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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832.

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mich unter allen am meisten anzog, so lebhaft wie
nur irgend Einer, mitmachte. Jüngere Kinder, dar-
unter auch Agues, hörten des Abends gern meine
Mährchen von dienstbaren Geistern, die mir mit Hülfe
und Schrecken jederzeit zu Gebote standen. Sie durf-
ten dabei an einer hölzernen Treppenwand zwei Ast-
löcher sehen, wo jene zarten Gesellen eingesperrt wa-
ren; das Eine, vor das ich ein dunkles Läppchen ge-
nagelt hatte, verwahrte die bösen, ein anderes (oder
das vielmehr keines war, denn der runde Knoten
stack noch natürlich in's Holz geschlossen) die freund-
lichen Geister; wenn nun zu gewissen Tagszeiten eben
die Sonne dahinter schien, so war der Pfropf vom
schönsten Purpur brennend roth erleuchtet; diesen Ein-
gang, so lange die Rundung noch so glühend durch-
sichtig schien, konnten die luftigen Wesen gar leicht
aus und ein durchschweben; unmittelbar dahinter
dachte man sich in sehr verjüngtem Maasstab eine
ziemlich weit verbreitete See mit lieblichen, duftigen
Inseln. Nun war das eine Freude, die Kinder, die
andächtig um mich herstanden, ein Köpfchen ums andre
hinaufzulüpfen, um all die Pracht so nahe wie mög-
lich zu sehn, und Jedes glaubte in der schönen Gluth
die wunderbarsten Dinge zu entdecken; natürlich! hab'
ich's doch beinah selbst geglaubt! -- Jedoch, es ist
nicht schicklich, so lange von sich selbst zu reden, nur
wenn Sie das Bekenntniß belustigen kann, Papa, so
will ich gern gestehn, daß der alte Theobald noch

mich unter allen am meiſten anzog, ſo lebhaft wie
nur irgend Einer, mitmachte. Jüngere Kinder, dar-
unter auch Agues, hörten des Abends gern meine
Mährchen von dienſtbaren Geiſtern, die mir mit Hülfe
und Schrecken jederzeit zu Gebote ſtanden. Sie durf-
ten dabei an einer hölzernen Treppenwand zwei Aſt-
löcher ſehen, wo jene zarten Geſellen eingeſperrt wa-
ren; das Eine, vor das ich ein dunkles Läppchen ge-
nagelt hatte, verwahrte die böſen, ein anderes (oder
das vielmehr keines war, denn der runde Knoten
ſtack noch natürlich in’s Holz geſchloſſen) die freund-
lichen Geiſter; wenn nun zu gewiſſen Tagszeiten eben
die Sonne dahinter ſchien, ſo war der Pfropf vom
ſchönſten Purpur brennend roth erleuchtet; dieſen Ein-
gang, ſo lange die Rundung noch ſo glühend durch-
ſichtig ſchien, konnten die luftigen Weſen gar leicht
aus und ein durchſchweben; unmittelbar dahinter
dachte man ſich in ſehr verjüngtem Maasſtab eine
ziemlich weit verbreitete See mit lieblichen, duftigen
Inſeln. Nun war das eine Freude, die Kinder, die
andächtig um mich herſtanden, ein Köpfchen ums andre
hinaufzulüpfen, um all die Pracht ſo nahe wie mög-
lich zu ſehn, und Jedes glaubte in der ſchönen Gluth
die wunderbarſten Dinge zu entdecken; natürlich! hab’
ich’s doch beinah ſelbſt geglaubt! — Jedoch, es iſt
nicht ſchicklich, ſo lange von ſich ſelbſt zu reden, nur
wenn Sie das Bekenntniß beluſtigen kann, Papa, ſo
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[419/0105] mich unter allen am meiſten anzog, ſo lebhaft wie nur irgend Einer, mitmachte. Jüngere Kinder, dar- unter auch Agues, hörten des Abends gern meine Mährchen von dienſtbaren Geiſtern, die mir mit Hülfe und Schrecken jederzeit zu Gebote ſtanden. Sie durf- ten dabei an einer hölzernen Treppenwand zwei Aſt- löcher ſehen, wo jene zarten Geſellen eingeſperrt wa- ren; das Eine, vor das ich ein dunkles Läppchen ge- nagelt hatte, verwahrte die böſen, ein anderes (oder das vielmehr keines war, denn der runde Knoten ſtack noch natürlich in’s Holz geſchloſſen) die freund- lichen Geiſter; wenn nun zu gewiſſen Tagszeiten eben die Sonne dahinter ſchien, ſo war der Pfropf vom ſchönſten Purpur brennend roth erleuchtet; dieſen Ein- gang, ſo lange die Rundung noch ſo glühend durch- ſichtig ſchien, konnten die luftigen Weſen gar leicht aus und ein durchſchweben; unmittelbar dahinter dachte man ſich in ſehr verjüngtem Maasſtab eine ziemlich weit verbreitete See mit lieblichen, duftigen Inſeln. Nun war das eine Freude, die Kinder, die andächtig um mich herſtanden, ein Köpfchen ums andre hinaufzulüpfen, um all die Pracht ſo nahe wie mög- lich zu ſehn, und Jedes glaubte in der ſchönen Gluth die wunderbarſten Dinge zu entdecken; natürlich! hab’ ich’s doch beinah ſelbſt geglaubt! — Jedoch, es iſt nicht ſchicklich, ſo lange von ſich ſelbſt zu reden, nur wenn Sie das Bekenntniß beluſtigen kann, Papa, ſo will ich gern geſtehn, daß der alte Theobald noch

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/105>, abgerufen am 25.11.2024.