Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

auf und war bald im Feuer des Gesprächs. Mit
der Morgendämmerung trennte man sich, um noch
eine kurze Ruhe nachzuholen.

"Noch Eins!" rief Theobald unter der Thür,
"wer war denn der Vermummte auf dem Albanithurm?"

"Frag' mich jezt nicht; es ist gleichgültig; du
sollst's ein ander Mal erfahren. Schlaf wohl."

Nolten war auf seinem, vom Frühlichte blaß
erhellten Schlafzimmer angekommen. Er will sich so
eben auf's Bette werfen, als ihm an dem spanischen
Hute, welchen er gestern auf dem Balle gebraucht,
eine Zierde auffällt, die ihm völlig fremd ist; die
rothe Blüthe einer Granate, der Natur täuschend
nachgemacht. Das Blut steigt ihm in die Wange,
eine plötzliche Ahnung schießt ihm durch den Kopf --
"von Ihr! von Ihr! o sicherlich von dir, Con-
stanze
!" rief er aus. "Die Liebe deutet mir das
räthselhafte Wort, das du vor wenig Tagen, halb
Scherz, halb Ernst, gegen mich hast fallen lassen.
Die Blüthe der Granate -- war's nicht so? Ja, so
war's! Und nun heute Nacht, -- stuzte mein Auge
nicht mehr als Einmal an der Blumen austheilenden
Gärtnerin und ihrem kleinen Diener? So ist Sie's
doch gewesen! gewiß, der Junge hat mir's angesteckt,
wie ich verdrießlich in jenem Fenster saß. Sie muß
ihm den Wink gegeben haben. So erkannte sie mich
doch. Du Engel! Engel! Und du, mein seliges Herz!
ja hoffe nur und hoffe kühn! das ist ein theures, un-

auf und war bald im Feuer des Geſprächs. Mit
der Morgendämmerung trennte man ſich, um noch
eine kurze Ruhe nachzuholen.

„Noch Eins!“ rief Theobald unter der Thür,
„wer war denn der Vermummte auf dem Albanithurm?“

„Frag’ mich jezt nicht; es iſt gleichgültig; du
ſollſt’s ein ander Mal erfahren. Schlaf wohl.“

Nolten war auf ſeinem, vom Frühlichte blaß
erhellten Schlafzimmer angekommen. Er will ſich ſo
eben auf’s Bette werfen, als ihm an dem ſpaniſchen
Hute, welchen er geſtern auf dem Balle gebraucht,
eine Zierde auffällt, die ihm völlig fremd iſt; die
rothe Blüthe einer Granate, der Natur täuſchend
nachgemacht. Das Blut ſteigt ihm in die Wange,
eine plötzliche Ahnung ſchießt ihm durch den Kopf —
„von Ihr! von Ihr! o ſicherlich von dir, Con-
ſtanze
!“ rief er aus. „Die Liebe deutet mir das
räthſelhafte Wort, das du vor wenig Tagen, halb
Scherz, halb Ernſt, gegen mich haſt fallen laſſen.
Die Blüthe der Granate — war’s nicht ſo? Ja, ſo
war’s! Und nun heute Nacht, — ſtuzte mein Auge
nicht mehr als Einmal an der Blumen austheilenden
Gärtnerin und ihrem kleinen Diener? So iſt Sie’s
doch geweſen! gewiß, der Junge hat mir’s angeſteckt,
wie ich verdrießlich in jenem Fenſter ſaß. Sie muß
ihm den Wink gegeben haben. So erkannte ſie mich
doch. Du Engel! Engel! Und du, mein ſeliges Herz!
ja hoffe nur und hoffe kühn! das iſt ein theures, un-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0068" n="60"/>
auf und war bald im Feuer des Ge&#x017F;prächs. Mit<lb/>
der Morgendämmerung trennte man &#x017F;ich, um noch<lb/>
eine kurze Ruhe nachzuholen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Noch Eins!&#x201C; rief <hi rendition="#g">Theobald</hi> unter der Thür,<lb/>
&#x201E;wer war denn der Vermummte auf dem Albanithurm?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Frag&#x2019; mich jezt nicht; es i&#x017F;t gleichgültig; du<lb/>
&#x017F;oll&#x017F;t&#x2019;s ein ander Mal erfahren. Schlaf wohl.&#x201C;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Nolten</hi> war auf &#x017F;einem, vom Frühlichte blaß<lb/>
erhellten Schlafzimmer angekommen. Er will &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
eben auf&#x2019;s Bette werfen, als ihm an dem &#x017F;pani&#x017F;chen<lb/>
Hute, welchen er ge&#x017F;tern auf dem Balle gebraucht,<lb/>
eine Zierde auffällt, die ihm völlig fremd i&#x017F;t; die<lb/>
rothe Blüthe einer Granate, der Natur täu&#x017F;chend<lb/>
nachgemacht. Das Blut &#x017F;teigt ihm in die Wange,<lb/>
eine plötzliche Ahnung &#x017F;chießt ihm durch den Kopf &#x2014;<lb/>
&#x201E;von <hi rendition="#g">Ihr</hi>! von Ihr! o &#x017F;icherlich von dir, <hi rendition="#g">Con-<lb/>
&#x017F;tanze</hi>!&#x201C; rief er aus. &#x201E;Die Liebe deutet mir das<lb/>
räth&#x017F;elhafte Wort, das du vor wenig Tagen, halb<lb/>
Scherz, halb Ern&#x017F;t, gegen mich ha&#x017F;t fallen la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Die Blüthe der Granate &#x2014; war&#x2019;s nicht &#x017F;o? Ja, &#x017F;o<lb/>
war&#x2019;s! Und nun heute Nacht, &#x2014; &#x017F;tuzte mein Auge<lb/>
nicht mehr als Einmal an der Blumen austheilenden<lb/>
Gärtnerin und ihrem kleinen Diener? So i&#x017F;t Sie&#x2019;s<lb/>
doch gewe&#x017F;en! gewiß, der Junge hat mir&#x2019;s ange&#x017F;teckt,<lb/>
wie ich verdrießlich in jenem Fen&#x017F;ter &#x017F;aß. Sie muß<lb/>
ihm den Wink gegeben haben. So erkannte &#x017F;ie mich<lb/>
doch. Du Engel! Engel! Und du, mein &#x017F;eliges Herz!<lb/>
ja hoffe nur und hoffe kühn! das i&#x017F;t ein theures, un-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0068] auf und war bald im Feuer des Geſprächs. Mit der Morgendämmerung trennte man ſich, um noch eine kurze Ruhe nachzuholen. „Noch Eins!“ rief Theobald unter der Thür, „wer war denn der Vermummte auf dem Albanithurm?“ „Frag’ mich jezt nicht; es iſt gleichgültig; du ſollſt’s ein ander Mal erfahren. Schlaf wohl.“ Nolten war auf ſeinem, vom Frühlichte blaß erhellten Schlafzimmer angekommen. Er will ſich ſo eben auf’s Bette werfen, als ihm an dem ſpaniſchen Hute, welchen er geſtern auf dem Balle gebraucht, eine Zierde auffällt, die ihm völlig fremd iſt; die rothe Blüthe einer Granate, der Natur täuſchend nachgemacht. Das Blut ſteigt ihm in die Wange, eine plötzliche Ahnung ſchießt ihm durch den Kopf — „von Ihr! von Ihr! o ſicherlich von dir, Con- ſtanze!“ rief er aus. „Die Liebe deutet mir das räthſelhafte Wort, das du vor wenig Tagen, halb Scherz, halb Ernſt, gegen mich haſt fallen laſſen. Die Blüthe der Granate — war’s nicht ſo? Ja, ſo war’s! Und nun heute Nacht, — ſtuzte mein Auge nicht mehr als Einmal an der Blumen austheilenden Gärtnerin und ihrem kleinen Diener? So iſt Sie’s doch geweſen! gewiß, der Junge hat mir’s angeſteckt, wie ich verdrießlich in jenem Fenſter ſaß. Sie muß ihm den Wink gegeben haben. So erkannte ſie mich doch. Du Engel! Engel! Und du, mein ſeliges Herz! ja hoffe nur und hoffe kühn! das iſt ein theures, un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/68
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/68>, abgerufen am 25.11.2024.