dein Traum! Ach, nur zu bald wirst du weinen. Gott helfe dir. Gute Nacht."
Dieß war die auffallende Stelle, die Nolten mit heimlichem Unmuthe gegen Larkens anhörte, denn nun zweifelte er nicht mehr, daß dieser das Ganze veranstaltet hatte. Was noch weiter aus dem Hefte vorgetragen wurde, war ohne besondere Bezie- hung, und der Vorleser hörte eben zur rechten Zeit auf, als die Ungeduld Noltens am höchsten war. Der Leztere konnte kaum erwarten, bis man ausein- ander ging und er Gelegenheit fand, dem Larkens einige Worte zuzuflüstern, die ihm wenigstens andeu- ten sollten, wie wenig jener Wink am Platze gewesen. "Ich danke dir," sagte er mit beleidigtem Tone, in- dem sie die Treppen des Thurmes hinabstiegen, "ich danke dir für deine wohlgemeinte Zurechtweisung in einer Sache, worin ich übrigens füglich mein eigener Richter seyn könnte. Ich habe mich dir schon früher im All- gemeinen darüber erklärt, du scheinst mich aber nicht verstanden zu haben. Verlang' es, und ich will mich weitläuftiger vor dir rechtfertigen."
"Für's Erste," antwortete der Freund halb lä- chelnd, "berg' ich dir meine Freude darüber keines- wegs, daß du meinen versteckten Ausfall auf dein Gewissen nicht spaßhaft aufgenommen, so seltsam auch die Komödie war; aber es thäte mir auf der andern Seite eben so leid, wenn du einen Popanz oder selbst-
dein Traum! Ach, nur zu bald wirſt du weinen. Gott helfe dir. Gute Nacht.“
Dieß war die auffallende Stelle, die Nolten mit heimlichem Unmuthe gegen Larkens anhörte, denn nun zweifelte er nicht mehr, daß dieſer das Ganze veranſtaltet hatte. Was noch weiter aus dem Hefte vorgetragen wurde, war ohne beſondere Bezie- hung, und der Vorleſer hörte eben zur rechten Zeit auf, als die Ungeduld Noltens am höchſten war. Der Leztere konnte kaum erwarten, bis man ausein- ander ging und er Gelegenheit fand, dem Larkens einige Worte zuzuflüſtern, die ihm wenigſtens andeu- ten ſollten, wie wenig jener Wink am Platze geweſen. „Ich danke dir,“ ſagte er mit beleidigtem Tone, in- dem ſie die Treppen des Thurmes hinabſtiegen, „ich danke dir für deine wohlgemeinte Zurechtweiſung in einer Sache, worin ich übrigens füglich mein eigener Richter ſeyn könnte. Ich habe mich dir ſchon früher im All- gemeinen darüber erklärt, du ſcheinſt mich aber nicht verſtanden zu haben. Verlang’ es, und ich will mich weitläuftiger vor dir rechtfertigen.“
„Für’s Erſte,“ antwortete der Freund halb lä- chelnd, „berg’ ich dir meine Freude darüber keines- wegs, daß du meinen verſteckten Ausfall auf dein Gewiſſen nicht ſpaßhaft aufgenommen, ſo ſeltſam auch die Komödie war; aber es thäte mir auf der andern Seite eben ſo leid, wenn du einen Popanz oder ſelbſt-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0059"n="51"/>
dein Traum! Ach, nur zu bald wirſt du weinen. Gott<lb/>
helfe dir. Gute Nacht.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Dieß war die auffallende Stelle, die <hirendition="#g">Nolten</hi><lb/>
mit heimlichem Unmuthe gegen <hirendition="#g">Larkens</hi> anhörte,<lb/>
denn nun zweifelte er nicht mehr, daß dieſer das<lb/>
Ganze veranſtaltet hatte. Was noch weiter aus dem<lb/>
Hefte vorgetragen wurde, war ohne beſondere Bezie-<lb/>
hung, und der Vorleſer hörte eben zur rechten Zeit<lb/>
auf, als die Ungeduld <hirendition="#g">Noltens</hi> am höchſten war.<lb/>
Der Leztere konnte kaum erwarten, bis man ausein-<lb/>
ander ging und er Gelegenheit fand, dem <hirendition="#g">Larkens</hi><lb/>
einige Worte zuzuflüſtern, die ihm wenigſtens andeu-<lb/>
ten ſollten, wie wenig jener Wink am Platze geweſen.<lb/>„Ich danke dir,“ſagte er mit beleidigtem Tone, in-<lb/>
dem ſie die Treppen des Thurmes hinabſtiegen, „ich<lb/>
danke dir für deine wohlgemeinte Zurechtweiſung in<lb/>
einer Sache, worin ich übrigens füglich mein eigener Richter<lb/>ſeyn könnte. Ich habe mich dir ſchon früher im All-<lb/>
gemeinen darüber erklärt, du ſcheinſt mich aber nicht<lb/>
verſtanden zu haben. Verlang’ es, und ich will mich<lb/>
weitläuftiger vor dir rechtfertigen.“</p><lb/><p>„Für’s Erſte,“ antwortete der Freund halb lä-<lb/>
chelnd, „berg’ ich dir meine Freude darüber keines-<lb/>
wegs, daß du meinen verſteckten Ausfall auf dein<lb/>
Gewiſſen nicht ſpaßhaft aufgenommen, ſo ſeltſam auch<lb/>
die Komödie war; aber es thäte mir auf der andern<lb/>
Seite eben ſo leid, wenn du einen Popanz oder ſelbſt-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[51/0059]
dein Traum! Ach, nur zu bald wirſt du weinen. Gott
helfe dir. Gute Nacht.“
Dieß war die auffallende Stelle, die Nolten
mit heimlichem Unmuthe gegen Larkens anhörte,
denn nun zweifelte er nicht mehr, daß dieſer das
Ganze veranſtaltet hatte. Was noch weiter aus dem
Hefte vorgetragen wurde, war ohne beſondere Bezie-
hung, und der Vorleſer hörte eben zur rechten Zeit
auf, als die Ungeduld Noltens am höchſten war.
Der Leztere konnte kaum erwarten, bis man ausein-
ander ging und er Gelegenheit fand, dem Larkens
einige Worte zuzuflüſtern, die ihm wenigſtens andeu-
ten ſollten, wie wenig jener Wink am Platze geweſen.
„Ich danke dir,“ ſagte er mit beleidigtem Tone, in-
dem ſie die Treppen des Thurmes hinabſtiegen, „ich
danke dir für deine wohlgemeinte Zurechtweiſung in
einer Sache, worin ich übrigens füglich mein eigener Richter
ſeyn könnte. Ich habe mich dir ſchon früher im All-
gemeinen darüber erklärt, du ſcheinſt mich aber nicht
verſtanden zu haben. Verlang’ es, und ich will mich
weitläuftiger vor dir rechtfertigen.“
„Für’s Erſte,“ antwortete der Freund halb lä-
chelnd, „berg’ ich dir meine Freude darüber keines-
wegs, daß du meinen verſteckten Ausfall auf dein
Gewiſſen nicht ſpaßhaft aufgenommen, ſo ſeltſam auch
die Komödie war; aber es thäte mir auf der andern
Seite eben ſo leid, wenn du einen Popanz oder ſelbſt-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/59>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.