nach unserer Rückkunft von der italienischen Reise, bei ihnen einführtest. Wahrlich, es hätte wenig gefehlt, so hätten die Alten geweint wie die Kinder bei deinem Namen, ein paar anderer Augen nicht zu gedenken, die auch dabei standen, und von denen es schien, als wollten sie sich im Voraus recht satt sehen an mir und meinem Gefährten, an unsern Kleidern und Bündeln, weil das Alles in fünf Tagen mit dem Geliebten in Berührung kommen sollte. Du pflegtest das Mädchen sonst immer dein blondes Reh zu nennen; wie treffend fand ich diesen Ausdruck wieder! ja, und das ist sie noch im lieblichsten rührendsten Sinne des Worts. Wie hätt' ich gewünscht, den Umriß ihrer niedlichen Figur mit dem Bleistift in mein Portefeuille für dich wegzu- stehlen, wie ich sie so durch die halboffene Thür des Nebenzimmers am Tischchen sitzen und den Brief schrei- ben sah, den Rücken gegen uns gewendet, von der Seite kaum ein wenig sichtbar, allein der Baron war allzu gesprächig."
"Du bist es auch," erwiderte Nolten freundlich- böse, indem er aufstand und sich gegen den so eben her- beitretenden Larkens wandte. Dieser sagte: "Nun, wirst du die Herren nicht bewegen, sich diesen Abend in Domino's zu stecken und ein paar Stunden mit närrischen Leuten närrisch zu seyn? oder machen wir's wie dort der Herr Hofrath, der an solchen Abenden hier im Gasthofe zu Nacht speist, und sich dann ein Zim- mer vom Kellner anweisen läßt, um füuf Straßen weit
nach unſerer Rückkunft von der italieniſchen Reiſe, bei ihnen einführteſt. Wahrlich, es hätte wenig gefehlt, ſo hätten die Alten geweint wie die Kinder bei deinem Namen, ein paar anderer Augen nicht zu gedenken, die auch dabei ſtanden, und von denen es ſchien, als wollten ſie ſich im Voraus recht ſatt ſehen an mir und meinem Gefährten, an unſern Kleidern und Bündeln, weil das Alles in fünf Tagen mit dem Geliebten in Berührung kommen ſollte. Du pflegteſt das Mädchen ſonſt immer dein blondes Reh zu nennen; wie treffend fand ich dieſen Ausdruck wieder! ja, und das iſt ſie noch im lieblichſten rührendſten Sinne des Worts. Wie hätt’ ich gewünſcht, den Umriß ihrer niedlichen Figur mit dem Bleiſtift in mein Portefeuille für dich wegzu- ſtehlen, wie ich ſie ſo durch die halboffene Thür des Nebenzimmers am Tiſchchen ſitzen und den Brief ſchrei- ben ſah, den Rücken gegen uns gewendet, von der Seite kaum ein wenig ſichtbar, allein der Baron war allzu geſprächig.“
„Du biſt es auch,“ erwiderte Nolten freundlich- böſe, indem er aufſtand und ſich gegen den ſo eben her- beitretenden Larkens wandte. Dieſer ſagte: „Nun, wirſt du die Herren nicht bewegen, ſich dieſen Abend in Domino’s zu ſtecken und ein paar Stunden mit närriſchen Leuten närriſch zu ſeyn? oder machen wir’s wie dort der Herr Hofrath, der an ſolchen Abenden hier im Gaſthofe zu Nacht ſpeist, und ſich dann ein Zim- mer vom Kellner anweiſen läßt, um füuf Straßen weit
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nach unſerer Rückkunft von der italieniſchen Reiſe, bei
ihnen einführteſt. Wahrlich, es hätte wenig gefehlt,
ſo hätten die Alten geweint wie die Kinder bei deinem
Namen, ein paar anderer Augen nicht zu gedenken,
die auch dabei ſtanden, und von denen es ſchien, als
wollten ſie ſich im Voraus recht ſatt ſehen an mir und
meinem Gefährten, an unſern Kleidern und Bündeln,
weil das Alles in fünf Tagen mit dem Geliebten in
Berührung kommen ſollte. Du pflegteſt das Mädchen
ſonſt immer dein blondes Reh zu nennen; wie treffend
fand ich dieſen Ausdruck wieder! ja, und das iſt ſie
noch im lieblichſten rührendſten Sinne des Worts. Wie
hätt’ ich gewünſcht, den Umriß ihrer niedlichen Figur
mit dem Bleiſtift in mein Portefeuille für dich wegzu-
ſtehlen, wie ich ſie ſo durch die halboffene Thür des
Nebenzimmers am Tiſchchen ſitzen und den Brief ſchrei-
ben ſah, den Rücken gegen uns gewendet, von der
Seite kaum ein wenig ſichtbar, allein der Baron war
allzu geſprächig.“
„Du biſt es auch,“ erwiderte Nolten freundlich-
böſe, indem er aufſtand und ſich gegen den ſo eben her-
beitretenden Larkens wandte. Dieſer ſagte: „Nun,
wirſt du die Herren nicht bewegen, ſich dieſen Abend
in Domino’s zu ſtecken und ein paar Stunden mit
närriſchen Leuten närriſch zu ſeyn? oder machen wir’s
wie dort der Herr Hofrath, der an ſolchen Abenden hier
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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/44>, abgerufen am 03.02.2025.
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