erschienen fast alle zu gleicher Zeit, und Larkens mit einer guten Ladung warmen Getränkes. Man freute sich auf's Neue des Wiedersehens; jeder brachte seine eigenen Bemerkungen aus dem Saale mit, nur Nolten schien Wenig oder Nichts gesehen zu haben. Es war beinahe komisch, wie er auf die Fragen über eine oder die andere interessante Erscheinung immer mit einem kleinlauten "ich weiß nicht" antwortete und zulezt, um sich nicht gar auslachen zu lassen, nur so that, als erinnerte er sich. "Wie gefiel dir der König Richard und der Herzog von Friedland?" "Recht gut," war die Antwort, "sehr artig, bei meiner Seele! der bucklichte König hätte können besser seyn." -- Lar- kens, indem er den Andern mit den Augen winkte, machte den Schalk und sagte:
"Ein Stückchen ist aber doch wohl Allen entgan- gen. Ein Riese in altdeutscher Tracht, ohne Zweifel einen Studenten vorstellend, geht mit langen Sporen und der Tabakspfeife schwerfällig auf und ab; endlich, da er in einer Ecke stehen bleibt, eilt ein winziges Kerlchen herbei, ein kleiner Schornsteinfeger in einer Art von Hanswursttracht, schwarz und weiß gewür- felten Beinkleidern und Wämschen, bindet den Riesen, legt das schwarze Leiterchen an den breiten Rücken des Mannes an, klettert flink mit Scharreisen und Besen hinauf, hebt ihm vorsichtig den Scheitel wie einen Deckel ab, und fängt nach allerlei bedenklichen Grimassen an, den Kopf recht wacker auszufegen, in-
erſchienen faſt alle zu gleicher Zeit, und Larkens mit einer guten Ladung warmen Getränkes. Man freute ſich auf’s Neue des Wiederſehens; jeder brachte ſeine eigenen Bemerkungen aus dem Saale mit, nur Nolten ſchien Wenig oder Nichts geſehen zu haben. Es war beinahe komiſch, wie er auf die Fragen über eine oder die andere intereſſante Erſcheinung immer mit einem kleinlauten „ich weiß nicht“ antwortete und zulezt, um ſich nicht gar auslachen zu laſſen, nur ſo that, als erinnerte er ſich. „Wie gefiel dir der König Richard und der Herzog von Friedland?“ „Recht gut,“ war die Antwort, „ſehr artig, bei meiner Seele! der bucklichte König hätte können beſſer ſeyn.“ — Lar- kens, indem er den Andern mit den Augen winkte, machte den Schalk und ſagte:
„Ein Stückchen iſt aber doch wohl Allen entgan- gen. Ein Rieſe in altdeutſcher Tracht, ohne Zweifel einen Studenten vorſtellend, geht mit langen Sporen und der Tabakspfeife ſchwerfällig auf und ab; endlich, da er in einer Ecke ſtehen bleibt, eilt ein winziges Kerlchen herbei, ein kleiner Schornſteinfeger in einer Art von Hanswurſttracht, ſchwarz und weiß gewür- felten Beinkleidern und Wämschen, bindet den Rieſen, legt das ſchwarze Leiterchen an den breiten Rücken des Mannes an, klettert flink mit Scharreiſen und Beſen hinauf, hebt ihm vorſichtig den Scheitel wie einen Deckel ab, und fängt nach allerlei bedenklichen Grimaſſen an, den Kopf recht wacker auszufegen, in-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0047"n="39"/>
erſchienen faſt alle zu gleicher Zeit, und <hirendition="#g">Larkens</hi><lb/>
mit einer guten Ladung warmen Getränkes. Man<lb/>
freute ſich auf’s Neue des Wiederſehens; jeder brachte<lb/>ſeine eigenen Bemerkungen aus dem Saale mit, nur<lb/><hirendition="#g">Nolten</hi>ſchien Wenig oder Nichts geſehen zu haben.<lb/>
Es war beinahe komiſch, wie er auf die Fragen über<lb/>
eine oder die andere intereſſante Erſcheinung immer<lb/>
mit einem kleinlauten „ich weiß nicht“ antwortete und<lb/>
zulezt, um ſich nicht gar auslachen zu laſſen, nur ſo<lb/>
that, als erinnerte er ſich. „Wie gefiel dir der König<lb/>
Richard und der Herzog von Friedland?“„Recht gut,“<lb/>
war die Antwort, „ſehr artig, bei meiner Seele! der<lb/>
bucklichte König hätte können beſſer ſeyn.“—<hirendition="#g">Lar-<lb/>
kens</hi>, indem er den Andern mit den Augen winkte,<lb/>
machte den Schalk und ſagte:</p><lb/><p>„Ein Stückchen iſt aber doch wohl Allen entgan-<lb/>
gen. Ein Rieſe in altdeutſcher Tracht, ohne Zweifel<lb/>
einen Studenten vorſtellend, geht mit langen Sporen<lb/>
und der Tabakspfeife ſchwerfällig auf und ab; endlich,<lb/>
da er in einer Ecke ſtehen bleibt, eilt ein winziges<lb/>
Kerlchen herbei, ein kleiner Schornſteinfeger in einer<lb/>
Art von Hanswurſttracht, ſchwarz und weiß gewür-<lb/>
felten Beinkleidern und Wämschen, bindet den Rieſen,<lb/>
legt das ſchwarze Leiterchen an den breiten Rücken<lb/>
des Mannes an, klettert flink mit Scharreiſen und<lb/>
Beſen hinauf, hebt ihm vorſichtig den Scheitel wie<lb/>
einen Deckel ab, und fängt nach allerlei bedenklichen<lb/>
Grimaſſen an, den Kopf recht wacker auszufegen, in-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[39/0047]
erſchienen faſt alle zu gleicher Zeit, und Larkens
mit einer guten Ladung warmen Getränkes. Man
freute ſich auf’s Neue des Wiederſehens; jeder brachte
ſeine eigenen Bemerkungen aus dem Saale mit, nur
Nolten ſchien Wenig oder Nichts geſehen zu haben.
Es war beinahe komiſch, wie er auf die Fragen über
eine oder die andere intereſſante Erſcheinung immer
mit einem kleinlauten „ich weiß nicht“ antwortete und
zulezt, um ſich nicht gar auslachen zu laſſen, nur ſo
that, als erinnerte er ſich. „Wie gefiel dir der König
Richard und der Herzog von Friedland?“ „Recht gut,“
war die Antwort, „ſehr artig, bei meiner Seele! der
bucklichte König hätte können beſſer ſeyn.“ — Lar-
kens, indem er den Andern mit den Augen winkte,
machte den Schalk und ſagte:
„Ein Stückchen iſt aber doch wohl Allen entgan-
gen. Ein Rieſe in altdeutſcher Tracht, ohne Zweifel
einen Studenten vorſtellend, geht mit langen Sporen
und der Tabakspfeife ſchwerfällig auf und ab; endlich,
da er in einer Ecke ſtehen bleibt, eilt ein winziges
Kerlchen herbei, ein kleiner Schornſteinfeger in einer
Art von Hanswurſttracht, ſchwarz und weiß gewür-
felten Beinkleidern und Wämschen, bindet den Rieſen,
legt das ſchwarze Leiterchen an den breiten Rücken
des Mannes an, klettert flink mit Scharreiſen und
Beſen hinauf, hebt ihm vorſichtig den Scheitel wie
einen Deckel ab, und fängt nach allerlei bedenklichen
Grimaſſen an, den Kopf recht wacker auszufegen, in-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/47>, abgerufen am 03.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.