dem er einige Sekunden wie besinnungslos gestanden, von sich gab. Wir schildern nicht, in welchem Kreis- laufe von Zerknirschung, Wuth, Verachtung und Weh- muth er sich nun wechselnd umgetrieben sah. Was blieb hier zu denken, was zu unternehmen übrig? Haß, Liebe, Eifersucht zerrissen seine Brust, er faßte und verwarf Entschluß auf Entschluß, und hatte er die wirbelnden Gedanken bis in's Unmögliche und Ungeheure matt gehezt, so ließ er plötzlich muthlos jeden Vorsatz wieder fallen und blickte nur in eine grenzenlose Leere.
Nach Verfluß einiger Tage war er so weit mit sich im Reinen, daß er stillschweigend Allem und Je- dem seinen Lauf lassen und etwa zusehen wollte, wie man in Neuburg sich weiter geberden würde. Seinem Larkens, der indessen von einer kleinen Reise zu- rückgekommen war, und dem sein Kummer bald auf- fiel, entdeckte er sich keineswegs; denn Einmal wollte er sich in seinem Benehmen in der Sache durch frem- des Urtheil nicht geirrt wissen, er fürchtete die Ge- schäftigkeit, welche sein lebhafter und unternehmender Freund in solchem Falle sicherlich nicht würde ver- läugnen können, und dann hielt ihn ein sonderbares Gefühl von Schaam zurück, wie es denn seinem Cha- rakter eigen war, fremdes Mitleid, und käme es auch vom geliebtesten Freunde, so viel möglich zu verschmähen.
Gewisse weggeworfene Aeußerungen des Malers, so wie eine Menge kleiner Umstände, ließen jedoch
dem er einige Sekunden wie beſinnungslos geſtanden, von ſich gab. Wir ſchildern nicht, in welchem Kreis- laufe von Zerknirſchung, Wuth, Verachtung und Weh- muth er ſich nun wechſelnd umgetrieben ſah. Was blieb hier zu denken, was zu unternehmen übrig? Haß, Liebe, Eiferſucht zerriſſen ſeine Bruſt, er faßte und verwarf Entſchluß auf Entſchluß, und hatte er die wirbelnden Gedanken bis in’s Unmögliche und Ungeheure matt gehezt, ſo ließ er plötzlich muthlos jeden Vorſatz wieder fallen und blickte nur in eine grenzenloſe Leere.
Nach Verfluß einiger Tage war er ſo weit mit ſich im Reinen, daß er ſtillſchweigend Allem und Je- dem ſeinen Lauf laſſen und etwa zuſehen wollte, wie man in Neuburg ſich weiter geberden würde. Seinem Larkens, der indeſſen von einer kleinen Reiſe zu- rückgekommen war, und dem ſein Kummer bald auf- fiel, entdeckte er ſich keineswegs; denn Einmal wollte er ſich in ſeinem Benehmen in der Sache durch frem- des Urtheil nicht geirrt wiſſen, er fürchtete die Ge- ſchäftigkeit, welche ſein lebhafter und unternehmender Freund in ſolchem Falle ſicherlich nicht würde ver- läugnen können, und dann hielt ihn ein ſonderbares Gefühl von Schaam zurück, wie es denn ſeinem Cha- rakter eigen war, fremdes Mitleid, und käme es auch vom geliebteſten Freunde, ſo viel möglich zu verſchmähen.
Gewiſſe weggeworfene Aeußerungen des Malers, ſo wie eine Menge kleiner Umſtände, ließen jedoch
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dem er einige Sekunden wie beſinnungslos geſtanden,
von ſich gab. Wir ſchildern nicht, in welchem Kreis-
laufe von Zerknirſchung, Wuth, Verachtung und Weh-
muth er ſich nun wechſelnd umgetrieben ſah. Was
blieb hier zu denken, was zu unternehmen übrig?
Haß, Liebe, Eiferſucht zerriſſen ſeine Bruſt, er faßte
und verwarf Entſchluß auf Entſchluß, und hatte er
die wirbelnden Gedanken bis in’s Unmögliche und
Ungeheure matt gehezt, ſo ließ er plötzlich muthlos
jeden Vorſatz wieder fallen und blickte nur in eine
grenzenloſe Leere.
Nach Verfluß einiger Tage war er ſo weit mit
ſich im Reinen, daß er ſtillſchweigend Allem und Je-
dem ſeinen Lauf laſſen und etwa zuſehen wollte, wie
man in Neuburg ſich weiter geberden würde. Seinem
Larkens, der indeſſen von einer kleinen Reiſe zu-
rückgekommen war, und dem ſein Kummer bald auf-
fiel, entdeckte er ſich keineswegs; denn Einmal wollte
er ſich in ſeinem Benehmen in der Sache durch frem-
des Urtheil nicht geirrt wiſſen, er fürchtete die Ge-
ſchäftigkeit, welche ſein lebhafter und unternehmender
Freund in ſolchem Falle ſicherlich nicht würde ver-
läugnen können, und dann hielt ihn ein ſonderbares
Gefühl von Schaam zurück, wie es denn ſeinem Cha-
rakter eigen war, fremdes Mitleid, und käme es auch vom
geliebteſten Freunde, ſo viel möglich zu verſchmähen.
Gewiſſe weggeworfene Aeußerungen des Malers,
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/99>, abgerufen am 28.11.2024.
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