wir einen fremden Offizier, einen Obrist, im Hause, der eigentlich bloß dich hier erwartet; er ist nur eben ausgeritten, wird aber nicht bis Abend ausblei- ben. Er langte gestern spät hier an, und weil wir kein anständiges Wirthshaus im Dorf haben, lud er sich auf das Höflichste bei mir zu Gaste, das mir denn um so größre Ehre war, als ich einen Freund von dir in ihm vermuthete. Allein ich merkte bald, daß es mit der Freundschaft nicht so recht seyn müsse; er nannte deinen Namen kaum, und verstummte nachdenklich, beinahe finster, wenn ich von dir anfing; im Uebrigen zeigte sein Gespräch viel Welterfahrung und alle die Anmuth, die man bei gebildeten Militärs zuweilen findet. Meine Frau zwar gab mir gleich bei seinem Empfang nicht undeutlich zu verstehen, er habe ihr so ein visage de contrebande, und in der That, ich weiß nicht -- das Geheimnißvolle in Be- ziehung auf dich -- er könnte -- wenn er dir nur nichts anhaben will" --
"Wie heißt er denn?"
"Ja, gehorsamer Diener, das hat er mir nicht gesagt."
"Woher denn? in welchen Diensten?" fragte Nolten dringender und nicht ohne einige Bewegung, denn augenblicklich, er wußte nicht warum, fiel ihm ein Bruder Constanzens ein, der noch in der lezten Zeit von des Malers Aufenthalt in jener Residenz, bei der Gräfin zu Besuch gewesen seyn sollte. Er
wir einen fremden Offizier, einen Obriſt, im Hauſe, der eigentlich bloß dich hier erwartet; er iſt nur eben ausgeritten, wird aber nicht bis Abend ausblei- ben. Er langte geſtern ſpät hier an, und weil wir kein anſtändiges Wirthshaus im Dorf haben, lud er ſich auf das Höflichſte bei mir zu Gaſte, das mir denn um ſo größre Ehre war, als ich einen Freund von dir in ihm vermuthete. Allein ich merkte bald, daß es mit der Freundſchaft nicht ſo recht ſeyn müſſe; er nannte deinen Namen kaum, und verſtummte nachdenklich, beinahe finſter, wenn ich von dir anfing; im Uebrigen zeigte ſein Geſpräch viel Welterfahrung und alle die Anmuth, die man bei gebildeten Militärs zuweilen findet. Meine Frau zwar gab mir gleich bei ſeinem Empfang nicht undeutlich zu verſtehen, er habe ihr ſo ein visage de contrebande, und in der That, ich weiß nicht — das Geheimnißvolle in Be- ziehung auf dich — er könnte — wenn er dir nur nichts anhaben will“ —
„Wie heißt er denn?“
„Ja, gehorſamer Diener, das hat er mir nicht geſagt.“
„Woher denn? in welchen Dienſten?“ fragte Nolten dringender und nicht ohne einige Bewegung, denn augenblicklich, er wußte nicht warum, fiel ihm ein Bruder Conſtanzens ein, der noch in der lezten Zeit von des Malers Aufenthalt in jener Reſidenz, bei der Gräfin zu Beſuch geweſen ſeyn ſollte. Er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0123"n="437"/>
wir einen fremden Offizier, einen Obriſt, im Hauſe,<lb/>
der eigentlich bloß <hirendition="#g">dich</hi> hier erwartet; er iſt nur<lb/>
eben ausgeritten, wird aber nicht bis Abend ausblei-<lb/>
ben. Er langte geſtern ſpät hier an, und weil wir<lb/>
kein anſtändiges Wirthshaus im Dorf haben, lud er<lb/>ſich auf das Höflichſte bei mir zu Gaſte, das mir<lb/>
denn um ſo größre Ehre war, als ich einen Freund<lb/>
von dir in ihm vermuthete. Allein ich merkte bald,<lb/>
daß es mit der Freundſchaft nicht ſo recht ſeyn müſſe;<lb/>
er nannte deinen Namen kaum, und verſtummte<lb/>
nachdenklich, beinahe finſter, wenn ich von dir anfing;<lb/>
im Uebrigen zeigte ſein Geſpräch viel Welterfahrung<lb/>
und alle die Anmuth, die man bei gebildeten Militärs<lb/>
zuweilen findet. Meine Frau zwar gab mir gleich<lb/>
bei ſeinem Empfang nicht undeutlich zu verſtehen, er<lb/>
habe ihr ſo ein <hirendition="#aq">visage de contrebande,</hi> und in der<lb/>
That, ich weiß nicht — das Geheimnißvolle in Be-<lb/>
ziehung auf dich — er könnte — wenn er dir nur<lb/>
nichts anhaben will“—</p><lb/><p>„Wie heißt er denn?“</p><lb/><p>„Ja, gehorſamer Diener, das hat er mir nicht<lb/>
geſagt.“</p><lb/><p>„Woher denn? in welchen Dienſten?“ fragte<lb/><hirendition="#g">Nolten</hi> dringender und nicht ohne einige Bewegung,<lb/>
denn augenblicklich, er wußte nicht warum, fiel ihm<lb/>
ein Bruder <hirendition="#g">Conſtanzens</hi> ein, der noch in der lezten<lb/>
Zeit von des Malers Aufenthalt in jener Reſidenz,<lb/>
bei der Gräfin zu Beſuch geweſen ſeyn ſollte. Er<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[437/0123]
wir einen fremden Offizier, einen Obriſt, im Hauſe,
der eigentlich bloß dich hier erwartet; er iſt nur
eben ausgeritten, wird aber nicht bis Abend ausblei-
ben. Er langte geſtern ſpät hier an, und weil wir
kein anſtändiges Wirthshaus im Dorf haben, lud er
ſich auf das Höflichſte bei mir zu Gaſte, das mir
denn um ſo größre Ehre war, als ich einen Freund
von dir in ihm vermuthete. Allein ich merkte bald,
daß es mit der Freundſchaft nicht ſo recht ſeyn müſſe;
er nannte deinen Namen kaum, und verſtummte
nachdenklich, beinahe finſter, wenn ich von dir anfing;
im Uebrigen zeigte ſein Geſpräch viel Welterfahrung
und alle die Anmuth, die man bei gebildeten Militärs
zuweilen findet. Meine Frau zwar gab mir gleich
bei ſeinem Empfang nicht undeutlich zu verſtehen, er
habe ihr ſo ein visage de contrebande, und in der
That, ich weiß nicht — das Geheimnißvolle in Be-
ziehung auf dich — er könnte — wenn er dir nur
nichts anhaben will“ —
„Wie heißt er denn?“
„Ja, gehorſamer Diener, das hat er mir nicht
geſagt.“
„Woher denn? in welchen Dienſten?“ fragte
Nolten dringender und nicht ohne einige Bewegung,
denn augenblicklich, er wußte nicht warum, fiel ihm
ein Bruder Conſtanzens ein, der noch in der lezten
Zeit von des Malers Aufenthalt in jener Reſidenz,
bei der Gräfin zu Beſuch geweſen ſeyn ſollte. Er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/123>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.