fordere, Theobalden von diesen Dingen in Kennt- niß zu setzen, oder ob es nicht vielmehr gerathen sey, jenem die Sorge und der Braut die Beschämung über eine Sache zu ersparen, die am Ende doch nur un- willkürliche und vorübergehende Folge eines sonder- baren Krankheitszustandes sey. Und nun, da offen- bare Hoffnung war, daß Alles sich von selbst aus- gleiche, bereute er um so weniger, in seinem lezten Schreiben bloß im Allgemeinen von wiederholten Ge- sundheitsstörungen gesprochen zu haben. Er sah be- reits die schöne Zeit voraus, wo er dem Schwieger- sohne den ganzen Verlauf der seltsamen Begebenhei- ten in einer traulichen Abendstunde ruhig und wohl- gemuth wie ein glücklich überstandenes Abenteuer würde erzählen können.
Die Rückreise nach Neuburg wurde endlich an- getreten. Man begrüßte die Heimath nach längerer Abwesenheit mit doppelter Liebe. Agnes ward all- gemein blühender, ansprechender, geselliger gefunden, als man sie vor vier Wochen hatte abreisen sehen; was aber der Vater mit besonderem Wohlgefallen be- merkte, war, daß ihr die alte Nähe des Vetters gar nicht einzufallen schien. Dieser wurde indessen durch seine Geschäfte ganz außerhalb der Gegend festgehal- ten, und der Förster durfte einen Ueberfall, worauf er sich bereits gefaßt gemacht, sobald noch nicht be- fürchten.
Uebrigens mußte es nach und nach befremden,
fordere, Theobalden von dieſen Dingen in Kennt- niß zu ſetzen, oder ob es nicht vielmehr gerathen ſey, jenem die Sorge und der Braut die Beſchämung über eine Sache zu erſparen, die am Ende doch nur un- willkürliche und vorübergehende Folge eines ſonder- baren Krankheitszuſtandes ſey. Und nun, da offen- bare Hoffnung war, daß Alles ſich von ſelbſt aus- gleiche, bereute er um ſo weniger, in ſeinem lezten Schreiben bloß im Allgemeinen von wiederholten Ge- ſundheitsſtörungen geſprochen zu haben. Er ſah be- reits die ſchöne Zeit voraus, wo er dem Schwieger- ſohne den ganzen Verlauf der ſeltſamen Begebenhei- ten in einer traulichen Abendſtunde ruhig und wohl- gemuth wie ein glücklich überſtandenes Abenteuer würde erzählen können.
Die Rückreiſe nach Neuburg wurde endlich an- getreten. Man begrüßte die Heimath nach längerer Abweſenheit mit doppelter Liebe. Agnes ward all- gemein blühender, anſprechender, geſelliger gefunden, als man ſie vor vier Wochen hatte abreiſen ſehen; was aber der Vater mit beſonderem Wohlgefallen be- merkte, war, daß ihr die alte Nähe des Vetters gar nicht einzufallen ſchien. Dieſer wurde indeſſen durch ſeine Geſchäfte ganz außerhalb der Gegend feſtgehal- ten, und der Förſter durfte einen Ueberfall, worauf er ſich bereits gefaßt gemacht, ſobald noch nicht be- fürchten.
Uebrigens mußte es nach und nach befremden,
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[87/0095]
fordere, Theobalden von dieſen Dingen in Kennt-
niß zu ſetzen, oder ob es nicht vielmehr gerathen ſey,
jenem die Sorge und der Braut die Beſchämung über
eine Sache zu erſparen, die am Ende doch nur un-
willkürliche und vorübergehende Folge eines ſonder-
baren Krankheitszuſtandes ſey. Und nun, da offen-
bare Hoffnung war, daß Alles ſich von ſelbſt aus-
gleiche, bereute er um ſo weniger, in ſeinem lezten
Schreiben bloß im Allgemeinen von wiederholten Ge-
ſundheitsſtörungen geſprochen zu haben. Er ſah be-
reits die ſchöne Zeit voraus, wo er dem Schwieger-
ſohne den ganzen Verlauf der ſeltſamen Begebenhei-
ten in einer traulichen Abendſtunde ruhig und wohl-
gemuth wie ein glücklich überſtandenes Abenteuer
würde erzählen können.
Die Rückreiſe nach Neuburg wurde endlich an-
getreten. Man begrüßte die Heimath nach längerer
Abweſenheit mit doppelter Liebe. Agnes ward all-
gemein blühender, anſprechender, geſelliger gefunden,
als man ſie vor vier Wochen hatte abreiſen ſehen;
was aber der Vater mit beſonderem Wohlgefallen be-
merkte, war, daß ihr die alte Nähe des Vetters gar
nicht einzufallen ſchien. Dieſer wurde indeſſen durch
ſeine Geſchäfte ganz außerhalb der Gegend feſtgehal-
ten, und der Förſter durfte einen Ueberfall, worauf
er ſich bereits gefaßt gemacht, ſobald noch nicht be-
fürchten.
Uebrigens mußte es nach und nach befremden,
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/95>, abgerufen am 28.11.2024.
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