo er sich als ein Hintergrund ganz unvergleichlich ausnehmen müßte."
Indessen spiegelte sich auf Noltens Angesicht die erhaltene Botschaft mit leserlicher Freude; ja so mächtig ergriffen war er, daß er Agnesen das Blatt nur still hinbieten und Raymunden die Hand nur mit einem leuchtenden Blicke des Dankes über den Tisch reichen konnte. "Nun," sagte Jener, "ich darf der Erste seyn, der Ihnen Glück wünscht." "So sind wir nicht die Lezten!" rief der Obrist mit dem Pfar- rer, indem man die Gläser erhob. Agnesen stürzte eine Thräne aus den schönen Augen und auch sie hob ihr Glas. Es wurde sofort erklärt: daß Nolten und Raymund einen sehr vortheilhaften Ruf in die Dienste eines hochgebildeten und verehrten Fürsten
zu einander und wären beinahe eben ſo wieder ge- ſchieden, als kaum noch zu rechter Zeit ſich entdeckte, daß wir die gleiche Abſicht hätten. Wer weiß mir eine artigere Fügung? Ich war’s zufrieden, ſogleich nach Halmedorf mitzureiten. Dort hieß man mich denn freundlich bleiben, und Herr Paſtor war ganz glückſelig, eine doppelte Ueberraſchung veranſtalten zu können. Der Plan zu dieſen Späßen ward heute früh entworfen, und gerne ließ ich mir’s gefallen, mein Mittagsmahl hier unter freiem Himmel zu verzehren, von Volkers rothem Wein zu trinken und meine Rolle einzuüben. Auch hab’ ich, wenn man Luſt hätte, den Geiger zu malen, dieſem Hügel vorläufig eine Anſicht abgemerkt, wo er ſich als ein Hintergrund ganz unvergleichlich ausnehmen müßte.“
Indeſſen ſpiegelte ſich auf Noltens Angeſicht die erhaltene Botſchaft mit leſerlicher Freude; ja ſo mächtig ergriffen war er, daß er Agneſen das Blatt nur ſtill hinbieten und Raymunden die Hand nur mit einem leuchtenden Blicke des Dankes über den Tiſch reichen konnte. „Nun,“ ſagte Jener, „ich darf der Erſte ſeyn, der Ihnen Glück wünſcht.“ „So ſind wir nicht die Lezten!“ rief der Obriſt mit dem Pfar- rer, indem man die Gläſer erhob. Agneſen ſtürzte eine Thräne aus den ſchönen Augen und auch ſie hob ihr Glas. Es wurde ſofort erklärt: daß Nolten und Raymund einen ſehr vortheilhaften Ruf in die Dienſte eines hochgebildeten und verehrten Fürſten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0143"n="457"/>
zu einander und wären beinahe eben ſo wieder ge-<lb/>ſchieden, als kaum noch zu rechter Zeit ſich entdeckte,<lb/>
daß wir die gleiche Abſicht hätten. Wer weiß mir<lb/>
eine artigere Fügung? Ich war’s zufrieden, ſogleich<lb/>
nach Halmedorf mitzureiten. Dort hieß man mich<lb/>
denn freundlich bleiben, und Herr Paſtor war ganz<lb/>
glückſelig, eine doppelte Ueberraſchung veranſtalten zu<lb/>
können. Der Plan zu dieſen Späßen ward heute früh<lb/>
entworfen, und gerne ließ ich mir’s gefallen, mein<lb/>
Mittagsmahl hier unter freiem Himmel zu verzehren,<lb/>
von <hirendition="#g">Volkers</hi> rothem Wein zu trinken und meine<lb/>
Rolle einzuüben. Auch hab’ ich, wenn man Luſt hätte,<lb/>
den Geiger zu malen, dieſem Hügel vorläufig eine<lb/>
Anſicht abgemerkt, wo er ſich als ein Hintergrund<lb/>
ganz unvergleichlich ausnehmen müßte.“</p><lb/><p>Indeſſen ſpiegelte ſich auf <hirendition="#g">Noltens</hi> Angeſicht<lb/>
die erhaltene Botſchaft mit leſerlicher Freude; ja ſo<lb/>
mächtig ergriffen war er, daß er <hirendition="#g">Agneſen</hi> das Blatt<lb/>
nur ſtill hinbieten und <hirendition="#g">Raymunden</hi> die Hand nur<lb/>
mit einem leuchtenden Blicke des Dankes über den<lb/>
Tiſch reichen konnte. „Nun,“ſagte Jener, „ich darf<lb/>
der Erſte ſeyn, der Ihnen Glück wünſcht.“„So ſind<lb/>
wir nicht die Lezten!“ rief der Obriſt mit dem Pfar-<lb/>
rer, indem man die Gläſer erhob. <hirendition="#g">Agneſen</hi>ſtürzte<lb/>
eine Thräne aus den ſchönen Augen und auch ſie hob<lb/>
ihr Glas. Es wurde ſofort erklärt: daß <hirendition="#g">Nolten</hi> und<lb/><hirendition="#g">Raymund</hi> einen ſehr vortheilhaften Ruf in die<lb/>
Dienſte eines hochgebildeten und verehrten Fürſten<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[457/0143]
zu einander und wären beinahe eben ſo wieder ge-
ſchieden, als kaum noch zu rechter Zeit ſich entdeckte,
daß wir die gleiche Abſicht hätten. Wer weiß mir
eine artigere Fügung? Ich war’s zufrieden, ſogleich
nach Halmedorf mitzureiten. Dort hieß man mich
denn freundlich bleiben, und Herr Paſtor war ganz
glückſelig, eine doppelte Ueberraſchung veranſtalten zu
können. Der Plan zu dieſen Späßen ward heute früh
entworfen, und gerne ließ ich mir’s gefallen, mein
Mittagsmahl hier unter freiem Himmel zu verzehren,
von Volkers rothem Wein zu trinken und meine
Rolle einzuüben. Auch hab’ ich, wenn man Luſt hätte,
den Geiger zu malen, dieſem Hügel vorläufig eine
Anſicht abgemerkt, wo er ſich als ein Hintergrund
ganz unvergleichlich ausnehmen müßte.“
Indeſſen ſpiegelte ſich auf Noltens Angeſicht
die erhaltene Botſchaft mit leſerlicher Freude; ja ſo
mächtig ergriffen war er, daß er Agneſen das Blatt
nur ſtill hinbieten und Raymunden die Hand nur
mit einem leuchtenden Blicke des Dankes über den
Tiſch reichen konnte. „Nun,“ ſagte Jener, „ich darf
der Erſte ſeyn, der Ihnen Glück wünſcht.“ „So ſind
wir nicht die Lezten!“ rief der Obriſt mit dem Pfar-
rer, indem man die Gläſer erhob. Agneſen ſtürzte
eine Thräne aus den ſchönen Augen und auch ſie hob
ihr Glas. Es wurde ſofort erklärt: daß Nolten und
Raymund einen ſehr vortheilhaften Ruf in die
Dienſte eines hochgebildeten und verehrten Fürſten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/143>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.